Wie lange hält die Marktberuhigung an?

Erneut stehen Anleger vor der Frage, ob die derzeitige positive Entwicklung an den Aktienmärkten nachhaltig sein.

(Bildquelle: Pressefoto Deutsche Börse AG)

Am Ende ist das ganze Schauspiel dann doch relativ unspektakulär beendet worden. Die Rede ist von dem in unregelmäßigen Abständen ausgetragenen Streit um die Anhebung der US-Schuldenobergrenze. Demokraten und Republikaner versuchen jedes Mal, ihren Wählern zu zeigen, wie hart sie doch darum kämpfen, dass ihr hart verdientes und in Form von Steuern an den Staat abgeführtes Geld eigesetzt wird.

Nach dem Repräsentantenhaus hatte auch der Senat dem Dela zwischen dem Republikanischen Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus und Joe Biden ausgehandelten Deal zugestimmt. Dabei wird unter anderem die Schuldenobergrenze bis 2025 ausgesetzt, während es einige Einschnitte bei den Ausgaben geben soll. Garantiert ist auch dieses Mal, dass es einen nächsten Streit um die Schuldenobergrenze geben wird und vonseiten der Politiker in Washington ein weiteres Mal die Finanzmärkte verunsichert werden. Zum Glück wird bis dahin aber etwas Zeit vergehen. Es wird trotzdem nicht harmonisch zugehen.

Stress im System

Scott Solomon, Co-Portfoliomanager der Dynamic Global Bond Strategy bei T. Rowe Price, vergleicht die Situation rund um die US-Staatsausgaben mit einer gängigen Praxis bei US-Konsumenten. Wenn eine Kreditkarte ausgeschöpft sei, gäbe es die Nächste. Die USA hätten ihre „Kreditkarte“ ausgeschöpft. Nun gäbe es bald eine neue. „Das eigentliche Problem ist, dass auch ihr Bankkonto leer ist“, meint Solomon. Schließlich liegt die Schuldenlast der USA bei rund 31,4 Billionen US-Dollar.

Laut Solomon wird das US-Finanzministerium versuchen, das Finanzkonto aufzufüllen. Dies soll seiner Ansicht nach durch eine Aufstockung des Saldos auf 550 Mrd. US-Dollar bis Ende Juni erreicht werden. Dies würde zu Marktrisiken und Stresspotenzial im System führen.

Die USA und ihre „Kreditkarte“. (Bildquelle: marktEINBLICKE.de)

„In der Vergangenheit wurden für jeden Dollar, der zur Auffüllung des allgemeinen Kontos des Finanzministeriums verwendet wurde, 80 Cent aus den Reserven der US-Banken entnommen. Die Turbulenzen im Bankensektor im März haben jedoch gezeigt, dass die Bankreserven sehr knapp sind. Wenn die Bankreserven am Ende zur Finanzierung der Staatsanleihen verwendet werden, könnte dies zu einer weiteren Belastung des Systems führen“, heißt es weiter.

Solomon sieht zwei Szenarien. Bei niedrigerer Inflation könnte die Fed die Leitzinsen senken. An einem solchen Punkt sind wir jedoch bekanntlich nicht. Sollte das Bankensystem jedoch weiter unter Druck geraten, erwartet man bei T. Rowe Price, dass der Anleihemarkt die Fed zum Handeln und zu einer Zinssenkung drängen wird. In einem anderen Szenario könnten die historischen Muster nicht zutreffen und das allgemeine Konto des Schatzamtes durch Geldmarktfonds finanziert werden. In diesem Szenario dürften sich Risikoanlagen sowie Aktien und Anleihen von US-Banken laut Solomon gut entwickeln.

Arbeitsmarktbericht kommt (zunächst) gut an

Nach der Einigung im Schuldenstreit hatten Marktteilnehmer zum Ende dieser Woche mehr Zeit für andere Dinge. Dazu gehörte vor allem der Blick auf die Mai-Arbeitsmarktdaten in den USA. Ähnlich wie in den Monaten zuvor, fielen diese erneut überraschend stark aus. Der US-Arbeitsmarkt läuft also weiter heiß.

Es wurden 339.000 neue Stellen geschaffen, sodass die durchschnittlichen Analystenschätzungen von 195.000 neuen Jobs deutlich geschlagen wurden. Es war der 14. Monat in Folge, in dem die Konsensschätzungen übertroffen wurden. Zudem wurden die Vormonatswerte nach oben korrigiert. Wer jetzt aber mit Sorgen auf die nächste Fed-Sitzung schaut und eine weitere Leitzinserhöhung befürchtet, kann mit etwas Erleichterung auf einige andere Daten schauen.

Die Arbeitslosenquote stieg von 3,4 Prozent im April auf 3,7 Prozent an und blieb über den Erwartungen von 3,5 Prozent. Außerdem schwächte sich das Lohnwachstum ab, was die Inflationssorgen etwas gelindert haben dürfte. Die US-Aktienmärkte reagierten zunächst positiv. Schließlich signalisiert der Arbeitsmarktbericht eine positive Konjunkturentwicklung bei einem abnehmenden Inflationsdruck. Daher schrumpfte die Wahrscheinlichkeit für eine Leitzinserhöhung der Fed im Juni laut CME FedWatch Tool zuletzt sogar auf nur noch 25 Prozent.

Das bringt die neue Börsenwoche (KW23-2023)

Selbst ohne Schuldenstreit, Arbeitsmarktdaten oder nennenswerte Quartalsberichte wird die kommende Woche alles andere als langweilig. Schon am Wochenende geht es mit einem weiteren Treffen der OPEC+ weiter. Das vergangene Treffen hatte überraschend deutliche Produktionskürzungen bei Rohöl gebracht. Allerdings hielten die damit erreichten Preiserhöhungen nicht lange an.

Der Schuldenstreit ist beigelegt und der Mai-US-Arbeitsmarktbericht weitgehend erfreulich ausgefallen. Von Langeweile kann aber keine Rede sein. (Bildquelle: Pressefoto Deutsche Börse AG)

Laut Dr. Ulrich Stephan, Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden bei der Deutschen Bank, sei die Kommunikation der OPEC+ zuletzt widersprüchlich gewesen: Der saudi-arabische Ölminister habe die Marktakteure zwar davor gewarnt, mittels Leerverkaufspositionen auf weiter fallende Ölpreise zu spekulieren, sein Kollege aus Russland hätte jedoch die Erwartung geäußert, dass die OPEC+ keine weiter gehenden Produktionskürzungen beschließen werde.

Zum Ende der kommenden Woche dürften Anleger wiederum auf Konjunkturdaten aus China schauen. Am Freitag steht die Bekanntgabe der Erzeuger- und Verbraucherpreise an. Diese werden vor allem deshalb interessant, weil die offiziellen Einkaufsmanagerindizes des Statistikbüros und der Zeitschrift Caixin unterschiedliche Signale zur Gesundheit der chinesischen Industrieproduktion ausgesandt haben.

Das marktEINBLICKE-Fazit

Das Ende des US-Schuldenstreits hat die erhoffte Marktberuhigung gebracht. Die jüngsten US-Arbeitsmarktdaten bieten wiederum jedem etwas. Der hohe Beschäftigungsaufbau signalisiert, dass sich die US-Wirtschaft in einer guten Verfassung befindet, gleichzeitig werden Viele froh sein, dass weniger stark steigende Löhne auch weniger Inflationsdruck signalisieren und den Fed nicht mehr zum Anheben der Leitzinsen gezwungen ist.

Langfristig orientierte Anleger werden sich durch die jüngsten Turbulenzen rund um den Schuldenstreit oder den Hype rund um KI, NVIDIA (WKN: 918422 / ISIN: US67066G1040) und andere Tech-Titel nicht haben verrück machen lassen. Zumal selbst schwache Börsenphasen eine gute Möglichkeit bieten, bei soliden Titeln günstig nachzukaufen.

 

In diesem Sinne, bleiben Sie weiter engagiert (an der Börse),

Ihre marktEINBLICKE-Gründer
Christoph A. Scherbaum & Marc O. Schmidt