Kein Weltuntergang!

Die Inflationsbekämpfung hat bei den Zentralbanken weiterhin Priorität. Hier sind Weitsicht und Disziplin gefragt.

(Bildquelle: Heiko Thieme)

Ende 2022 war die Überschrift meiner Kolumne: „Grund zum Optimismus?“ Als Kursziel nannte ich für den DAX bis Jahresende 2023 die 17.000 Marke, was ein neues Rekordhoch wäre. Beim Dow Jones sprach ich von einer neuen Höchstmarke von 38.000 als Zielvorgabe. Beide Prognosen widersprachen den Erwartungen und Warnungen vieler prominenter Markt Strategen und Analysten. Fondsmanager gingen mit einer relativ hohen Bargeldposition von sieben Prozent in das neue Jahr. Das erste Quartal beweist jedoch, dass diese Vorsicht nicht richtig war! Der von vielen befürchtete und prognostizierte „Weltuntergang“ blieb bisher aus. Selbst die spektakuläre Pleite der Silicon Valley Bank in Kalifornien – immerhin die 16.-größte Bank der USA – und die „Zwangsfusion“ der Credit Suisse – eine der größten Investmentbanken der Welt – mit der UBS setzten die Börsen in der ersten Märzhälfte nur kurzfristig unter Druck.

Anfang April, kurz vor Ostern, stieg der DAX auf ein neues Jahreshoch von über 15.700 Punkten, was ein Plus von 13 Prozent seit Januar bedeutet und damit deutlich über dem Jahresdurchschnitt von rund acht Prozent seit 1988 liegt, als der DAX bei 1.000 Punkten begann. Um meine Jahresprognose von 17.000 zu erreichen, fehlen rund sieben Prozent! Dies dürfte in den verbleibenden knapp neun Monaten weniger ambitioniert sein als noch kurz vor Jahresbeginn.

Auch die Wall Street konnte sich im ersten Quartal sehen lassen. Der breit angelegte S&P 500 Index, der rund 75 Prozent aller US-Werte widerspiegelt, legte sieben Prozent zu. Dies war mehr als der durchschnittliche Jahresanstieg von sechs Prozent seit der Erstnotierung vor 96 Jahren! Der Nasdaq 100 Index, der den Technologiesektor primär abdeckt, glänzte mit einem Plus von 20 Prozent! Dies war das zweitbeste Quartalsergebnis für diesen Index in den vergangenen 10 Jahren. Enttäuscht hatte dagegen bisher der Dow Jones mit einem mageren Anstieg in diesem Jahr von lediglich einem halben Prozent.

Allerdings müssen diese Daten relativiert werden. Vergleicht man den S&P 500 Index mit dem Dow Jones seit Beginn dieser Hausse von Ende September 2022, so kommen beide auf ein Plus von rund 16 Prozent! in sieben Monaten! Bis zur 38.000er-Marke fehlen noch knapp 14 Prozent, was zwar eine Herausforderung darstellt, aber bis Jahresende dennoch möglich ist.

In der Politik und Wirtschaft gibt es etliche Herausforderungen, die nicht ignorieret werden dürfen. Ohne massive militärische Unterstützung von den USA und Europa kann die Ukraine nicht überleben! Europa darf nicht auseinanderbrechen. Der Beitritt von Finnland in die Nato stärkt die Sicherheit Europas. In Deutschland muss die Ampelkoalition beweisen, dass sie in der Innen- und Außenpolitik eine gemeinsame Sprache spricht. Amerika muss bis zur Jahresmitte seine Verschuldungsgrenze erhöhen, um seine finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen.

Die Inflationsbekämpfung hat bei den Zentralbanken weiterhin Priorität. Hier sind Weitsicht und Disziplin gefragt. Die globale Inflationsrate ist von seinem Rekordniveau von rund 10 Prozent im vergangenen Sommer bereits deutlich gefallen, aber ist immer noch zu hoch. Dieser Prozess wird mindestens zwei Jahre in Anspruch nehmen, bevor die zwei Prozentmarke wieder ins Blickfeld kommt. Die US-Notenbank sollte die Leitzinsen bis zum Sommer noch zweimal leicht anziehen, dabei jedoch die fünf Prozentmarke nicht weit überschreiten. Die EZB wird der US-Notenbank im Windschatten folgen und im Herbst bei Tagesgeldern bei 4,5 Prozent liegen. Entscheidend ist jedoch, dass diese Zinserhöhungen die Inflationsrate weiter senken, ohne dabei eine tiefe Rezession zu kreieren! Gelingt dieser Spagat, so bleibt die Börsenampel auf grün!

Allen Skeptikern zum Trotz können sich die Unternehmensgewinne weiterhin verbessern. Das Vertrauen in der Wirtschaft ist im ersten Quartal spürbar gestiegen. China öffnet sich wieder – davon profitiert die Weltwirtschaft. Der Ölpreis kann wegen der angestrebten Produktionskürzungen temporär auf die 100-US-Dollar-Marke pro Barrel steigen, um dann wieder im späteren Jahresverlauf auf 80 US-Dollar zurückzufallen. Die Sommermonate können wie so oft volatil sein, um dann gegen Jahresende neue Rekordhöhen zu erklimmen!

All dies mag für Skeptiker sehr naiv klingen. Was sagt jedoch die Börsengeschichte? Bereits in meiner letzten Kolumne wies ich darauf hin, dass der Dow Jones in den 22 Jahren vor dem jeweiligen Präsidentschaftswahljahr seit 1935 immer gestiegen ist und zwar im Durchschnitt um 15 Prozent! Auch der positive Fünf-Tagesindikator im Januar und der Anstieg im Januar selbst deuten mit einer 90-prozentigen Wahrscheinlichkeit auf ein erfolgreiches Börsenjahr. Gab ich meiner optimistischen Jahresanfangsprognose vor gut drei Monaten eine Wahrscheinlich von knapp 70 Prozent, so erhöhe ich jetzt auf über 80 Prozent, ohne zu zittern!

Ein Beitrag von Heiko Thieme
Er ist über 45 Jahre im internationalen Anlagegeschäft tätig und schrieb 16 Jahre als freier Kolumnist für die FAZ. Seit dem Jahr 1979 gibt es seine Marktanalysen und Einschätzungen sowie die älteste deutsche Börsenhotline.
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