Die halbe Welt (gemessen am Bruttoinlandsprodukt) geht in diesem Jahr zur Wahlurne. Taiwan, der mit knapp 24 Millionen Einwohnern kleine Inselstaat chinesischer Prägung, fing am 13. Januar mit der Präsidentschaftswahl an.
In Russland – das geographisch größte Land der Welt – will sich Putin Mitte März ohne einen nennenswerten Rivalen wieder wählen lassen. So einfach und bedauerlich ist das in einem totalitären Land. Anfang Juni gibt es die Europawahlen, die für die Zukunft des zweitgrößten Wirtschaftsblocks der Welt nach den USA neue politische und auch wirtschaftliche Akzente setzen muss, um ihrem Potenzial gerecht zu werden. Zur gleichen Zeit finden in Baden-Württemberg und Thüringen Kommunalwahlen statt, im September folgen dann Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Dies könnte ein erster Warnschuss für die Bundestagswahlen im nächsten Jahr sein.
Zinssenkungen voraus
Die mit Abstand wichtigsten Wahlen in diesem Jahr finden am ersten Dienstag im November in den USA statt, wenn der Kongress und Präsident neu gewählt werden. Hier steht die Demokratie auf dem Prüfstein mit weitragenden Auswirkungen für die gesamte Welt. Eine glaubwürdige Prognose über den Ausgang dieser beiden Wahlen (US-Kongress und -Präsidentschaft) ist momentan unmöglich.
Eine Wiederwahl von Präsident Biden wäre trotz seines Alters die bessere Lösung. Eine Wahl von Trump, sofern ein Gericht seine Kandidatur nicht stoppt, wäre dagegen eine „Katastrophe“. Eine Alternative ist momentan nicht erkennbar. Einfacher dagegen ist es, Prognosen über die Wirtschaft und Börsen vorzulegen, allerdings ohne Garantieschein!
Die globale Wirtschaft wird in diesem Jahr mit der Drei-Prozent-Marke kämpfen, wobei es je nach Region deutliche Unterschiede geben wird. China hat es bisher nicht geschafft, wieder Wachstumslokomotive zu sein. Die angestrebte Fünf-Prozent-Marke ist keinesfalls garantiert. Die USA kommt vielleicht auf zwei bis drei Prozent. Europa kann mit ein bis zwei Prozent rechnen. Deutschland wird die Null nur knapp überschreiten. Die Politik der Ampel steht sich selbst im Wege. Die Hoffnung auf eine Wiederwahl im nächsten Jahr liegt nicht einmal bei 20 Prozent!
Die Zentralbanken haben 2023 richtig gehandelt, die Inflation mit steigenden Tagesgeldzinsen zu bekämpfen. Die Teuerungsraten sind von ihren Rekordhöhen im Sommer 2022 inzwischen deutlich gesunken. Zinssenkungen wird es daher in diesem Jahr geben, jedoch später, als viele Marktteilnehmer es sich erhoffen. Frühestens im zweiten Quartal rechne ich mit einem ersten Zinsrückgang von einem Viertel Prozentpunkt von Seiten der US-Notenbank. Zwei weitere Zinsschritte sollten dann im zweiten Halbjahr folgen, wenn sich die Inflationsrate weiter reduziert und im oberen Bereich der zwei Prozent Marke liegt.
Ein Blick auf die Geopolitik
Durch den Nahost Krieg und der „Blockade“ im Roten Meer durch jemenitische Terroristen kann es temporär zu einem Wiederanstieg bei der Inflationsrate kommen und damit die Zinslockerung der Notenbanken verzögern. Die EZB wird die erste Leitzinssenkung im dritten Quartal vornehmen, wobei noch zwei weitere von jeweils einem Viertel Prozentpunkt folgen sollten.
Die angestrebte Inflationsrate von 2,0 Prozent wird jedoch kaum vor 2025 möglich sein. Die angestrebte weiche Landung ist jedoch möglich und zum Teil (in den USA) schon Realität laut Finanzministerin Yellen. Auf meine Prognose zu diesem Thema vor einem Jahr reagierten viele mit Kopfschütteln. Auch meine optimistische Börseneinschätzung (DAX 17.000 und Dow Jones 38.000) wurde als Träumerei bezeichnet. Aber beides ist voll eingetreten!
Für dieses Jahr rechne ich an den Börsen mit einem Anstieg in den USA und Deutschland von mindestens 10 Prozent! Der DAX kann sogar die 19.000 Marke sehen. Die 20.000 Marke wäre mir jedoch zu optimistisch. Der Dow Jones Index kann die 41.000 Marke sehen und sogar überschreiten! Mein S&P 500 Ziel liegt bei 5.250 Punkten. Aber auch Sommerlöcher ähnlich wie im vergangenen Jahr wird es geben. Der Aufwärtstrend wird nicht gradlinig sein, sondern erhebliche Schwankungen (Schlaglöcher) aufweisen.
Was begründet meinen Optimismus? Der von mir sehr stark verfolgte Fünf-Tage-Indikator gab am 8. Januar ein klares Kaufsignal, als der S&P 500 Index nur knapp (- 0,07 Prozent) unter dem Jahresendstand von 2023 schloss. In Wahljahren – und ein solches haben wir in den USA – ist dieser Index immer am Jahresende höher gewesen im Vergleich zum Vorjahr, sofern am fünften Börsentag der Index einen Anstieg oder nur sehr geringes Minus gegenüber dem Schlusskurs vom Vorjahr aufweist. Dieses gilt seit 1950 also 74 Jahren. Im Windschatten dieser Statistik wird auch der DAX beeindrucken.
Ein Beitrag von Heiko Thieme
Er ist über 45 Jahre im internationalen Anlagegeschäft tätig und schrieb 16 Jahre als freier Kolumnist für die FAZ. Seit dem Jahr 1979 gibt es seine Marktanalysen und Einschätzungen sowie die älteste deutsche Börsenhotline. Heiko Thieme ist über zwei Portale für Anleger zu erreichen:
heiko-thieme.club und heiko-thieme.com
Der obige Text/Beitrag spiegelt die Meinung des oder der jeweiligen Autoren wider. Die CASMOS Media GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.