Ein Blick auf das Kunstjahr 2023!

Wenige große Galerien verdienen sehr viel Geld.

Fabrique des Lumières in Amsterdam. (Bildquelle: Culturespaces / Eric Spiller)

Auch das Kunstjahr 2023 war wieder ein facettenreiches. Es gab Auktionsrekorde, weiter heftigen Druck auf NFTs und die Diskussion um künstliche Intelligenz in der Kunstwelt nahm an Fahrt auf. Nicht ohne Wirkung auf die Kunstwelt blieb auch die weltweit politische Lage.

Seit Corona und dem Beginn des Ukraine-Krieges, der damit verbundenen hohen Inflation sowie der Rückkehr von Guthaben-Zinsen (die real natürlich immer noch negativ bleiben) und allerlei innenpolitischer Unsicherheiten, manifestiert sich ein gesellschaftlicher Trend auch in der Kunst, global wie deutschlandweit: wenige große Galerien verdienen sehr viel Geld. Viele mittlere und kleinere Galerien und mit ihnen verbundene Künstlerinnen und Künstler haben seit 2020 aufgegeben oder kämpfen ums wirtschaftliche Überleben, weil die Kaufbereitschaft des Mittelstandes – bedingt durch die zuvor genannten Umstände – rapide nachgelassen hat. Dieser Trend war bereits im Jahr 2022 spürbar, hat sich aber durch die aktuellen Krisen nochmals manifestiert. Trotzdem ist das Gesamtvolumen des Marktes in 2022 gegenüber 2021 um 3 % auf 67,8 Mrd. USD gestiegen. Und auch das abgelaufene Jahr 2023 war insgesamt kein schlechtes Kunstjahr. Dass die Schere sich jedoch weiter öffnet und vor allem das Hochpreissegment funktioniert, wurde offenkundig.

Wenngleich das eine vorübergehende Entwicklung ist, ist es keine gute Botschaft, dass Galerien schließen – auch wenn es die Mehrheit der Bevölkerung nicht bewusst betrifft. Die Kunst- und Kulturwelt ist trotzdem nach wie vor ein wesentlicher und bedeutsamer Teil unserer Gesellschaft. Sie ist Raum der Begegnung, der Auseinandersetzung und des Diskurses sowie Zeitzeugin der Geschichte. Sie bietet den Platz für interkulturellen Austausch, baut Brücken und verbindet Menschen. Gerade in Zeiten der zunehmenden Verrohung ist sie deswegen ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Gesellschaft.

Die breite Bevölkerung schaut gerne dann auf den Kunstmarkt, wenn es Spektakuläres zu berichten gibt. Und so hatte 2023 auch einen Rekord auf dem europäischen Auktionsmarkt parat: mit Gustav Klimts (1862-1918) „Dame mit Fächer“, dem letzten Bild vor seinem Tod, erzielte Sotheby’s in London Ende Juni einen Zuschlagspreis inklusive Aufgeld in Höhe von 99 Millionen Euro.

Und auch für das historisch zweitteuerste Werk von Pablo Picasso war das Jahr gut. Die „Frau mit Armbanduhr“ (Femme à la Montre) ist zugleich das teuerste verkaufte Werk im abgelaufenen Jahr. Gute 130 Millionen Euro (inklusive Aufgeld) wurden am 8. November bei Sotheby‘s in New York geboten.

Gewaltige Bewegungen gab es im vergangenen Jahr auch auf dem NFT-Markt. Die Technik bleibt spannend, die damit verbundenen Chancen auch. Wohltuend ist dabei aber die Korrektur der Preise, die sich in 2023 fortgesetzt hat. Nicht jede Science-Fiction-Figur und nicht jedes wabernde Gebilde darf als NFT-Kunstwerk Unsummen wert sein, nur weil es von spekulativer Goldgräberstimmung getrieben ist. Während im Mai 2022 günstigere NFTs des Bored Ape Yacht Clubs mit ca. umgerechnet 400.000 Euro notierten, bekommt man zum Jahresende 2023 schon selbige NFTs für etwa 50.000 Euro. Wenn man bedenkt, dass der Ausgabekurs im Jahr 2021 bei nur 200 Euro gelegen hat und auf dem Weg zu den Höchstständen viele Käufer Kasse gemacht haben, ist der aktuelle Kurswert immer noch sehr gut oder eben schlecht, je nachdem, ob man von Norden oder von Süden auf dieses Investment blickt.

Wie wenig Selbstverantwortung im Zusammenhang mit Risikoinvestments manchmal regiert, zeigt eine Klage, der sich Sotheby’s ausgesetzt sieht. Das Auktionshaus hätte in seiner Bewerbung einer NFT- Auktion mutmaßlich suggeriert, dass der Markt für NFTs auf ein Mainstream-Publikum übergegangen sei – woraus offenbar eine höhere dauerhafte Werthaltigkeit von Seiten der Interessenten abgeleitet wurde. Es wiederholt sich ein Reflex, wenn das Risiko von High-Risk Investments plötzlich Realität wird und die Käufer von den Risiken plötzlich nichts mehr wissen möchten. Eine Klage dieser Art gegen ein Auktionshaus dürfte ein Novum gewesen sein im vergangenen Jahr.

Einen Satz nach vorne hat im Jahr 2023 das Thema künstliche Intelligenz gemacht. KI in der Kunst ist nicht neu, durch die Fortentwicklung der Technik können heute aber Werke binnen kürzester Zeit generiert werden. Erste Neukreationen haben nun Kunstpreise gewonnen, verbunden mit der Frage, ob das opportun ist oder nicht. Eine nötige intensive Diskussion dazu ist nicht entbrannt, auch wenn Künstler wie Boris Eldagsen mit der Einreichung von KI-generierten Bildern bei einem Kunstpreis – den sein KI-Kunstwerk dann auch noch gewonnen hat – versuchte, ebendiese Diskussion zu entfachen und zu etablieren.

Derweilen hat ein Bundesrichter in Washington D.C. in Sachen KI-generierten Bildern ein juristisches Ausrufezeichen gesetzt. Er sprach Werken den Urheberrechtsschutz ab, wenn es ihnen an „menschlicher Beteiligung“ mangele. Wenngleich das Urteil noch letztinstanzlich bestätigt werden muss, könnte es Signalwirkung entfalten. Sogleich drängt diese Bewertung die Frage auf, wie es sich mit KI- Werken verhält, wenn diese mit Urheberrecht geschützten Werken generiert werden – wenn also geschützte Quellen zu einem neuen Produkt führen. Damit tut sich offenbar ein neuer Markt einer ganzen Generation von Anwälten auf, der diesen eine sichere und lukrative Einkommensquelle generieren wird, denn derlei Fragestellungen sind komplett neu und überhaupt noch nicht geregelt.

Einen seltenen und spektakulären Rekord gab es auch bei Büchern. Im Mai versteigerte ebenfalls Sotheby‘s in New York eine 1000 Jahre alte hebräische Bibel für umgerechnet 35 Millionen Euro. Eine NGO ersteigerte das Los, um es dem Museum des Jüdischen Volkes in Tel Aviv zu schenken.

Denkt man an Tel Aviv, kommt einem sofort das Grauen des 7. Oktobers im Süden Israels ins Bewusstsein. Die Welt scheint mit der Zahl kriegerischer Auseinandersetzungen bereits aus den Fugen geraten zu sein, ehe sie mit dem barbarischen Überfall der Hamas nochmals eskalierte. Bereits in der Jahresrückschau 2022 war mit Blick auf die documenta das Thema Antisemitismus Bestandteil. Eine völlig neue und erschütternde Dimension erreichte das nun im vergangenen Herbst, mit dramatischen Folgen für die Menschen und die gesamte Region. Aus der Kunstwelt traten unterschiedliche Blickwinkel auf den Konflikt zu Tage, auch sehr kontroverse. Eine Würdigung dieser Blickwinkel in einem Jahresrückblick würde der Sensibilität des Themas nicht gerecht werden. Aber eine Botschaft des Jahres 2023 ist glasklar: Nie wieder ist jetzt.

Wie politisch ist Kunst oder sollte Kunst sein? Die deutsche Urban-Art-Künstlerin Patrizia Casagranda (*1979) hat diese Frage für sich beantwortet. In den vergangenen Jahren bereits für ihre außergewöhnlichen Arbeiten von starken Frauen reichlich mit Kunstpreisen versehen, schuf sie sechs Porträts ukrainischer Soldatinnen. Die jungen Frauen haben freiwillig das zivile Leben mit der Uniform getauscht, um für die Freiheit zu kämpfen. Folgerichtig erhielt Casagranda den „Lorenzo il Magnifico Award“ der Biennale in Florenz für dieses Projekt. In jederlei Hinsicht eine starke Botschaft im letzten Jahr.

Möge die Kunst im frisch begonnenen Jahr 2024 weiterhin Botschafterin, Brückenbauerin und Wertspeicher sein!

Ein Beitrag von Arne von Neubeck

Er ist Gründer & Geschäftsführender Gesellschafter von The Global Fine Art. Das Augsburger Kunsthandelshaus verbindet die Leidenschaft für die Kunst mit der kaufmännischen Analyse von Kunstwerken.
www.tgfag.de

 

 

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