Ist das Frühlingserwachen an den Aktienmärkten gerechtfertigt?

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Amerikanischer Handelsprotektionismus stellt ein real- und finanzwirtschaftliches Handicap vor allem für Schwellenländer dar. Doch scheinen diese nicht wieder in ihre alten Krisenmuster zu verfallen. Ist deren relative Stärke aufgrund ihrer mittlerweile erreichten volkswirtschaftlichen Reife angebracht? Auch die Aktienmärkte allgemein zeigen sich heiter wie das aktuelle Frühlingswetter. Ist das Abstreifen von Kriegs-, Zoll- und Zinsangst gerechtfertigt oder droht wieder April-Wetter?

Bis zur Kongresswahl im November besteht die Gefahr, dass US-Präsident Trump dem Thema Handelsprotektionismus eine große Bedeutung beimessen wird. Betroffen sind neben China alle Länder mit enger Einbindung vor allem in die US-Vorleistungsketten wie z.B. auch Mexiko. Die brüske protektionistische Rhetorik des US-Präsidenten hat bereits Reibungsverluste in der Industriestimmung der Emerging Markets hinterlassen, die in einem seit Jahresbeginn rückläufigen Einkaufsmanagerindex zum Ausdruck kommen. Insofern scheint auf den ersten Blick ebenso das Gewinnwachstum der Schwellenländer seinen Zenit überschritten zu haben.

Gewinnsituation in den Emerging Markets robust

Auf den zweiten Blick liegt die Wachstumsrate der Unternehmensgewinne mit gut 20 Prozent aber immer noch auf einem vergleichsweise hohen Niveau. Unterstützend wirkt die stabile Entwicklung der Rohstoffpreise, von denen die Rohstoffländer unter den Emerging Markets profitieren. Dennoch droht Rohstoff importierenden Schwellenländer keine dramatische Gewinnbeschneidung. Denn eine nachhaltige Preisbefestigung bei Rohöl als „leader of the commodity gang“ ist aufgrund der Alternative durch Fracking-Öl nicht zu erwarten.

Beste aller Währungs-Welten für Schwellenländer

Währungsseitig spricht die Abkehr der USA von ihrer dogmatischen Strong Dollar-Policy für die Schwellenländer. Tatsächlich hat der US-Dollar seit 2017 gegenüber den Währungen der Emerging Markets abgewertet. Deren umgekehrte Währungsstabilität begrenzt das Risiko früherer Kapitalfluchten deutlich. Und damit bleibt auch der Schuldendienst von China, Indien & Co. – Kredite werden mehrheitlich auf US-Dollar-Basis aufgenommen – günstig.

Bewertungsvorteil für Emerging Markets

Zugleich kommt Schwellenland-Aktien ein Bewertungspuffer gemäß Kurs-Gewinn-Verhältnis zugute. Obwohl sich die Bewertungen der Aktienmärkte der klassischen Industrieländer insgesamt nach einer mittlerweile zweimonatigen Korrektur deutlich entspannt haben, sind Aktien der Schwellenländer im direkten Vergleich mit den USA, der Eurozone oder Deutschland extrem günstig. Dieser klassische Bewertungsabschlag ist angesichts der dramatischen wirtschaftlichen Verbesserungen, die die Schwellenländer binnenkonjunkturell, aber auch im Hinblick auf ihre Standortqualitäten vornehmen, zunehmend ungerechtfertigt.

Dass die früher noch anfälligeren Aktien der Schwellenländer 2018 einen im Vergleich zu den Industriestaaten stabileren Kursverlauf zeigen, unterstreicht diese Einschätzung.

Die Robustheit der Aktienmärkte der Schwellenländer zeigt sich nicht zuletzt in einer wieder merklich verringerten Volatilität, die die Gefahr weiterer Kursverluste begrenzt.

In den Emerging Markets sind auf Branchenebene vor allem Technologieunternehmen fundamental gut aufgestellt. Sie sitzen beim Zukunftsthema Digitalisierung in der ersten Reihe. Daneben profitieren Finanzwerte vom Kreditwachstum der immer konsumstärkeren asiatischen Volkswirtschaften und einem immensen Ausbau der Infrastruktur. Das macht übrigens Infrastruktur-Aktien attraktiv.

Marktstimmung – Der Frühling ist nicht aufzuhalten

Laut ZEW Konjunkturerwartungen auf Basis der Befragung von Finanzanalysten hat sich die deutsche Wirtschaftsstimmung bereits das dritte Mal in Folge eingetrübt. Mit aktuell minus 8,2 liegt diese zum ersten Mal seit knapp zwei Jahren wieder unter der Nulllinie. Allerdings haben sich die von Analysten wahrgenommenen Konjunkturrisiken insbesondere seit der Finanzkrise vielfach nicht bewahrheitet. Auch aktuell stehen ihre Befürchtungen stark unter dem Eindruck des internationalen Handelskonflikts mit den USA und der Situation im Syrienkrieg.

Zwar bestätigen auch die ifo Geschäftserwartungen diesen Trend, doch sie vermitteln ein deutlich weniger dramatisches Bild. Die ifo-Zahlen haben gegenüber den ZEW Konjunkturerwartungen den Vorteil der direkten Befragung der Unternehmen.

Ein zu erwartender weiterer ifo-Rückgang in der nächsten Woche gäbe sicher ein Anzeichen für ein im Jahresverlauf etwas schwächeres Wachstum. Doch könnten dann erstens die Notenbanken bei weniger imposanten Wachstumsraten von einer repressiven Geldpolitik Abstand nehmen. Die im Euroraum trotz Rohstoffpreisbefestigung mit 1,3 Prozent sehr moderate Inflation bekräftigt ohnehin eine zinspolitische Entspannung. Und zweitens ist hinter vorgehaltener Hand bereits auf allen Seiten eine versöhnlichere Handelsrhetorik zu vernehmen, die einem heißen Handelskrieg widerspricht.

Das grundsätzlich positive weltkonjunkturelle Umfeld bestätigte zuletzt auch der US-Aluminiumhersteller Alcoa im Rahmen der Berichtsaison für das I. Quartal 2018 mit einem soliden Gesamtjahresausblick. Alcoa als harter Konjunkturzykliker ist nicht gezwungen in einem zuletzt verunsicherten Wirtschaftsumfeld positive Erwartungen zu schüren. Wenn dies Alcoa dennoch tut, ist das ein Beweis für die grundsätzlich positive Wirtschaftsstimmung.

Auch laut Market Risk Indicator der Bank of America Merrill Lynch – er misst Erwartungen am Terminmarkt bezüglich Kursschwankungen an den globalen Aktien-, Währungs- und Rohstoffmärkten und deutet bei Werten über Null auf zunehmende Marktrisiken und bei Werten unter Null auf Risikoentspannung hin – ist keine weitere Krisenverschärfung zu erwarten. Nicht nur liegt der aktuelle Risikowert deutlich im negativen Terrain, sondern ist von seinem Jahreshoch wieder dramatisch abgerückt. Entsprechend zeigen die weltweiten Aktienmärkte bereits Erholungstendenzen. ZZK – Zinsangst, Zollangst, Kriegsangst – werden entspannter betrachtet.

Nicht zuletzt signalisiert die Wiedererholung der Technologieaktien in Europa und den USA eine Aufhellung des allgemeinen Aktienklimas. Aufgrund ihrer grundsätzlich hohen Bewertungen sind Technologiewerte die sensitivsten Gradmesser des Aktienklimas.

Charttechnik DAX – Mit Schmackes über 12.700 Punkte?

Bei Fortsetzung der aktuellen DAX-Erholung liegen die nächsten Widerstände bei 12.651 und 12.722 Punkten. Kann der Index diese nachhaltig überschreiten, liegen die nächsten Kursziele bei 12.951, 13.301 und 13.443. Darüber nimmt der Index die Barrieren bei 13.526 und 13.597 ins Visier. Käme es zu neuerlichen Gewinnmitnahmen und werden dabei die Unterstützungen bei 12.524 und 12.489 unterschritten, ist vorerst mit Kursverlusten bis zur Marke bei 12.335 und schließlich 12.232 Punkten zu rechnen.

Der Wochenausblick für die KW 17 – Zahm, zahmer, EZB

In Japan liefern die weiterhin blutarmen Inflationsdaten der Bank of Japan einen passenden Grund für die uneingeschränkte Fortsetzung ihrer Liquiditätsoffensive.

In den USA folgen einer beständigen Konjunkturstimmung laut Einkaufsmanagerindex der Region Chicago ebenso stabile Auftragseingänge langlebiger Güter. Das Konsumentenvertrauen der University of Michigan zeigt sich dagegen verhalten.

In Deutschland deuten die ifo Geschäftsklimadaten auf eine verlangsamte, allerdings stabile Konjunktursituation hin, während der Konsum laut GfK Konsumklimaindex ein wichtiges zweites Wirtschaftsstandbein bleibt.

In der Eurozone signalisieren die Einkaufsmanagerindices für das Verarbeitende und Dienstleistungsgewerbe eine gewisse konjunkturelle Verlangsamung, die die EZB auf ihrer Sitzung in ihrem grundsätzlich freizügigen geldpolitischen Kurs unterstützt.

RobertHalverEin Beitrag von Robert Halver.

Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.

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