Das Superwahljahr 2024 brachte mit den Europawahlen im Juni und dem erwartbaren Erstarken rechts orientierter Parteien einen vorläufigen Höhepunkt. Allerdings ohne unmittelbare Auswirkungen auf die Kapitalmärkte, denn die Kräfteverhältnisse im Europaparlament veränderten sich nicht grundlegend.
Die EU-Kommission ist gefragt
Die neue Kommission muss in den kommenden Jahren jedoch wichtige Weichenstellungen vornehmen: für die innere und äußere Sicherheit, zur Handhabung von Migration und Arbeitskräftemangel, gegen den Klimawandel und für die Energiewende, im Kontext der geopolitischen Neuordnung und im Verhältnis zu China sowie für einen zukunftsfähigen Rahmen für neue Technologien, insbesondere Künstliche Intelligenz. Die Ergebnisse werden für die künftige internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standorts entscheidend sein und unterstreichen die mittelbar bedeutenden Folgen der Wahl.
Dass politische Börsen jedoch auch kurzfristig nicht unbedingt „kurze Beine“ haben, wie es sprichwörtlich heißt, zeigte sich nach der überraschenden Ankündigung vorgezogener Neuwahlen in Frankreich. Sofort stieg die Risikoprämie französischer Staatsanleihen im Vergleich zu Bundesanleihen deutlich an.
Donald Trump als Wildcard
Gleichzeitig wertete der Euro ab und der französische Aktienindex CAC 40 gab überproportional nach. Denn eine mögliche Regierung unter Führung der Partei Marine Le Pens, des Rassemblement National (RN), oder gar des Linksbündnisses könnte die Staatsschulden erheblich ausweiten. Und das in einer Situation, in der die Rating-Agentur S&P die Bonitätsnote Frankreichs kürzlich auf AA- abgestuft hat.
In Brüssel ist zudem die europakritische Einstellung des RN im Fokus, braucht man doch zur Bewältigung der genannten Aufgabenliste in den kommenden Jahren eher mehr als weniger europapolitischen Konsens – zumal nach den US-Präsidentschaftswahlen im November erneut Donald Trump den Zusammenhalt und die Tatkraft Europas auf die Probe stellen könnte.
Doch die Kapitalmarktreaktion dürfte für die künftig in Paris Regierenden Warnung genug sein, um zunächst besonnen und vorsichtig zu agieren. Zwar hat der Wahlausgang ohne eigene Mehrheit für eines der großen Bündnisse zunächst für sinkende Risikoprämien gesorgt, doch könnten auch fehlende Reformen im Zuge eines politischen Stillstands dem Ansehen des Standorts schaden. Kapitalmarktteilnehmer werden daher vorerst einen stärkeren Fokus auf Frankreich beibehalten und zu gewagte Experimente sanktionieren.
Ein Kommentar von Carsten Mumm
Er ist Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel. Das Traditionshaus mit Sitz in Hamburg und München setzt auf qualifizierte und umfassende Beratung für vermögende Privatkunden, Unternehmer, Immobilienkunden und institutionelle Kunden.
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Bildquelle: Donner & Reuschel