Kommen die Zinssenkungen zu spät?

Aktienmärkte im Korrekturmodus

(Bildquelle: EZB/Fed)

Die Entwicklung der Zinsen spielt für die Aktienmärkte eine wesentliche Rolle. Steigende Zinsen bedeuten höhere Refinanzierungskosten für Betriebsmittel, Vorleistungen oder Investitionen von Unternehmen sowie kreditfanzierten Konsum. Dadurch verschlechtern sich die Aussichten für die Gewinnentwicklung der Unternehmen und damit für die Aktienkurse. Zudem sind verzinsliche Anlagealternativen attraktiver.

Vor diesem Hintergrund wirken die im Sommer erreichten Allzeithöchststände vieler Aktienindizes erstaunlich, da die Zinsen seit 2022 – sowohl in den USA als auch in Europa – deutlich gestiegen sind. In den USA waren die robuste Konjunktur, die Hoffnung auf Produktivitätsfortschritte durch KI sowie die Aussicht auf zeitnah fallende Zinsen die wesentlichen Kurstreiber. Während die EZB schon im Juni eine erste Leitzinssenkung umsetzte, wird vonseiten der US-Notenbank Fed erst Mitte September ein Zinsschritt nach unten erwartet. Denn nach zuletzt schwächeren Arbeitsmarktberichten dürfte auch die August-Inflation in dieser Woche erneut tiefer ausfallen.

Doch seit einigen Wochen werden die potenziell positiven Effekte sinkender Zinsen durch Konjunktursorgen gedämpft. Der konjunkturelle Aufschwung in Europa und Deutschland lässt weiter auf sich warten. Problematisch ist vor allem die anhaltende globale Nachfrageschwäche in der Industrie, die auch durch eine baldige Zinssenkung kaum angekurbelt werden kann. Aber auch der private Konsum entwickelt sich schwächer als erwartet, da viele durch hohe Preisniveaus, geopolitische Unsicherheiten und die fehlende Zuversicht, zunehmend verunsichert sind. Auch hier helfen sinkende Zinsen nur bedingt.

In den USA hingegen stellt sich die Frage nach der Stärke der konjunkturellen Abkühlung. Zwar ist das Basisszenario weiterhin eine moderate Wachstumsschwäche, allerdings wird eine Rezession nicht ausgeschlossen. Selbst wenn EZB und Fed weiter langsam die Zinsen senken, bleibt vorerst eine restriktive geldpolitische Ausrichtung erhalten. Daher werden Anleger die konjunkturellen Perspektiven weiter im Blick behalten. Solange keine klaren Anzeichen einer Wachstumsbelebung in Europa oder China sowie mehr Sicherheit über den Zustand der US-Wirtschaft vorliegt, sind neue Höchststände unrealistisch.

Ein Kommentar von Carsten Mumm

Er ist Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel. Das Traditionshaus mit Sitz in Hamburg und München setzt auf qualifizierte und umfassende Beratung für vermögende Privatkunden, Unternehmer, Immobilienkunden und institutionelle Kunden.

 

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Bildquelle: Donner & Reuschel