US-Konjunktur: Soft, Hard oder No Landing?

An den Börsen geht man derzeit davon aus, dass die Leitzinsspitze in den USA erreicht ist.

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Volkswirte verstehen unter „No Landing“ eine Phase, in der die Zinsen durch die Notenbanken angehoben werden, um die Inflation zu bekämpfen, es aber zu keiner nennenswerten Abkühlung der Wirtschaft kommt.

Da die gesamtwirtschaftliche Nachfrage in diesem Fall kaum abnimmt, bleibt auch der Inflationsdruck hoch. Die Notenbanken müssten die Zinsen noch weiter anheben, bis am Ende eine Rezession eintritt. In der US-Historie werden daher bisher nur Soft oder Hard Landings dokumentiert, also deutliche Wachstumsabkühlungen oder tiefe Rezessionen im Anschluss an einen Zinserhöhungszyklus der Fed.

An den Börsen geht man derzeit davon aus, dass die Leitzinsspitze in den USA erreicht ist. Zwar ist mit einer Wahrscheinlichkeit von rund 40 Prozent eine weitere Zinsanhebung im Dezember oder Januar denkbar, das Hauptszenario ist allerdings eine längere Phase anhaltend hoher Zinsen auf dem aktuellen Niveau. Denn die tatsächliche Wirkung der bisherigen Zinsanhebungen ist heute noch schwer abschätzbar. Hintergrund sind strukturelle Veränderungen von Wirkungsketten aufgrund der Vielzahl von fundamentalen Veränderungen der letzten Jahre.

Das offensichtlichste Beispiel ist der Arbeitsmarkt nach der Coronakrise. Trotz eindeutiger Anzeichen für eine wirtschaftliche Abkühlung, wie nachgebender Aktienkurse und Immobilienpreise, sinkender Stimmungsindizes der Unternehmen und der weltweiten Industrierezession, verharrt die US-Volkswirtschaft auf einem Vollbeschäftigungsniveau. Eine steigende Arbeitslosigkeit wäre zu erwarten gewesen.

Daher muss die Fed „auf Sicht fahren“, also datenabhängig von Sitzung zu Sitzung ihre geldpolitische Ausrichtung adjustieren, wodurch für Marktteilnehmer eine erhöhte Unsicherheit entsteht. Allerdings gehen wir davon aus, dass es in den kommenden Monaten zu einer spürbaren Abkühlung der US-Konjunktur kommt. Eine milde Rezession bleibt unser Hauptszenario, denn vor allem die stark gestiegenen Zinsen bei längeren Laufzeiten werden die Wirtschaft zunehmend ausbremsen.

Der ISM-Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe in den USA ist zwar zuletzt leicht angestiegen, befindet sich aber weiterhin im kontraktiven Bereich. Schwache Auftragseingänge, sinkende Lagerbestände und eine deutlich nachgebende Preiskomponente untermauern dennoch das Bild einer sich abkühlenden US-Konjunktur. Zur Beschäftigungslage bietet sich ein gemischtes Bild.

Einige Unternehmen berichten von Einstellungsstopps während andere weiterhin Probleme haben, genug Personal zu finden. Vor diesem Hintergrund dürfte der in dieser Woche anstehende August-Arbeitsmarktbericht erneut nur eine leicht schwächere Beschäftigungslage anzeigen. An den Börsen dürfte „No Landing“ daher kurzfristig noch weiter diskutiert werden und Aktien, Edelmetalle und den Euro im Vergleich zum US-Dollar weiter konsolidieren lassen. Schwächere US-Konjunkturdaten im Verlauf des Herbstes sollten dann jedoch eine Umkehr gegen Ende des Jahres einläuten.

Ein Kommentar von Carsten Mumm

Er ist Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel. Das Traditionshaus mit Sitz in Hamburg und München setzt auf qualifizierte und umfassende Beratung für vermögende Privatkunden, Unternehmer, Immobilienkunden und institutionelle Kunden.

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