Erstens kommt es anders…

Da die Zinssätze bei Anleihen und Hypotheken tendenziell bereits gesunken sind, einhergehend mit den Benzinpreisen, und die Einkommen schneller wachsen als die Inflation, scheint eine Rezession in diesem Jahr zunächst weniger wahrscheinlich, als es Anfang 2023 der Fall war.

(Bildquelle: marktEINBLICKE)

„Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft“, sagte Wilhelm von Humboldt. Ein Blick auf die letzten Jahre zeigt, dass vieles anders kommt als gedacht. Seit drei Jahren liegen die zu Jahresbeginn gemachten Prognosen der Investmentstrategen an der Wall Street weit ab vom Schuss.

Zu Beginn des Jahres 2021 dachten die meisten, dass sich Investitionen in die Aktien „innovativer” Unternehmen auszahlen würden, ganz unabhängig von den hohen Bewertungen. Der ARK Innovation ETF als Leuchtturm dieses Sektors performte in dem Jahr 50 Prozent schlechter als der S&P 500.

Gewinner Large-Techs?

Anfang der Jahres 2022 dachte die Wall Street, dass die Aktien der Large-Cap-Tech-Werte gegen den Zinserhöhungszyklus der Fed immun sein würden. Das Jahr endete für die „Magnificent 7“, die Aktien der sieben größten Tech-Werte, mit einem Einbruch von nahezu 50 Prozent.

Rezession?

Anfang letzten Jahres sah die Wall Street eine über 60-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass wir im Jahr 2023 eine Rezession sehen würden. Das BIP-Wachstum erreichte stattdessen im dritten Quartal fast 5 Prozent, mit einem Jahresanstieg des S&P 500 von 24 Prozent, und dem Nasdaq 100 von fast 54 Prozent. Es waren nicht nur die Konsensuserwartungen der Investment Strategen, die letztes Jahr unrecht hatten.

Wie agiert die Fed weiter? (Bildquelle: Pressefoto Federal Reserve)

Die Fed und ihre Prognosen…

Auch die US-Notenbank hat das Jahr falsch eingeschätzt, mit zu konservativen Prognosen für das Wachstum, und den Arbeitsmarkt. Genauso wie die letzten drei Jahre überraschende Wendungen brachte, wird das Jahr 2024 voller Überraschungen stecken. Finanzministerin Janet Yellen hat Anfang Januar mutig erklärt, dass der US-Wirtschaft eine weiche Landung gelungen sei. Inflation sei gebändigt worden, ohne den Arbeitsmarkt nachhaltig zu schädigen, was historisch betrachtet ungewöhnlich ist. Reallöhne ziehen an, weil die Inflation langsamer wachse als die Löhne. Ein gutes Omen für Verbraucher und die Wirtschaft.

Yellens Meinung ist Konsensus an der Wall Street. Das Risiko einer harten Landung wurde in der Dezember-Umfrage der Bank of America von den global befragten Fondsmanagern mit nur 26 Prozent beziffert. Die Wahrscheinlichkeit einer weichen Landung innerhalb der nächste zwölf Monate liegt hingegen bei 66 Prozent. Google Trends zeigt, dass der Suchbegriff „Rezession“ außer Mode gerät, mit den niedrigsten Werten seit Anfang 2022.

Solides Jahr 2024 voraus

Im Schnitt rechnen die Investmentstrategen für 2024 mit einem erneut soliden Jahr für den S&P 500. Da die Zinssätze bei Anleihen und Hypotheken tendenziell bereits gesunken sind, einhergehend mit den Benzinpreisen, und die Einkommen schneller wachsen als die Inflation, scheint eine Rezession in diesem Jahr zunächst weniger wahrscheinlich, als es Anfang 2023 der Fall war.

Angesichts der massiven Rallye an den Anleihe- und Aktienmärkten hat sich das Finanzumfeld außerdem erheblich gelockert. Der Financial Conditions Index ist auf ein Niveau zurückgefallen, als der Leitzins bei 1,75 Prozent stand. Aktuell liegt der Leitzins bei 5,25 bis 5,5 Prozent. Der Kapitalmarkt als Leitindikator hat die Kehrtwende der Fed vorweggenommen. Während die Fed 75 Basispunkte an Zinssenkungen in Aussicht stellt, hat die Wall Street 150 Basispunkte eingepreist. Ein solch aggressives Szenario dürften wir nur dann sehen, wenn die Wirtschaft stärker abkühlt als die Wall Street erwartet. Noch ist die Wirtschaft robust. Der Arbeitsmarkt kühlt stellenweise zwar ab, weist aber 30 Prozent mehr offenen Stellen als Arbeitslose aus. Die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe spielen als Leitindikator eine wichtige Rolle, und bewegen sich auf anhaltend niedrigen Niveaus. Die Inflation läuft merklich zurück, ohne der Wirtschaft bisher geschadet zu haben.

Die Fed kann handeln

Die Fed hat Raum, um den Zins zu senken. Trotzdem darf sie nicht Unvorsichtig werden, auch wegen geopolitischer Risiken und den temporären Auswirkungen auf die Lieferketten und Transportkosten. Sollte sich die Wirtschaft hingegen der Erwartungen beschleunigen, könnte gleiches für die Inflation gelten.

Weil wir uns im Jahr der Präsidentschaftswahlen befinden, wird der Staat weiterhin fleißig auf Pump Geld ausgeben, um die Wirtschaft und Verbraucher bei Laune zu halten. Die Fed gilt zwar als neutraler Betrachter, dürfte mit ihrer Politik aber in die Karten des Weißen Hauses spielen. Überrascht uns die Inflation nicht auf dem falschen Fuß, dürfte 2024 für die Wall Street also durchaus erfreulich enden. Bis auf das erste Quartal, ging es seit 1950 in den Jahren der Präsidentschaftswahlen im zweiten, dritten und vierten Quartal zumeist bergauf.

(Bildquelle: Alyssa Ringler)

Ein Beitrag von Markus Koch

Er ist seit Jahrzehnten das deutsche Gesicht an der Wall Street. Egal ob als Börsenreporter für n-tv oder das Handelsblatt, als Vortragsredner und Moderator, in den sozialen Medien oder bei ganz neuen Veranstaltungsformaten, Markus Koch erklärt die Börse immer kurzweilig, humorvoll und kenntnisreich.
www: markuskoch.de / Twitter: @KochWallStreet

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