Bausektor: Auf die Diversifizierung achten

Höhere Zinsen und eine schwierige Konjunktur haben die Baubranche zuletzt belastet. Viele Branchenvertreter ziehen sich jedoch achtbar aus der Affäre.

(Bildquelle: Porr AG)

Die jahrelange Niedrigzinsphase hatte den Immobilien- und Bausektor beflügelt. Zuletzt sorgten jedoch COVID-19, die Inflation, höhere Energie-, Rohstoff- und Materialkosten sowie eine Konjunkturabkühlung für ein schwächeres Umfeld. Während die Aussicht auf erste Leitzinssenkungen im kommenden Jahr sowie der Rückgang der Inflation für eine Erholung sorgen sollten, versuchen allen voran europäische Branchenvertreter noch mehr in Sachen Diversifikation zu leisten.

China dominiert den Bausektor

Das anhaltende Wirtschaftswachstum, insbesondere in Schwellenländern, sowie die benötigten Investitionen in den Ausbau der Immobilienwirtschaft zur Unterbringung der wachsenden Weltbevölkerung oder zum Adressieren von Trends wie der Verstädterung und der zunehmenden Zahl von Single-Haushalten werden dafür sorgen, dass der Bausektor nicht beschäftigungslos bleibt. Hinzu kommen Zukunftsprojekte wie eine nachhaltige Energieversorgung, die ebenfalls zahlreiche Bauaktivitäten erfordern. Es gilt aber auch, angesichts der hohen Zinsen, der Inflation, einer schwachen Konjunktur sowie der hohen Kosten eine schwierige Phase durchzustehen. Zum Stand des weltweiten Bausektors lohnt sich ein Blick in die regelmäßig erscheinende Deloitte-Studie Global Powers of Construction (GPoC).

Unter den größten Bauunternehmen der Welt sind traditionell viele chinesische Konzerne zu finden. (Bildquelle: unsplash / logojackmowo Yao)

So machten die Studienverantwortlichen 2022 in der Baubranche weltweit einen Gesamtumsatz von 1.940 Billionen US-Dollar aus. Ein Anstieg von 6,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. An der Spitze stand bei den Unternehmen zuletzt die China State Construction Engineering Corp. Ltd. (CSCEC) mit Erlösen von etwas mehr als 300 Mrd. US-Dollar. Erst auf Platz sieben folgte mit dem französischen Branchenriesen Vinci und Umsätzen von knapp 65 Mrd. US-Dollar das erste nicht chinesische Unternehmen. Mit Bouygues ist mit Blick auf den Umsatz ein weiteres französisches Bauunternehmen in der Top Ten (Platz 9) vertreten. Für Anleger ist möglicherweise der Blick auf die Marktkapitalisierung interessanter.

Hier konnte sich Vinci 2022 mit etwa mehr als 56 Mrd. US-Dollar den Spitzenplatz sichern. Es wird nicht einfach sein für Vinci, diese Spitzenposition in den kommenden Jahren angesichts schwieriger Marktbedingungen zu verteidigen. Allerdings können die europäischen Bauunternehmen mit einem Vorteil aufwarten, der sie etwas wetterfester in schwierigen Marktphasen machen könnte. Rund 25 Prozent der im Zuge der GPoC-Studie beobachteten Gesamteinnahmen stammten laut Deloitte aus Tätigkeiten außerhalb des Baugewerbes. So seien die europäischen Unternehmen am stärksten diversifiziert (ca. 32 Prozent des Gesamtumsatzes) gewesen, während bei den US-amerikanischen und asiatischen Unternehmen die baufremden Tätigkeiten etwa 24 Prozent des Gesamtumsatzes ausmachten.

Vinci: Noch mehr Cash

Wenn man sich die Kursperformance der Vinci-Aktie (WKN: 867475 / ISIN: FR0000125486) anschaut, könnte man annehmen, dass das Branchenumfeld im Bausektor alles andere als schwierig ist. Die Aktie des französischen Branchenriesen konnte seit Anfang 2023 rund 24 Prozent an Wert zulegen und zuletzt sogar neue Höchststände verbuchen. Ein Grund dafür war unter anderem die anhaltend starke Umsatzentwicklung. Die Erlöse wurden in den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres im Vorjahresvergleich um 12 Prozent auf 50,6 Mrd. Euro gesteigert. Mit einem Plus von 18 Prozent lief das Geschäft außerhalb des französischen Heimatmarktes deutlich besser.

In Frankreich lag das Erlösplus lediglich bei 5 Prozent. Überzeugen konnte Vinci wiederum mit einem Anstieg beim Auftragseingang, während der Auftragsbestand auf einem Rekordniveau lag. Das Management verwies zudem auf eine hohe Liquidität und eine im Vergleich zum Vorjahr deutlich gesenkte Verschuldung. Die Aussichten für das Gesamtjahr wurden zudem bestätigt, während die Prognose beim Free Cashflow sogar angehoben wurde. Hier peilt man mindestens 4,5 Mrd. Euro an, nachdem man sich zuvor einen Wert am oberen Ende der Spanne von 4,0 bis 4,5 Mrd. Euro zugetraut hatte.

Der französische Branchenriese Vinci ist global aufgestellt. (Bildquelle: © Photothèques VINCI et filiales)

Ferrovial sorgt für Umzugsärger

Auf dem Weg zu einer Börsennotierung in den USA macht Ferrovial (WKN: A3EG0H / ISIN: NL0015001FS8) Zwischenstation in den Niederlanden. Dieser Umzug ließ jedoch einige in Spanien von einem Landesverrat sprechen. Schließlich wurde der Bau- und Infrastrukturkonzern, der auch einige Flughafenbeteiligungen hält, 1952 in der spanischen Hauptstadt Madrid gegründet. Das Unternehmen selbst will mit verschiedenen Umstrukturierungen besser dem internationalen Charakter seines Geschäfts Rechnung tragen. Dabei steht vor allem der US-Markt im Fokus des Managements. Teil dieser Umstrukturierung ist auch der Ende November angekündigte Verkauf der restlichen Anteile von 25 Prozent am Flughafen Heathrow.

An den weiteren britischen Flughäfen wie Aberdeen, Glasgow und Southampton bleibt Ferrovial beteiligt. Die Beteiligung am Londoner Flughafen Heathrow hatte das Unternehmen seit 2006 aufgebaut. Die Käufer, die französische Private-Equity-Gruppe Adrian und der staatliche Public Investment Fund (PIF) aus Saudi-Arabien, zahlen 2,4 Mrd. Britische Pfund (ca. 2,75 Mrd. Euro). Ein Teil dieses Geldes wird in ein Aktienrückkaufprogramm fließen. So will der Konzern zwischen 1. Dezember 2023 und 1. Mai 2024 eigene Aktien im Wert von bis zu 500 Mio. Euro zurückkaufen.

ACS: Auftragsbestand auf Rekordniveau

Der spanische Baukonzern ACS (WKN: A0CBA2 / ISIN: ES0167050915) wurde hierzulande unter anderem durch die Übernahmeschlacht rund um Hochtief berühmt. Fußballfans ist zudem der langjährige Firmenchef als Präsident des Fußballclubs Real Madrid bekannt. ACS hält immer noch etwas mehr als 75 Prozent der Hochtief-Anteile, sodass sich Anleger über die ACS-Anteilsscheine indirekt auch am deutschen Traditionskonzern beteiligen können. Im Fall von ACS selbst konnte zuletzt eine deutliche Erholung von der Corona-bedingten Delle beobachtet werden. Allein seit Beginn dieses Jahres konnte die ACS-Aktie einen Wertzuwachs von rund 38 Prozent verbuchen.

Ähnlich wie im Fall von Vinci verzeichnete auch ACS zuletzt einen Auftragsbestand auf Rekordniveau. Zum Ende des dritten Quartals 2023 lag dieser bei 74,9 Mrd. Euro. Nach neun Monaten im laufenden Geschäftsjahr lagen die Umsätze bei 26,4 Mrd. Euro und damit um 7,6 Prozent höher als noch vor einem Jahr. Auf der Ergebnisseite fielen die Steigerungen etwas stärker aus. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) wurde um 12,8 Prozent auf 1,43 Mrd. Euro verbessert. Allerdings hatte eine Anteilsaufstockung bei Hochtief die Schulden etwas ansteigen lassen.

PORR will wieder angreifen. (Bildquelle: Porr AG)

Erholungspotenzial bei PORR?

Seit Jahresbeginn hat die PORR-Aktie (WKN: 850185 / ISIN: AT0000609607) rund 5 Prozent an Wert zugelegt. Im Vergleich zum 2023er-Jahreshoch, das im Mai verzeichnet worden war, liegt der Kursrückgang bei etwas mehr als 15 Prozent. Die Analysten bei Montega sehen jedoch für den österreichischen Baukonzern jedoch einiges an Potenzial. Das Kursziel liegt bei 20,00 Euro. Dies würde derzeit einem Kurspotenzial von etwas mehr als 60 Prozent entsprechen. Aus Analystensicht würde PORR im krisengeschüttelten Bausektor mit profitablen Wachstumsperspektiven hervorragen.

Insbesondere sehen sie die Aktie angesichts der Bewertung als attraktives Value-Investment. Es wird unter anderem auf ein für 2023 geschätztes Kurs-Buchwert-Verhältnis von 0,6 und eine Dividendenrendite von mehr als 6 Prozent verwiesen. Darüber hinaus sei das Schadenspotenzial der Signa-Insolvenz für PORR äußerst gering. Zumal PORR nur in geringem Maße vom Wohnungsbau, der im Zentrum der Baukrise stehen würde, abhängig sei. Die Ergebnisse zum dritten Quartal und den ersten neun Monaten 2023 hätten zudem volle Auftragsbücher und eine weiter steigende Profitabilität gezeigt.

Das marktEINBLICKE-Fazit

Noch immer bleiben die Marktbedingungen für die Baubranche schwierig. Dringend benötigte Investitionen in die Infrastruktur oder die Energiewende sollten jedoch dafür sorgen, dass den Branchenvertretern nicht langweilig wird. Gleichzeit könnte sich das Umfeld angesichts der Aussicht auf Zinssenkungen sowie eine weiter zurückgehende Inflation aufhellen. Darüber hinaus zeigen vor allem europäische Bauunternehmen, dass man schwierigen Marktsituationen mit mehr Diversifikation begegnen kann.