Bremst die EZB die Wirtschaft zu stark?

Das Erreichen des Inflationsziels der EZB von zwei Prozent rückt in greifbare Nähe und dürfte in den kommenden Monaten sogar kurzzeitig unterschritten werden.

(Bildquelle: Pressefoto Europäische Zentralbank)

Der immer gravierendere gesamtwirtschaftliche Nachfragemangel bremst vor allem die deutsche Industrie immer stärker aus. Entsprechend schwach fielen zuletzt die HCOB-Einkaufsmanagerindizes sowie das ifo-Geschäftsklima aus. In diesem Zuge rechnen wir auch im Februar mit nachgebenden Inflationsraten.

EZB-Inflationsziel rückt in greifbare Nähe

Die vorläufigen Berechnungen für Deutschland und die Eurozone werden am Donnerstag und Freitag dieser Woche veröffentlicht. Damit rückt das Erreichen des Inflationsziels der EZB von zwei Prozent in greifbare Nähe und dürfte in den kommenden Monaten sogar kurzzeitig unterschritten werden. Trotzdem betonten einige Notenbanker, darunter der Bundesbank-Präsident Joachim Nagel, dass die Zeit für Leitzinssenkungen noch nicht gekommen sei.

Als Grund wird vor allem auf die derzeit stark steigenden Löhne verwiesen. Diese sind allerdings in erster Linie als Reaktion auf die sehr hohen Teuerungsraten der vergangenen zwei Jahre zu sehen. Zudem sind besonders viele personalintensive Dienstleistungssektoren betroffen. Sicher führt der allgegenwärtige Arbeits- und Fachkräftemangel in den kommenden Jahren zu einem generell höheren Lohndruck und voraussichtlich anhaltend stärkeren Steigerungen als in den Jahren vor der Coronakrise.

Die Produktivität muss steigen

Allerdings kann auch ein durch hohe Zinsen länger hingezogener gesamtwirtschaftlicher Bremseffekt im laufenden Abschwung diese strukturelle Entwicklung kaum abmildern. Dem Lohndruck ist effektiv nur durch eine Steigerung der Produktivität zu begegnen. Dafür braucht es einen erheblichen Schub an Technologisierung in den Unternehmen. Für diesen wiederum wären günstigere Finanzierungskonditionen hilfreich.

Genauso wie für eine Abmilderung des massiven Abschwungs im Bausektor, in dessen Zuge immer mehr Kapazitäten verloren zu gehen drohen, die angesichts des immer ausgeprägteren und über steigende Mieten preisniveautreibenden Mangels an Wohnraum künftig dringend benötigt werden. Vor diesem Hintergrund wäre eine Leitzinssenkung der EZB im April wünschenswert.

Ein Kommentar von Carsten Mumm

Er ist Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel. Das Traditionshaus mit Sitz in Hamburg und München setzt auf qualifizierte und umfassende Beratung für vermögende Privatkunden, Unternehmer, Immobilienkunden und institutionelle Kunden.

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