Double Trouble – Nach Zins- jetzt auch noch Zollangst?

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Auf die handelsprotektionistischen Daumenschrauben des US-Präsidenten werden China und die EU schon aus Glaubwürdigkeitsgründen mit Gegenmaßnahmen reagieren. Eine dramatische Einschränkung des Freihandels träfe insbesondere Made in Germany tief ins Mark. Ein in der Folge eingeschränktes Weltwirtschaftswachstum mit schwächeren Unternehmensumsätzen und -gewinnen würde seine negative Wirkung auf deutsche Aktien nicht verfehlen. Und wie steht es um die Zinsangst? Immerhin hat die EZB auf ihrer letzten Sitzung beschlossen, keine weitere Aufstockung ihrer monatlichen Anleihekäufe vorzunehmen. Ist das der Einstieg in den Ausstieg aus einer beispiellosen Liquiditätspolitik und das Ende der Liquiditätshausse am Aktienmarkt?

Zinserhöhungserwartungen werden von der EZB konsequent bekämpft

Die EZB präsentiert auf ihrer letzten Sitzung zwar verbesserte Wachstumsaussichten: 2018 2,4 statt 2,3 Prozent; 2019 und 2020 jeweils unverändert 1,9 bzw. 1,7 Prozent. Gleichzeitig betont EZB-Chef Draghi allerdings deutlich, dass der ausgeglichene Risiko-Ausblick nicht bedeutet, dass Abwärtsrisiken ausgestorben sind. Das signalisierten auch die zuletzt rückläufigen Einkaufsmanagerindices für das Verarbeitende Gewerbe und den Dienstleistungssektor, die am europäischen Aktienmarkt ihren Tribut bereits gefordert haben. Ein sich gegenseitig hochschaukelnder Handelskonflikt zwischen der EU und den USA würde erst Recht als Stimmungskiller auf die Exportnationen in der Eurozone und ihre Aktienmärkte wirken. Dieses Konjunkturrisiko muss die EZB auch im Blick haben.

Wo die Not am größten ist die EZB am nächsten

Zwar hat die EZB ihre explizite Zusicherung fallen lassen, das Volumen ihrer Anleiheaufkäufe gegebenenfalls zu erhöhen. Was zunächst wie der Beginn einer restriktiven Liquiditätspolitik anmutet, entspannt sich bei näherer Betrachtung jedoch deutlich. Zum einen schafft die EZB damit Glaubwürdigkeit: Sie reagiert auf ein grundsätzlich verbessertes Konjunkturumfeld. Im Grunde genommen war dieser Schritt überfällig. Doch nun, wo diese Katze aus dem Sack ist, kann sie die Finanzmärkte zukünftig nicht mehr beunruhigen. Vor diesem konjunkturellen Hintergrund ist eine restriktivere Geldpolitik der EZB zunächst kaum ableitbar.

Zum anderen – und das ist wichtiger – untermauert die EZB ihre auch zukünftig prinzipiell taubenhafte Haltung, indem sie klarstellt, dass der Erwerb von Anleihen „von monatlich 30 Mrd. Euro bis Ende September 2018 oder erforderlichenfalls darüber hinaus erfolgen soll und in jedem Fall so lange, bis der EZB-Rat eine nachhaltige Korrektur der Inflationsentwicklung erkennt, die mit seinem Inflationsziel im Einklang steht.“

Doch genau dieses Inflationsziel hält sie für noch lange nicht erreichbar. Denn sie hat ihre Inflationserwartungen beibehalten bzw. sogar gesenkt: 2019 1,4 statt 1,6 Prozent; 2018 und 2020 jeweils unverändert bei 1,4 bzw. 1,7 Prozent). Damit erreicht die EZB ihr Inflationsziel von zwei Prozent selbst im Jahr 2020 nicht. Und da sie der Preisstabilität – gemäß ihrem Primärauftrag – eine entscheidende Bedeutung beimisst, fehlt umgekehrt die Begründung für eine wirkliche geldpolitische Trendwende. Tatsächlich betonte Draghi, dass weiterhin ein „umfangreiches geldpolitisches Engagement“ notwendig sei, um das Inflationsziel der EZB zu erreichen. Auch Draghi kennt die preisdämpfenden Effekte einer globalisierten und digitalisierten Welt.

Die Rechtfertigung für eine never ending story, für eine Fortsetzung der Anleihekäufe von 30 Mrd. im Monat, liegt vor.

Diese schwindende Aussicht auf geldpolitische Restriktion bzw. auf steigende Renditen spricht für einen sich wieder abschwächenden Euro. Ohnehin ist sich die EZB des weltweiten Währungsabwertungswettlaufs bewusst. Auch sie will die Exportsituation Europas auch angesichts von drohendem Handelsprotektionismus schützen. Am Devisen-Terminmarkt scheint seit Januar 2018 das Aufwertungsargument an Überzeugungskraft zu verlieren: Die Zunahme spekulativer Netto-Long-Positionen pro Euro stockt.

Euroland einig Schuldenland

Zwar spielt nach der Wahl ein Euro-Austritt Italiens keine Rolle, so dass eine politische Euro-Krise nicht zu erwarten ist. Doch angesichts schwieriger Regierungsverhältnisse ist zukünftig nur eine Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners zu erwarten. Eine ausufernde Sozialpolitik ohne wirtschaftsreformistische Ansätze wird noch intensiver über Neuschulden finanziert. Leider finden sich für diese Art Verteilungspolitik auch auf EU-Ebene im Sinne einer vermeintlich stärkeren EU-Integration immer mehr Befürworter.

Vor diesem Hintergrund bleibt die EZB gezwungen, grundsätzlich – trotz vorsichtiger restriktiver Maßnahmen – weiterhin die Rolle des „Schulden-Stiefelknechts“ nicht nur für Italien, sondern die Eurozone insgesamt zu spielen. Nur die Finanzierbarkeit der Schuldenorgie über ein anhaltendes Niedrigzinsniveau kann politische Fliehkräfte im Währungsraum verhindern. Tatsächlich hat die Geldpolitik der EZB den Euro-Volkswirtschaften bei der Verschaffung von Finanzierungsvorteilen gute Dienste geleistet: Obwohl sich die Staatsverschuldung der Eurozone insgesamt von 2000 bis 2018 verdoppelte, hat sich der jährliche Zinsdienst nahezu halbiert.

Profiteure dieser frivolen Finanzpolitik sind vor allem die Aktienmärkte der Euro-Südzone. Ihre Underperformance zu deutschen Aktien ist nicht nur ausgelaufen. Im Trend ist sogar eine Outperformance zu beobachten, die sich umso stärker fortsetzen würde, wenn ein weltweiter Handelsprotektionismus besonders exportsensitive deutsche Aktien negativ trifft.

Marktstimmung – Vorsicht ja, Panik nein

Die Zolldiskussion hat die Finanzmärkte momentan fest im Griff. Die Frage ist, welche Eskalationsstufe erreicht wird. Ein ausgewachsener Handelskrieg ist nicht zu befürchten. Viele republikanische Abgeordnete warnen ungewöhnlich deutlich vor Handelsbarrieren. Und die Wirtschaft selbst – der gegenüber sich Trump ja als Beschützer aufspielt – ist deutlich auf der Contra-Seite zu finden. Fraglos wird es aber grundsätzlich ein Mehr an Protektionismus in der Handelswelt geben. Allerdings wird dieser nicht zu einem weltwirtschaftlichen Einbruch führen. Da die USA nur sechs bzw. zwei Prozent ihrer Stahl- und Aluminiumimporte aus Deutschland beziehen, dürfte der wirtschaftliche Schaden von Importzöllen von 25 bzw. 10 Prozent auf Stahl und Aluminium begrenzt sein. Plastischer Ausdruck der abnehmenden Bedeutung des Stahlgeschäfts für die deutsche Wirtschaft ist nicht zuletzt die Fusion des Stahlgeschäfts von ThyssenKrupp mit Konkurrent Tata Steel.

Die wahlpopulistischen Absichten von Trump im Vorfeld der Kongresswahlen im November sollten aber nicht unterschätzt werden. Bis dahin wird Handelsprotektionismus ein Aufregerthema an den Aktienmärkten bleiben. Und leider ist bei Trump auch immer mit plötzlich auftretenden schwarzen Schwänen zu rechnen.

Dagegen werden die nachlassenden jahresanfänglichen Inflations- und Zinserhöhungsängste als bis dato größter Risikofaktor nahezu ignoriert. Fast unbemerkt setzt sich die seit Anfang Februar stattfindende Beruhigung der Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen fort, in deren Fahrwasser sich die Renditen deutscher Staatstitel sogar wieder leicht zurückbilden. Sogar einige Fed-Mitglieder äußerten sich zuletzt kritisch zu weiteren US-Zinserhöhungen, da ein Handelskonflikt die positiven Wirtschaftsaussichten trüben würde.

Tatsächlich zeigen in diesem Zusammenhang die vom Finanzdatenanbieter Sentix erhobenen Konjunkturerwartungen für die nächsten sechs Monate – eine Umfrage, an der sich zuletzt auch 262 institutionelle Investoren beteiligten – allen voran in Deutschland, aber auch in Asien, den USA und der Eurozone eine eingetrübte Stimmung.

Beim von der Citigroup veröffentlichten Macro Risk Index – er misst die augenblickliche Risikostimmung an den Finanzmärkten – deuten Indexwerte größer als 0,5 auf zunehmende Risikoabneigung und Werte von kleiner als 0,5 auf Risikofreude hin. Der aktuelle Indexwert von gut 0,7 legt daher kurzfristig weitere Irritationen an den Aktienmärkten nahe.

Weniger dramatisch bietet sich die Situation mit Blick auf die Aktienvolatilität dar. Zwar beobachten Anleger die Situation kritisch, ohne dabei jedoch in Verkaufs-Panik zu verfallen. Das sind keine Symptome eines bevorstehenden Aktien-Crashs.

Im Trend zeigen sich die besonders exportsensitiven Mittelstands-Aktien aus MDAX und SDAX stabiler als der DAX. Sie profitieren von ihrem breiten Industrie-Know How und zahlreichen Patenten im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung der Weltwirtschaft. Sie werden mit oder ohne Handelskonflikte gebraucht. Begünstigend kommt das anlagetechnische Argument der Index-Zusammensetzungen hinzu. Die von potenziellen Handelsbeschränkungen betroffene deutsche Automobilbranche spielt in den Mittelstands-Aktienindices kaum eine Rolle im Gegensatz zum großen Bruder DAX, in dem immerhin knapp 13 Prozent der Indexgewichtung auf die drei großen deutschen Autobauer entfällt.

Immerhin, an der geopolitischen Front sorgen die zuletzt versöhnlichen Töne zwischen Nord- und Südkorea für Entspannung. Sogar ein Treffen zwischen den USA und Nordkorea scheint möglich zu sein. Eine zunehmende Lösung des Konflikts würde von den Finanzmärkten mit einer Stabilisierung honoriert.

Charttechnik DAX – Kein Strukturbruch

Charttechnisch liegen im DAX auf dem Weg nach oben die nächsten Widerstände bei 12.489 und 12.722 Punkten. Werden diese nachhaltig überschritten, liegt das nächste Kursziel vorerst bei 12.951. Kommt es zu weiteren Gewinnmitnahmen, liegen erste Unterstützungen an den Marken bei 12.232 und 12.067. Darunter liegt die nächste Haltelinie bei 11.930. Wird diese unterschritten, ist mit Kursverlusten bis zur Unterstützung bei 11.878 und schließlich 11.831 Punkten zu rechnen.

Der Wochenausblick für die KW 11 – Alle Augen auf die US-Inflation

In China deuten die jahresanfängliche Industrieproduktion sowie die Einzelhandelsumsätze auf eine stabile konjunkturelle Seitenlage hin. In Japan zeigt sich die Industrieproduktion zuletzt angeschlagen und verschafft der Bank of Japan weiterhin ein passendes Alibi für die Aufrechterhaltung ihrer ultralockeren Geldpolitik.

In den USA machen sich am US-Immobiliensektor gemäß Baubeginnen und -genehmigungen erste Bremsspuren des steigenden Zinsniveaus bemerkbar. Insgesamt ist die Konjunkturstimmung laut Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe der Philadelphia Fed stabil. Verbesserte Einzelhandelsumsätze und ein optimistisches Konsumentenvertrauen der University of Michigan signalisieren einen stabilen Konsum. Insgesamt ist kein sprunghafter Anstieg der US-Inflationsrate im Februar zu erwarten.

In der Eurozone bestätigen die finalen Inflationszahlen den moderaten Abwärtstrend der Preisentwicklung.

RobertHalverEin Beitrag von Robert Halver.

Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.

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