Aktien warten auf Impulse von EZB und Fed

Kurzfristige Rücksetzer könnten in den kommenden Wochen durch die noch offene Frage der Erhöhung des Staatsschuldenlimits in den USA und damit der nicht ganz auszuschließenden Möglichkeit eines Zahlungsausfalls der USA entstehen.

(Bildquelle: marktEINBLICKE)

Die US-Notenbank Fed hat wie erwartet die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte angehoben und doch viele Anlegerinnen und Anleger enttäuscht. Wer die konkrete Ankündigung einer Leitzinserhöhungspause erwartet hatte, muss sich mindestens bis zum nächsten Zinsentscheid Mitte Juni gedulden. Zwar hat die Fed keinen weiteren Zinsschritt angekündigt, allerdings wird sie die kommenden geldpolitischen Beschlüsse wie bisher datenabhängig vornehmen – also auf Basis einer Analyse der in den kommenden Wochen erscheinenden Informationen zur wirtschaftlichen Entwicklung und Inflationsdynamik. Damit sind sowohl eine weitere Zinsanhebung als auch ein Aussetzen bzw. eine Unterbrechung des Zinserhöhungszyklus denkbar.

Die Fed und der Inflationsdruck

Fed-Chef Jerome Powell (Bildquelle: Pressefoto Federal Reserve)

Fed-Chef Powell betonte den nach wie vor zu hohen Inflationsdruck und bekräftigte die Zielsetzung, die Teuerung auf das Niveau von 2 Prozent zurückzubringen. Zugleich verwies er auf den nach wie vor sehr gut ausgelasteten Arbeitsmarkt als Indikator für eine anhaltend robuste wirtschaftliche Entwicklung. Allerdings erwähnte Powell auch, dass die jüngsten Unsicherheiten im US-Bankensektor die Kreditvergabe der Banken einschränken und damit inflationsdämpfend wirken würden.

Zudem sei unsicher, mit welcher Zeitverzögerung die bereits vorgenommene geldpolitische Straffung die Wirtschaft künftig noch abkühlen werde. Die Festlegung auf einen bestimmten Zinspfad mit einigen Wochen Vorlauf ist vor dem Hintergrund dieser Komplexitäten derzeit aus Sicht der Fed nicht möglich. Zwar stellte Powell klar, dass das Bankensystem stabil sei, doch vollführt die Fed eine Gratwanderung, bei der sie mit der Inflationsbekämpfung und der Sicherung der Finanzstabilität zwei teilweise konträre Zielsetzungen gleichzeitig erreichen muss. Der nach wie vor vorhandene Stress im US-Bankensystem wird auch durch weiter sinkende Einlagen bei Kreditinstituten deutlich.

Die EZB und die Signale

Die EZB hat ihre Leitzinsen ebenfalls um 0,25 Prozentpunkte angehoben, hätte mit einem größeren Zinsschritt aber ein klareres Signal geben können, dass sie weiterhin mit aller Kraft die gesamtwirtschaftliche Nachfrage dämpfen möchte, um den noch immer deutlich zu hohen Inflationsdruck zeitnah abzumildern. Angesichts der zuletzt wieder gestiegenen Inflationsraten in Italien, Spanien und Frankreich sowie der gerade erst einmal marginal gesunkenen Kerninflation in der Eurozone hätte sie die Argumente dafür auf ihrer Seite. Offensichtlich haben aber die Tauben im EZB-Rat einen größeren Zinsschritt verhindert.

Damit bleibt eine weitere Zinsanhebung um mindestens 0,25 Prozentpunkte im Juni wahrscheinlich. Durch die Entscheidung, die Wiederanlage der im Rahmen des APP-Programms erworbenen Wertpapiere ab Juli komplett zu stoppen wird die noch immer reichlich vorhandene Überschussliquidität im Eurosystem etwas schneller als bisher (um durchschnittlich knapp 30 Mrd. Euro monatlich anstatt wie bisher 15 Mrd.) abgebaut. Zudem wird die in den letzten Jahren massiv ausgedehnte EZB-Bilanz über die Rückzahlungen der langfristigen Ausleihungen an Banken in der Eurozone (TLTRO) – die nicht verlängert werden – bis zum Sommer um mehr als 2 Billionen Euro reduziert.

In Europa bleibt eine weitere Zinsanhebung um mindestens 0,25 Prozentpunkte im Juni wahrscheinlich. (Bildquelle: unsplash / Chris Karnbach)

Die fragliche Kreditvergabe

Laut der aktuellem Bank Lending Survey der EZB haben die Banken ihre Kreditvergabebedingungen auch im ersten Quartal weiter verschärft. Hintergrund sind gestiegene Refinanzierungskosten, eine geringere Risikobereitschaft sowie eine schlechtere Bonitätsbewertung der Kreditnehmer. Allerdings war auch die Kreditnachfrage aus dem Unternehmenssektor deutlich rückläufig, vor allem wegen gestiegener Zinsen und abnehmenden Finanzierungsbedürfnissen für Anlageinvestitionen. Insgesamt ist damit die Entwicklung der Unternehmenskreditvolumina in der Eurozone seit Monaten rückläufig und dürfte die Konjunkturdynamik zusätzlich zur restriktiveren Geldpolitik belasten, allerdings auch den Inflationsdruck abmildern.

Deutschland und die Exporte

In Deutschland leidet vor allem die Industrie derzeit unter einer schwachen globalen Exportnachfrage. Entsprechend schwach fielen die gerade vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Daten zu Exporten (-5,2 Prozent im Vergleich zum Vormonat) und Importen (-6,4 Prozent) im März aus. Zudem fielen die Auftragseingänge für das Verarbeitende Gewerbe im März deutlich um 10,7 Prozent im Vergleich zum Vormonat.

In Deutschland leidet vor allem die Industrie derzeit unter einer schwachen globalen Exportnachfrage. (Bildquelle: unsplash / CHUTTERSNAP)

Eine Ursache für die derzeit schwächelnde globale Industriedynamik ist, dass das überraschend positive Wirtschafswachstum Chinas im ersten Quartal vor allem im Dienstleistungsbereich erzeugt wurde, während der Anteil der Industrieproduktion im Vergleich zu den Vorquartalen unterdurchschnittlich ausfiel.

Aktien warten auf Impulse

An den Aktienmärkten dürften in den kommenden Monaten positive Impulse von geldpolitischer Seite ausbleiben, denn es wird wohl weiterhin darüber spekuliert werden, wann eine Leitzinserhöhungspause – zunächst in den USA – beginnen könnte. Gleiches gilt für das Verhältnis von Euro und US-Dollar, das sich kaum nennenswert verändern dürfte, denn schon jetzt ist die allgemeine Erwartung, dass die EZB etwas länger als die USA die Leitzinsen erhöhen wird.

Kurzfristige Rücksetzer könnten in den kommenden Wochen durch die noch offene Frage der Erhöhung des Staatsschuldenlimits in den USA und damit der nicht ganz auszuschließenden Möglichkeit eines Zahlungsausfalls der USA entstehen. Sofern aber keine zusätzlichen geopolitischen Eskalationen oder drastische Verschärfungen der Bankenkrise in den USA hinzukommen, besteht derzeit kein allzu großes Abwärtsrisiko an den Aktienmärkten. Ein Indiz dafür ist, dass aktuell überwiegend diverse Belastungsfaktoren diskutiert werden, womit Chancen auf eine besser als erwartete Entwicklung unterrepräsentiert sein dürften.

Ein Kommentar von Carsten Mumm

Er ist Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel. Das Traditionshaus mit Sitz in Hamburg und München setzt auf qualifizierte und umfassende Beratung für vermögende Privatkunden, Unternehmer, Immobilienkunden und institutionelle Kunden.

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