Gerresheimer: Diese Kombination gefällt Aktionären wohl kaum!

(Bildquelle: Pressefoto Gerresheimer AG)

Wieder so eine „hätte ich doch“-Aktie. So stand die Notierung 2009 zwischenzeitlich im Bereich 15 Euro. Da lässt sich noch ein etwas günstigerer Einstandskurs ausreizen? „Hätte ich“ stattdessen damals gekauft – denn Jahr für Jahr legte der Kurs danach zu. In diesem Jahr war mit rund 78 Euro ein neues Topp erreicht.

Von besagten 15 Euro aus war das ein Zuwachs von rund 420%. Das kann sich für eine Aktie für den Zeitraum 2009-2017 bestimmt sehen lassen! Soviel zum Thema „Old Economy“-Aktien seien eher langweilig. Zudem gilt es zu beachten, dass die Gerresheimer AG (WKN: A0LD6E / ISIN: DE000A0LD6E6) sechs Mal in Folge die Dividende erhöht hatte – die Dividendenzahlungen gab es also auch noch oben drauf zu den Kursgewinnen. Doch die Gewinn-Serie setzte sich 2017 nicht fort. Die Aktie beendete das Jahr 2017 in etwa dort, wo sie es begonnen hatte. Das nehme ich zum Anlass, die Aktie in diesem Beitrag etwas näher unter die Lupe zu nehmen. Konkret:

Die Performance im Überblick

Zunächst der Blick auf den Chart der Aktie der Gerresheimer AG. Ich habe diesen Beitrag kurz vor Silvester 2017/2018 geschrieben, und da lag die 3-Jahres-Performance der Gerresheimer-Aktie im Bereich +50%, auf 10-Jahres-Sicht waren es rund 85% und von besagten 15 Euro 2009 bis zum Jahreshoch 2017 waren es ca. +420% Zuwachs. Hier der Chart:

Gerresheimer-Chart: boerse-frankfurt.de; Nach dem langjährigen schönen Aufwärtstrend bei der Gerresheimer-Aktie ist nun die Frage, ob dieser Trend Geschichte ist. In 2017 hatten die Geschäftszahlen eher etwas enttäuscht, was möglicherweise einige Anleger(innen) zu Gewinnmitnahmen veranlasst hat.

Zuletzt etwas enttäuschende Geschäftszahlen

Um beurteilen zu können, ob die Underperformance der Gerresheimer Aktie in 2017 (der Titel ist im MDAX enthalten) Anlass zur Zurückhaltung gibt oder vielmehr im Gegenteil Nachholpotenzial für die Aktie in 2018 eröffnet, hier der Blick auf die jüngsten Geschäftszahlen. Hierzu die Vorbemerkung, dass das Geschäftsjahr bei der Gerresheimer AG vom Kalenderjahr abweicht.

Entsprechend sind die jüngsten Zahlen die zum „dritten Quartal des Geschäftsjahres 2017), denn das bezieht sich auf den Zeitraum 1. Juni 2017 bis 31. August 2017. Die Zahlen zum „vierten Quartal des Geschäftsjahres“ bzw. damit zum gesamten Geschäftsjahr 2017 stehen bei der Gerresheimer AG laut Finanzkalender am 22. Februar 2018 zur Veröffentlichung an. Bis dahin dauert es noch eine Weile, deshalb hier der Blick auf die jüngsten Zahlen = Zahlen für den Zeitraum 1. Juni 2017 bis 31. August 2017. Wie fielen diese aus? Hier der Blick auf die Eckdaten:

Eckdaten Geschäftszahlen Gerresheimer AG

  • Im besagten Zeitraum lag der Umsatz bei der Gerresheimer AG bei 331,5 Mio. Euro. Zum Vergleich: Im Vorjahresquartal waren es 350,4 Mio. Euro. Das entsprach einem Rückgang von 5,4%. Und auch wenn die Währungseffekte sowie die Auswirkungen von Übernahmen bzw. Verkäufen von Beteiligungen herausgerechnet werden, errechnet sich ein Minus beim Umsatz von 4,3%. Das ist natürlich alles andere als erfreulich und dürfte ein erster Grund dafür sein, dass die Aufwärtsbewegung der Aktie im Jahresverlauf 2017 aufgehört hat.
  • Und wie sieht es beim operativen Ergebnis aus? Hier der Blick auf das adjusted Ebitda (Ebitda = Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen). Das lag demnach im genannten Zeitraum bei 77,6 Mio. Euro. Im Vorjahresquartal waren es 81,2 Mio. Euro – also ein Minus von rund 4,6%. Währungsbereinigt sah es mit +79,0 Mio. Euro etwas besser aus, aber auch das entspricht einem Minus.
  • Wenn nur das fortzuführende Geschäft betrachtet wird (und das ist es, was zählt), dann nennt Gerresheimer für das dritte Quartal des laufenden Geschäftsjahres ein bereinigtes Konzernergebnis von 32,1 Mio. Euro. Zum Vergleich: Im Vorjahresquartal lag dieser Wert noch bei 37,0 Mio. Euro.
  • Angesichts dieser Zahlen verwundert es nicht, dass das Ergebnis pro Aktie (bereinigt; bezogen auf das fortzuführende Geschäft „nach nicht beherrschenden Anteilen“) ebenfalls sank. Hier fiel der Rückgang sogar überdurchschnittlich aus, denn es ging von 1,17 Euro im entsprechenden Vorjahreszeitraum auf 1,00 Euro im dritten Quartal des laufenden Geschäftsjahres nach unten.

Quelle: Gerresheimer im dritten Quartal: Leichte Verbesserung der Adjusted EBITDA-Marge, online abrufbar unter diesem Link

Erläuterungen zum Umsatzrückgang

Was meint Gerresheimer selbst zum besagten Umsatzrückgang? Es habe einen Rückgang der Nachfrage im Inhalatorgeschäft gegeben, so Gerresheimer. Das könne möglicherweise im vierten Quartal teilweise durch ein neues Inhalatorprojekt in den USA aufgefangen werden. Abwarten. Desweiteren zitiere ich aus der entsprechenden Mitteilung: „Temporäre Schwankungen im Jahresverlauf sind üblich und im Wesentlichen durch die Abrechnung von größeren Kundenprojekten bedingt. Hier erwartet das Unternehmen im vierten Quartal 2017 eine deutliche Steigerung.“

Diese Kombination gefällt Aktionären wohl kaum!

Na, ganz so deutlich wird diese Steigerung vielleicht doch nicht ausfallen – denn Gerresheimer relativiert die eigene Aussage wenig später. Stichwort Ausblick auf die Gesamtumsätze im laufenden Geschäftsjahr. Ich zitiere: „Dennoch ist der Ausblick beim währungsbereinigten Konzernumsatz von rund EUR 1,4 Mrd. im Geschäftsjahr 2017 aus derzeitiger Sicht eher schwer zu realisieren.“ Damit haben wir es also mit einer Art Umsatzwarnung zu tun. Und diese Kombination – eine Art Umsatzwarnung für 2017, gekoppelt mit Umsatzrückgang und Gewinn pro Aktie – ist natürlich ein handfester Grund dafür, dass es mit dem jahrelangen Aufwärtstrend der Aktie in diesem Jahr zu Ende ging.

Wie würde sich ein gegenüber der bisherigen Prognose niedrigerer Umsatz denn auf das Ergebnis pro Aktie auswirken? Hierzu eine klare Ansage von Gerresheimer: „Damit könnte das bereinigte Ergebnis aus fortzuführendem Geschäft je Aktie nach nicht beherrschenden Anteilen um rund EUR 0,17, bezogen auf die Erwartung von rund EUR 4,25 geringer sein.“

Mein Fazit: Gerresheimer AG – möglicher fairer Wert

Also 4,08-4,25 Euro Gewinn pro Aktie für das laufende Geschäftsjahr. Angesichts der Substanz und der recht überzeugenden Aufstellung des Unternehmens einerseits – dem Wegfall der Wachstumsphantasie im laufenden Jahr andererseits würde ich hier ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 15 angemessen finden. Das würde einem Kurs von 61,20 bis 63,75 Euro entsprechen. Und da wundert es mich nicht, dass das bisherige Jahreshoch von rund 78 Euro nicht gehalten oder gar übertroffen werden konnte.

Vor Bekanntgabe der Zahlen zum vierten Quartal bzw. zum gesamten Geschäftsjahr – laut Plan am 22. Februar 2018 – sehe ich keinen fundamentalen Grund dafür, dass die Aktie wieder Richtung Jahreshochs tendieren sollte. Im Gegenteil: Ein Rückgang auf den genannten Bereich von 61,20 Euro bis 63,75 Euro wäre meiner Ansicht nach eine faire Entwicklung. Darüber würde ich vor Bekanntgabe neuer Zahlen im Februar auch nicht kaufen.

Michael VaupelEin Beitrag von Michael Vaupel

Michael Vaupel, diplomierter Volkswirt und Historiker (M.A.), Vollblut-Börsianer. Nach dem Studium Volontariat und Leitender Redakteur und Analyst diverser Börsenbriefe (Emerging Markets, Internet, Derivate, Rohstoffe). Er ist gefragter Interview- und Chatpartner (N24, CortalConsors). Ethisch korrektes Investieren ist ihm wichtig. Weitere Informationen unter: www.ethische-rendite.de

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Bildquelle: Michael Vaupel / Pressefoto Gerresheimer AG