Wenn uns Andy seine Werke näherbringt!

Neue Medien in der Kunst

Das Théatre des Lumières zeigt Immersive Art mit Frida Kahlo. (Bildquelle: Culturespaces)

Vormals war eine der technischen Innovationen in der Kunstwelt die Fotografie, die erst relativ spät als Kunst anerkannt wurde, etwa in der Mitte des letzten Jahrhunderts. Später wurde die Videokunst entdeckt, die es allerdings nie zu einer breiten Bewegung  geschafft hat. Und auch die Digitalkunst blieb eher eine belächelte Randerscheinung, bis das Thema NFT jüngst die Diskussionen bestimmte.

Auf NFTs folgen multimediale Erlebniswelten

Einige Enthusiasten und Zweckoptimisten waren sogar der Meinung, dass NFTs den Kunstmarkt revolutionieren würden. Dieser Euphorie folgte der Knall – der dramatische Absturz einer herbeigeredeten, neuen Kunstform? Nun wird die nächste Idee durchs Dorf getrieben, die sogenannte Immersive Art, die Kunstwerke mit großformatigen Videoprojektionen animiert, unterstützt durch Licht- und Soundeffekte. Die Showrooms – oder besser, Erlebniswelten – wurden bereits im April 2018 erstmalig in Paris installiert, ehe im Zuge der Pandemie ihre Verbreitung vorübergehend eingedämmt wurde. Was hat dieses Showerlebnis mit Kunst zu tun? Diese Frage stellen sich passionierte Museumsgänger und Vernissage-Besucher.

Was bedeutet eigentlich Kunst?

Was im ersten Abschnitt beschrieben ist, ist der Gedankengang des Zweifels, dem man in der Kunstwelt häufig begegnet. Fotografie hat sich am Kunstmarkt durchgesetzt, Videos und digitale Kunst lieferten die Grundlage für NFTs. Dass sich diese wegen heftiger Übertreibung weiter im Rückwärtsgang befinden, gehört zur Wahrheit dazu. Aus Sicht des gelassenen, aber wissbegierigen Betrachters war die Diskussion der letzten drei Jahre höchst bizarr.

Aufgrund des Hypes und der drastisch gestiegenen Preise von NFTs war es verständlich, dass der Blick auf digitale Kunst bei einer großen Mehrheit eher Kopfschütteln, als Verständnis oder gar Begeisterung hervorrief. Die Frage, was Kunst eigentlich ist, wurde rege diskutiert und die Mehrheit derer, die der Auffassung war, dass digitale Kunst nie „echte“ Kunst sein könne, überwog die Debatte.

Das Dalí-Kunstspektakel spricht alle Sinne an. (Bildquelle: Culturespaces / Vincent Pinson)

Die Weiterentwicklung der Kunst führt zu Diskussionen

Diese Debatte hat wichtige Gedanken häufig unterschlagen. Es geht nicht darum, ob digitale Kunst sinnvoll ist oder nicht, was sie kann und was sie nicht kann. Die Frage ist vielmehr, was sie mit Menschen macht und was sie aus Menschen macht? Was kann sie entwickeln und was weiterentwickeln? Allzu oft verlor sich die Diskussion über Sinn und Unsinn der Bored Apes, der gelangweilten Affen, der CryptoPunks, der Miezekatzen und andere animierter GIFs – deren künstlerischer Wert freilich infrage zu stellen bzw. gar abzusprechen ist. Wer aber technologische Chancen in Abrede stellt, wer mögliche Weiterentwicklungen negiert, wer zuwider redet, dass sich Kunst weiterentwickeln und auch in anderen Räumen als den herkömmlich bekannten dargestellt und gezeigt werden kann, der sollte sich fragen, ob er mit der Zeit geht oder ob er mit der Zeit geht.

Bei der Immersive Art ist die Kunst eine Inszenierung

Nun ist die Immersive Art in aller Munde. Und das ist gut so. Es handelt sich dabei nicht um ein konkretes Kunstwerk, sondern um eine Inszenierung. Oder anders: die Kunst ist hier die Inszenierung. Kunst ist immer auch Spektakel und Unterhaltung – das war in der Vergangenheit so und wird auch in der Zukunft so sein. Jede Kunstmesse lebt von der Begehrlichkeit, Neues zu entdecken. Wenn sich durch diese digitale Form der künstlerischen Darstellung, der Neuinterpretation und Bündelung des Erbes von den großartigsten Künstlern dieser Welt, Menschen angesprochen fühlen, sich mehr Menschen mit diesen Themen beschäftigen, dann ist dieser digitale Beitrag ein extrem wichtiger in einer Welt, von der viele den Eindruck haben, dass sie im Moment aus den Fugen gerät.

Kunst hat identitätsstiftende Wirkung, sie verbindet Nationen und Kulturen. Ob das im Kunstmuseum, mit Werken an der Wand, im digitalen Raum oder im Rahmen eines Erlebnisses, einer Show, stattfindet, spielt dabei keine Rolle. Jede Form der Darstellung kann hilfreich sein, das künstlerische Erbe zu bewahren und Wirkung auf Menschen zu entfalten.

Fabrique des Lumières in Amsterdam mit Kunstwerken von Hundertwasser. (Bildquelle: Culturespaces / Eric Spiller)

Die Künstliche Intelligenz bringt neue Kunstformen hervor

Die Aufnahmekapazität, die Besichtigungsmöglichkeit von Museen ist regional und personell begrenzt. Die Immersive Art bleibt das in Schau- und Erlebnisräumen im Moment auch noch, wohingegen, die digitale Welt nahezu unbegrenzt ist und auch für die Immersive Art Raum bieten wird. Wenn Urteilende bereits heute den Kopf über NFTs und Immersive Art schütteln, dann darf man sich gespannt auf die Diskussionen freuen, die noch bevorstehen.

Es wird der Tag kommen, an dem uns Andy Warhol durch seine eigene Ausstellung führen und begleiten wird. Mit der Auferstehung von Andy in physischer Formt ist kaum zu rechnen. In der digitalen Welt ist seine Rückkehr selbstverständlich möglich, bereits heute schon. Die Künstliche Intelligenz – kurz KI – macht es möglich. Er wird uns als Avatar begegnen, visualisiert und konkretisiert durch das Tragen einer VR-Brille, die heute zumeist der Wissenschaft oder der Gaming-Szene zugeordnet wird.

Diese Begegnungen schaffen auch künftig völlig neue Möglichkeiten, Kunst zu erleben – international vernetzt, von jedem Ort der Welt aus erreichbar. Was vor einigen Jahren noch nach Science-Fiction geklungen hätte, ist längst technische Realität. Angekommen ist es im Kunstmarkt allerdings noch nicht, weil die überwiegende Meinung von Kunsthändlern und Kunstsammlern auf der Welt das Erleben von Kunst auf Messen, Ausstellungen und Vernissagen definiert. Diese Begrenzung auf traditionelle Genusswege reicht heute aber längst nicht mehr aus, um den veränderten Bedürfnissen der Menschen an den technischen Fortschritt gerecht zu werden. Insofern leben wir, was diese Themen angeht, in höchst spannenden Zeiten des Umbruchs.

Wohin führt uns die Kunst in der Zukunft

Nicht wenige Betrachter aus der Kunstwelt beklagen die Banalität, den Show-Effect, der nichts mit Kunst gemein hat. Wenngleich der kulturhistorische Aspekt der Immersive Art sicherlich noch überschaubar ist, kann diese Art der Präsentation von Kunst den Zugang in dieselbe erleichtern. Es ist die häufig zu intellektuelle Sicht und Herangehensweise, die dafür Sorge trägt, dass das an sich schöne Thema Kunst für viele Menschen im Verborgenen bleibt.

Es geht bei Kunst nicht immer um die Tiefe der Interpretation, die Auseinandersetzung darüber, was uns die Künstlerin oder der Künstler sagen oder hinterlassen wollen. Kunst darf auch einfach nur gefallen. So simpel kann es sein. Die Immersive Art trägt dazu bei, den Zugang in die Kunst zu erleichtern und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Bewahrung des kulturellen Erbes dieser Welt – auch ohne den Blick durch die intellektuelle Brille.

Ein Beitrag von Arne von Neubeck

Er ist Gründer & Geschäftsführender Gesellschafter von The Global Fine Art. Das Augsburger Kunsthandelshaus verbindet die Leidenschaft für die Kunst mit der kaufmännischen Analyse von Kunstwerken.
www.tgfag.de

 

 

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