Die Notenbanken sind am Zug

Die erste Mai-Woche stand im Zeichen der Entscheidungen von EZB und Fed. Doch Klarheit herrscht seither nur bedingt.

(Bildquelle: marktEINBLICKE)

Haben wir das Ende der Zinserhöhungen erreicht? An sich hatten viele Anleger mit entsprechenden Aussagen gerechnet. Doch das Gegenteil ist der Fall. Während die Fed künftig sich noch mehr auf die Datenlage fokussieren und von Fed-Sitzung zu Fed-Sitzung entscheiden will, hat EZB-Chefin Christine Lagarde klar gemacht, dass die Inflation nach wie vor zu hoch ist und ihr entsprechend begegnet werden müsse.

Zuvor hatten sowohl Fed als auch EZB ihre Leitzinsen um 25 Basispunkte erhöht und damit aber zumindest das Tempo der Zinserhöhungen gedrosselt. In den USA wurden nun zehnmal in Folge die Leitzinsen erhöht und notieren nun auf dem höchsten Stand seit 2006. Fed-Chef Jerome Powell betonte den nach wie vor zu hohen Inflationsdruck und bekräftigte die Zielsetzung, die Teuerung auf das Niveau von 2 Prozent zurückzubringen.

Stabiler US-Arbeitsmarkt vs. Regionalbanken

Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel, hob in seiner Analyse hervor, dass Powell aber eben auch auf die anhaltend robuste wirtschaftliche Entwicklung und den dadurch nach wie vor sehr gut ausgelasteten Arbeitsmarkt hinwies. Und tatsächlich können sich die offiziellen Arbeitsmarktdaten für April sehen lassen. Die Zahl der neugeschaffenen Stellen lag mit +253.000 über der Prognose von +185.000 und höher als die +236.000 vom März. Alle anderen Faktoren fielen wie erwartet aus.

Der US-Arbeitsmarkt läuft deutlich besser als gedacht. (Bildquelle: unsplash / Lerone Pieters)

Dennoch gibt es auch ein aber. Der Kurssturz der Regionalbanken am Donnerstag führte die tags zuvor getroffenen Aussagen von Powell zu Stabilität des Bankensystems ad absurdum. Zwar erholten sich viele Regionalbanken am Freitag wieder deutlich, aber Aussagen von JPMorgan, wonach der Sturz einzig und allein aufgrund von Shortsellern erfolgt sein soll, überzeugt nur wenig. Die vorherigen Probleme bei der Silicon Valley Bank, bei der Signature Bank und schließlich bei der First Republic Bank kamen auch eher aus dem Nichts und hallen nach. Entsprechende Unsicherheiten im US-Bankensektor schränken wiederum die Kreditvergabe der Banken ein und wirken inflationsdämpfend.

In Europa ist die Lage nicht anders. Laut der aktuellem Bank Lending Survey der EZB haben die Banken ihre Kreditvergabebedingungen auch im ersten Quartal weiter verschärft. Hintergrund sind gestiegene Refinanzierungskosten, eine geringere Risikobereitschaft sowie eine schlechtere Bonitätsbewertung der Kreditnehmer. Inflationsbremsend sollte das aber auf jeden Fall wirken.

EZB schaltet zurück, aber…

Die EZB hat wie erwartet die Leitzinsen noch einmal erhöht und machte deutlich, dass dies noch nicht das Ende der Fahnenstange sei. Zugleich wird ab Juli die Wiederanlage fälliger Staatsanleihen aus dem Anleihekaufprogram „APP“ eingestellt, was die monatliche Anleihenachfrage um durchschnittlich rund 25 Mrd. Euro verringert. Dies unterstreicht die Entschlossenheit der EZB. Katharine Neiss, Chief European Economist bei PGIM Fixed Income, geht davon aus, „dass die Auswirkungen der Bilanzverkürzung im Vergleich zu den Zinserhöhungen zwar marginal sein werden, aber dennoch einen Beitrag zur Verschärfung der Finanzierungskonditionen leisten und damit dabei helfen, die Wirtschaft abzukühlen und die Inflation näher zum Ziel zu bringen.“

Die EZB unter Christine Lagarde hat wie erwartet die Leitzinsen noch einmal erhöht. (Bildquelle: Pressefoto Europäische Zentralbank)

Angesichts des verbesserten Konjunkturausblicks und der anhaltenden Unsicherheit über das Tempo des Inflationsrückgangs revidiert bspw. Deka seine Einschätzung und erwartet nun einen weiteren Zinsschritt der EZB um 25 Basispunkte. Auch Ombretta Signori, Head of Macroeconomic Research and Strategy bei Ofi Invest Asset Management, erwartet, dass weitere Zinsstraffungen im Juni und eventuell auch im Juli um jeweils 25 Basispunkte möglich sind. “Die Kerninflation erweist sich nämlich als hartnäckiger als erwartet und die Lohnsteigerungen haben das Niveau der Inflation selbst noch nicht überschritten.”

Abseits vom Nachholbedarf der europäischen gegenüber der US-Geldpolitik scheinen die Anleger in beiden Fällen etwas weiter zu denken bzw. mehr zu erwarten, wie Helaba erläutert. Denn: In den Zinsrückgängen der Anleihen spiegelt sich weniger die Erwartung einer längeren Zinspause, sondern vielmehr die Hoffnung auf baldige Zinssenkungen. „Im Falle der Fed mit ihrem deutlichen Zinsvorsprung gegenüber Europa sollen diese bereits zur Jahresmitte starten. Doch dies erscheint uns angesichts des festen US-Arbeitsmarktes und der damit verbundenen Inflationsrisiken als äußerst ambitioniert“, so Helaba.

Die Geldpolitik auf beiden Seiten des Atlantiks wird sich erst einmal weiter im Spannungsfeld zwischen Konjunktursorgen und Inflationsrisiken bewegen. Das lässt laut Helaba für Aktien und Renten zunächst eine Seitwärtsbewegung erwarten.

Das bringt die neue Börsenwoche (KW19-2023)

Die neue Woche bringt gleich am Montag wichtige Konjunkturdaten aus Deutschland. Es geht um die Industrieproduktion im April. Erwartet wird ein Rückgang um 1 Prozent, gegenüber +2,0 Prozent im März. Deka verweist in diesem Zusammenhang auf die Zahl extrem volatiler und revisionsanfälliger Konjunkturindikatoren, die die Konjunkturanalyse erschweren. Der Kollaps der Industriaufträge im März war ein laut Deka ein Paukenschlag. „Doch auch der zeitgleich publizierte deutliche Rückgang des realen Industrieumsatzes unterstreicht den zu erwartenden starken Rückgang der Produktion im produzierenden Gewerbe in Deutschland.“

Gute Nachrichten gab es zuletzt aus der Automobilindustrie. (Bildquelle: Pressefoto Volkswagen)

Die gute Nachricht laut Deka ist, dass schon der April wieder einen deutlichen Rückprall nach oben bringen sollte. „Hochfrequente Konjunkturindikatoren zogen kräftig an, und die vom Automobilverband VDA gemeldeten produzierten Stückzahlen stiegen im April ebenfalls. Was aber bleiben wird, ist ein statistischer Unterhang für das zweite Quartal.“

Zur Wochenmitte folgen dann die US-Verbraucherpreise. Nach den Arbeitsmarktdaten sind sie ein Beleg, wie es um die US-Wirtschaft und damit auch bei der Zinspolitik weitergeht. Die Verbraucherpreise dürften im April erneut relativ kräftig um 5 Prozent angestiegen sein. Neben den Energiepreisen dürften die beiden Transportbereiche Güter und Dienstleistungen für einen erneuten Preisschub sorgen. Insbesondere die Gebrauchtwagenpreise spielen hierbei eine Rolle, wie Deka hervorhebt.

„Zuwächse im Großhandel, die bereits im Januar und Februar gemeldet wurden, schlagen sich nun zeitverzögert beim Endkunden nieder. Daten auf Tagesbasis bestätigen diese verzögerte Reaktion. Spannend sind allerdings auch die weiteren Preiskategorien wie beispielsweise Lebensmittel und Mieten. Denn hier wurden im Vormonat überraschend geringere Anstiege bzw. sogar Preisrückgänge gemeldet. Im Folgemonat wird dann der Wegfall eines Basiseffekts für einen deutlichen Inflationsrückgang sorgen“, heißt es seitens Deka weiter.

Nach Fed und EZB wird auch die Bank of England die Zinsen erneut erhöhen. (Bildquelle: Pressefoto Bank of England)

Am Donnerstag rückt eine weitere Notenbank in den Fokus. Die Bank of England wird ihren Leitzins wohl zunächst um 25 Basispunkte anheben und könnte danach sogar noch nachlegen. Schließlich stagniert die Wirtschaft, anstatt einzubrechen. Helaba weißt aber auch mit Blick auf das Ende der Zinserhöhungen der anderen großen Notenbanken darauf hin, dass dies auch spätestens Mitte des Jahres die Bank of England tun wird und erst einmal abwarten dürfte. „Nach einem Zinserhöhungszyklus ist automatisch vor einem Zinssenkungszyklus. Dies wird vermutlich 2023 noch nicht der Fall sein, jedoch schon im ersten Halbjahr 2024 könnte die britische Notenbank die Kehrtwende einlegen.“

Das marktEINBLICKE-Fazit

Die kommenden Monate dürften für Anleger nicht so einfach werden, wie das bisherige Jahr. Der DAX bewegt sich zwar in der Nähe seines Jahreshochs und damit 14 Prozent über dem Niveau zu Anfang des Jahres. In den USA ist die Lage eine andere. Der Dow Jones hat unter dem Strich nichts gewonnen. Der S&P 500 immerhin 7 Prozent. Warten wir also ab, ob sich die US-Märkte eher noch nach oben bewegen oder die deutschen nach unten. Klar ist, auf lange Sicht kann einem das mit Baustein-Aktien im Depot egal sein, denn abgerechnet wird nicht nach Wochen, sondern nach Jahren.

In diesem Sinne, bleiben Sie weiter engagiert (an der Börse),

Ihre marktEINBLICKE-Gründer
Christoph A. Scherbaum & Marc O. Schmidt