Die Hauptversammlungssaison 2024 läuft. Im Januar sowie Februar waren es bereits die Siemens AG oder ThyssenKrupp AG, die aufgrund ihres vom Kalenderjahr abweichenden Geschäftsjahres etwas früher als alle anderen Gesellschaften zur Hauptversammlung geladen hatten. Richtig los ging es aber erst im Frühjahr. Bis ungefähr Anfang Juli werden die allermeisten börsennotierten Gesellschaften ihre Hauptversammlung abhalten. Auf den Versammlungen werden richtungsweisende Entscheidungen von den Aktionären getroffen. Die sind nämlich der Souverän der Aktiengesellschaft.
Der Souverän entscheidet
Ein besonders positiver und erfreulicher Tagesordnungspunkt ist die Beschlussfassung über die Gewinnverwendung und damit über die Dividendenauszahlung an die Aktionäre. Die Dividendenzahlungen werden auch in diesem Jahr wieder Rekordniveau erreichen, auch wenn das erst einmal so gar nicht zu den wenig schönen Nachrichten über die deutsche Wirtschaft passt, die wir jeden Tag in der Zeitung oder im Fernsehen vorgeführt bekommen.

Wie kann das sein? Die Antwort ist in den Geschäftsmodellen der heimischen, börsennotierten Gesellschaften zu finden. So ist oftmals das Geschäft in Deutschland oder in Europa nicht wirklich ausschlaggebend für den Erfolg. Schaut man genau hin, ist sogar oftmals das Geschäft in den USA, in China oder sonst in der Welt bedeutender und der Gewinnbringer. Nicht selten werden Verluste in Deutschland sowie Europa durch die hervorragenden Ergebnisse im Rest der Welt überkompensiert. Insofern ist die Resilienz unserer Wirtschaft deutlich höher und ausgeprägter, als dies die Diskussion hierzulande vermuten lässt.
Also ist alles im Lot und man braucht sich auch nicht weiter als Aktionär bei dem Thema Hauptversammlung zu engagieren? Dies wäre eine fatale Schlussfolgerung! Denn wie weiter oben bereits erwähnt, werden auf Hauptversammlungen bedeutende und oftmals auch eben richtungsweisende Entscheidung getroffen.
Präsenz ist wichtig!

Ein gutes Beispiel dafür aus 2023 ist die Hauptversammlung der Brenntag SE aus Essen. Dort ging es auf der Versammlung des DAX40-Wertes um die teilweise Neubestellung von Aufsichtsräten. Zwei Hedgefonds hatten ganz eigene Vorstellungen und haben alternative Kandidaten zur Wahl vorgeschlagen. Letztendlich ging es aber inhaltlich um die Aufspaltung des Konzerns in zwei Teile, die deutlich wahrscheinlicher geworden wäre, wenn die beiden Kandidaten der Hedgefonds in den Aufsichtsrat eingezogen wären. Die Wahl ging dann, wenn auch nicht besonders eindeutig, zugunsten der Verwaltung aus. Wäre das Ergebnis pro Hedgefonds ausgefallen, wäre eine Aufspaltung des Konzerns sehr wahrscheinlich gewesen.
Ähnlich verhält es sich in diesem Jahr mit der Hauptversammlung der ProSiebenSAT.1 MEDIA SE. Dort fordert die MediaForEurope (MFE), die von der Berlusconi-Familie beherrscht wird, über einen Antrag auf der Hauptversammlung unter anderem eine Aufspaltung des Medienkonzerns. Auch hier sind es also die Aktionäre der Gesellschaft, die über die zukünftige, strategische Aufstellung des Konzerns auf der Hauptversammlung entscheiden sollen.
Sowohl der Fall Brenntag als auch die aktuelle Causa ProSiebenSAT.1 zeigen somit anschaulich, dass eine Hauptversammlung alles andere als langweilig ist und es definitiv auf jede Stimme ankommt.
Wenn Sie also eine Einladung zu einer Hauptversammlung im Briefkasten wiederfinden oder diese in ihrem elektronischen Postfach ihrer Depotbank eingeht, schmeißen Sie diese nicht in den Papierkorb oder löschen Sie die E-Mail bitte nicht.
Nehmen Sie Ihr Stimmrecht wahr
Sollten Sie sich mit der Ausübung Ihres Stimmrechts im Vorfeld der Hauptversammlung oder auch auf der Hauptversammlung – aus welchen Gründen auch immer – nicht auseinandersetzen wollen oder fehlt Ihnen dafür schlichtweg die Zeit, können Sie die Stimmausübung auch einem Dritten, zum Beispiel einer Aktionärsvereinigung kostenlos übertragen.
Das ist deutlich unkomplizierter möglich, als Sie dies vielleicht vermuten. So ist ein Vollmachtsformular bereits in den Unterlagen enthalten, die Sie mit der Einladung zur Hauptversammlung erhalten haben. Dort tragen Sie zum Beispiel die DSW, die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V., oder einen Vertreter ihrer Wahl ein und senden das Formular an die angegebene Stelle zurück. Dieses ist oftmals auch elektronisch oder über ein Aktionärsportal möglich.
Entscheidend ist aber immer, dass Sie Ihr Stimmrecht nicht verfallen lassen, damit auf den Hauptversammlungen die richtigen Entscheidungen von einer möglichst breiten Mehrheit der Aktionäre getroffen und getragen werden.
Sollten Sie Fragen zu einzelnen Hauptversammlungen oder grundsätzlich zur Stimmrechtsvertretung haben, so können Sie mir auch gerne jederzeit eine E-Mail schreiben. Sie erreichen mich per Mail unter dieser Adresse: marc.tuengler@dsw-info.de.
Ein Beitrag von Marc Tüngler
Er ist Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW) und ist ein profunder Kenner des deutschen Aktienmarktes. Als Redner und Aktionärsvertreter auf vielen Hauptversammlungen weiß er um die Befindlichkeiten von Vorständen und Aktionären.
www.dsw-info.de
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