Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat in seinem aktuellen World Economic Outlook die Erwartungen für das Wachstum der Weltwirtschaft im laufenden Jahr auf 3,2 Prozent leicht nach oben revidiert.
Damit bleibt die globale Wirtschaftsdynamik im historischen Kontext relativ schwach. Deutliche Veränderungen gab es hingegen in einzelnen Regionen. So ist für die USA mit einem deutlich stärkeren Wachstum von 2,7 Prozent in diesem und einer verspäteten konjunkturellen Abkühlung auf 1,9 Prozent Wachstum im kommenden Jahr zu rechnen, während sich Deutschland und die Eurozone mit 0,2 bzw. 0,8 Prozent Wachstum im Gesamtjahr 2024 schwächer entwickeln, dafür aber im Folgejahr leicht aufholen werden.
Die deutsche Wirtschaft dürfte den konjunkturellen Tiefpunkt im ersten Quartal durchschritten haben. Dafür sprechen auch die jüngsten Ergebnisse der Umfrage zum Kreditgeschäft der Bundesbank (Bank Lending Survey). Demnach stieg die Nachfrage nach Konsumentenkrediten und Finanzierungen für den privaten Wohnungsbau leicht an. Steigende Realeinkommen – hohe Lohnabschlüsse bei gleichzeitig sinkender Inflation – dürften somit den Konsum in den kommenden Monaten stabilisieren. Vonseiten der Unternehmen sank zwar die Nachfrage nach Krediten für Anlageinvestitionen, Fusionen und Übernahmen, dafür wurden aber mehr Finanzierungen für Lagerhaltung und Betriebsmittel nachgefragt. Man bereitet sich also offensichtlich auch in der Industrie auf eine steigende Produktion in den kommenden Monaten vor
Der private Konsum fällt als Stütze der Konjunktur in Deutschland bisher aus. Die Menschen in Deutschland sparen angesichts allgegenwärtiger, vor allem politischer Unsicherheiten mehr, anstatt größere Anschaffungen zu planen. Es ist aber davon auszugehen, dass die Zuversicht mit dem beginnenden Frühjahr und steigenden Realeinkommen – hohe Lohnabschlüsse bei gleichzeitig deutlich sinkender Inflation – künftig zunehmen wird und die privaten Konsumausgaben damit anstiegen.
Die in den USA weiterhin hohe Wirtschaftsdynamik wurde durch die jüngste Veröffentlichung des „Beige Book“ der US-Notenbank Fed unterstrichen. Demnach sind sowohl wirtschaftliche Aktivität als auch Konsumausgaben und Beschäftigung zuletzt leicht gestiegen. Weiterhin herrscht in einigen Bereichen ein Mangel an Fachkräften. Der Lohndruck lässt nur leicht nach. Allerdings werden Konsumenten preissensibler, wodurch Unternehmen nicht mehr jegliche Kostensteigerung an ihre Endverbraucher durchreichen können und Gewinnmargen unter Druck kommen. Insgesamt zeichnet sich bisher eine nur sehr langsame konjunkturelle Abkühlung in den USA ab.
Allerdings bleibt der Inflationsdruck vorerst hoch. Seit Sommer 2023 tendiert die Inflationsrate in den USA oberhalb von 3 Prozent seitwärts. Auch die Kernrate der Inflation – ohne die schwankungsanfälligen Komponenten Energie und Nahrungsmittel – sinkt nur noch leicht. Vor diesem Hintergrund werden mittlerweile nur noch zwei Zinssenkungen, im September und im Dezember, vonseiten der US-Notenbank Fed im laufenden Jahr erwartet.
Sollte sich der Inflationsdruck bis zum Herbst nicht nennenswert reduzieren, wäre auch eine Verschiebung der geldpolitischen Lockerung auf 2025 denkbar. Allerdings zeichnet sich schon ab, dass anhaltend hohe Zinsen die Nachfrage im Bausektor und den Konsum in den kommenden Monaten stärker abbremsen und so zu einer Entlastung der Preisniveausteigerungen beitragen sollten. Ein bis zwei Zinssenkungen im Jahr 2024 sind daher realistisch.
Zwar hat das offiziell ausgewiesene Wachstum der chinesischen Wirtschaft für das erste Quartal mit 5,3 Prozent positiv überrascht, allerdings fielen die März-Konjunkturdaten überwiegend ernüchternd aus. Ex- und Importe gaben deutlich um 7,5 bzw. 1,9 Prozent, jeweils verglichen mit dem Vorjahr, nach. Auch der Anstieg der Anlageinvestitionen und der Industrieproduktion fiel mit jeweils 4,5 Prozent schwach aus und die Einzelhandelsumsätze legten nur um 3,1 Prozent zu.
Weiterhin leidet die chinesische Volkswirtschaft also unter der schwachen globalen Industrienachfrage und unter einem schleppenden Binnenkonsum. Damit dürften einerseits auch künftig gezielte fiskalpolitische Maßnahmen zur Stützung der Wirtschaft erfolgen. Zudem wäre eine Verschlechterung der Handelsbeziehungen mit Europa und den USA für die chinesische Regierung aktuell kontraproduktiv, was die Bereitschaft für Verhandlungen in bestehenden Handelskonflikten erhöhen dürfte.
An den Kapitalmärkten dürften die kommenden Wochen volatil bleiben. Sowohl die Unsicherheit über den Leitzinskurs der Fed als auch geopolitische Entwicklungen und damit die Befürchtung, dass deutlich steigende Ölpreise die Inflationsraten wieder befeuern könnten, veranlassen viele Anleger vorerst zu vorsichtigerem Agieren. Mit Blick auf das Jahresende bleibt aber die Perspektive sinkender Zinsen und nachgebender Renditen von Staatsanleihen sowie einer leichten Konjunkturerholung in Europa und dürfte die Kurse von Aktien und Gold unterstützen.
Ein Kommentar von Carsten Mumm
Er ist Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel. Das Traditionshaus mit Sitz in Hamburg und München setzt auf qualifizierte und umfassende Beratung für vermögende Privatkunden, Unternehmer, Immobilienkunden und institutionelle Kunden.
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