Wachablösung in der Automobilindustrie

Während sich die weltweite Automobilbranche derzeit versucht, auf gravierende Markveränderungen wie die Elektromobilität oder das Autonome Fahren einzustellen, verschieben sich die Kräfteverhältnisse massiv.

(Bildquelle: Pressefoto Tesla)

Während sich die weltweite Automobilbranche derzeit versucht, auf gravierende Markveränderungen wie die Elektromobilität oder das Autonome Fahren einzustellen, verschieben sich die Kräfteverhältnisse massiv, sowohl regional als auch im Hinblick auf die Machtverhältnisse zwischen neuen und traditionellen Branchen-Playern.

„Das alte Europa“ wurde 2003 zum Wort des Jahres. Verwendet hatte es der damalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Es ging unter anderem darum, die ablehnende Haltung einige „alter“ europäischer Staaten wie Deutschland und Frankreich gegenüber dem Irakkrieg herauszustellen, während Länder des „neuen“ Europas wie Polen den Einmarsch der USA in den Irak unterstützten. Heutzutage könnte man wiederum von der „alten Automobilindustrie“ sprechen. Zwar geht es hier nicht um die Frage von Krieg und Frieden, allerdings bahnt sich seit geraumer Zeit eine Wachablösung an.

Die „alte“ Autobranche gerät unter Druck

Besonders sichtbar wurden die neuen Kräfteverhältnisse unter den Automobilwerten an der Börse am 10. September 2024. BMW hatte die Autobranche gerade mit einer Prognosesenkung geschockt. Statt 8 bis 10 Prozent, traut man sich im laufenden Geschäftsjahr 2024 nur noch eine EBIT-Marge von 6 bis 7 Prozent zu. Schuld daran waren ein Rückruf und Verzögerungen bei den Auslieferungen von Autos infolge eines Problems mit dem Bremssystem eines Zulieferers sowie vor allem Absatzprobleme in China. Dies führte dazu, dass die BMW-Aktie an diesem Tag regelrecht einbrach und mit einem Tagesminus von rund 11,5 Prozent aus dem Handel ging.

BMW, VW & Co haben vor allem in China mit neuen Herausforderungen zu kämpfen. (Bildquelle: Pressefoto BMW AG)

Am gleichen Tag verloren die Aktien von Volkswagen und Mercedes-Benz 3,3 bzw. 4,9 Prozent an Wert. Auch bei den US-Branchengrößen Ford und General Motors waren deutliche Kursrückgänge zu beobachten. Die Aktie von GM schloss 5 Prozent tiefer, während Ford etwas mehr als 3 Prozent an Wert einbüßte. Die Kursschwächen bei BMW (WKN: 519000 / ISIN: DE0005190003), Volkswagen (WKN: 766403 / ISIN: DE0007664039) und Mercedes-Benz (WKN: 710000 / ISIN: DE0007100000) sowie GM und Ford hatte unterschiedliche Gründe, waren jedoch auch Ausdruck eines Wandels. Wells Fargo-Analyst Colin Langan hatte sowohl im Fall der Ford-Aktie als auch bei den Anteilsscheinen von GM das Kursziel gesenkt.

Es ging um jeweils 1 US-Dollar auf 9 (Ford) und 33 US-Dollar (GM) nach unten. Beide Aktien werden zudem mit „Underweight“ bewertet. Zur Begründung heißt es, dass die traditionellen US-Automobilhersteller im SUV-Sektor gegenüber ausländischen Konkurrenten an Boden verlieren würden. Die drei US-Hersteller aus Detroit seien in der Vergangenheit im SUV-Segment für den Massenmarkt führend gewesen, hätten seit 2010 jedoch rund 14 Prozent an Marktanteilen verloren. Auch bei VW sind die strukturellen Probleme groß.

Die Konkurrenz ist überall

Die Nachfrage nach Elektroautos ist schwach, außerdem herrscht ein erbittert geführter Preiswettbewerb. Tesla (WKN: A1CX3T / ISIN: US88160R1014) ist in den vergangenen Jahren durch mehrere Preissenkungsrunden aufgefallen und hatte zuletzt selbst Probleme damit, die Erwartungen an die Absätze zu erfüllen. Hinzu kommt der Umstand, dass insbesondere Player aus China nun auch auf den europäischen Markt drängen. BYD hatte Volkswagen auf dem chinesischen Automarkt unlängst von der Spitze verdrängt. Zudem haben die Wolfsburger mit zu hohen Kosten zu kämpfen, insbesondere in Deutschland.

Entsprechend soll der Sparkurs massiv verschärft werden. Inzwischen sind sogar lange Zeit undenkbare betriebsbedingte Kündigungen und auch Werksschließungen in Deutschland denkbar. So wurde beispielsweise die seit 30 Jahren geltende Beschäftigungssicherung aufgekündigt. Gleichzeitig wollen Betriebsrat und Gewerkschaft massiv gegen die Pläne des Managements vorgehen. Es bleibt daher abzuwarten, ob und in welchem Umfang die benötigten Sparmaßnahmen umgesetzt werden können.

Während die Krise bei VW zusätzlich zur Kursschwäche beim DAX-Wert gesorgt hatte, konnte die Tesla-Aktie am 10. September gegen den Strom schwimmen und knapp 5 Prozent an Wert zulegen. Ein wichtiger Grund dafür ist der Umstand, dass Tesla von einigen Marktteilnehmern nicht einfach nur als Automobilhersteller gesehen wird. Auch wenn sich die Tesla-Aktie in diesem Jahr nicht mit Ruhm bekleckern konnte, ist der Konzern an der Börse 725 Mrd. US-Dollar (umgerechnet 650 Mrd. Euro) wert. Zum Vergleich: Mercedes-Benz, Volkswagen und BMW bringen es derzeit zusammen auf 144 Mrd. Euro.

Tesla geht einen Sonderweg

Laut Deutsche Bank-Analyst Edison Yu ist Tesla im Grunde kein Automobilhersteller, sondern eher als Technologieplattform zu sehen, die versuchen würde, mehrere Branchen umzugestalten. Dies würde aus seiner Sicht eine „einzigartigen Bewertungsrahmen“ verdienen. Daher bestätigt er im Fall der Tesla-Aktie das „Buy“-Rating und das Kursziel von 295,00 US-Dollar. Aktuell würde dies einem Kurspotenzial von rund 30 Prozent entsprechen.

Zudem wird der Elektroautowert als „Top Pick“ bezeichnet. Kurzfristig seien die Auslieferungen/Margen im Automobilbereich tatsächlich schwächer gewesen, dies wird aber nur als vorübergehend angesehen, da neue Modelle/Auffrischungen bei älteren Fahrzeugen in der Pipeline seien. Langfristig sei Tesla ein aufstrebender Marktführer im Bereich des autonomen Fahrens (Robotaxis) und der humanoiden Roboter (Optimus), die einige der „klarsten und lukrativsten Anwendungen von End-to-End-KI“ darstellen würden.

Welche Ausmaße die Träumereien von Elon Musk rund um den zukünftigen Firmenwert angenommen haben, konnten Anleger einmal mehr auf der diesjährigen Hauptversammlung sehen. Laut Musk könne das Geschäft mit humanoiden Robotern die Marktkapitalisierung des Unternehmens auf 25 Billionen US-Dollar steigern. Wann genau dies möglich sei, sagte er jedoch nicht.

Wesentlich greifbarer und aktueller ist dagegen das Geschäft mit der Energiespeicherung aufgrund des KI-Booms und des Vormarsches Erneuerbarer Energien. Deutsche Bank-Analyst Yu ist der Ansicht, dass das Energiespeichergeschäft des Unternehmens eine vielversprechende Wachstumschance darstellen würde. Er prognostiziert für diesen Bereich Umsätze von 13 Mrd. US-Dollar.

Das marktEINBLICKE-Fazit

Unternehmen wie Tesla sowie aufstrebende chinesische Hersteller wie BYD scheinen derzeit besser als die traditionellen Automobilhersteller auf die Veränderungen im Mobilitätsbereich vorbereitet zu sein.

Wer das Einzelaktien-Risiko vermeiden und nicht nur auf Tesla, sondern stattdessen auf die positive Kursentwicklung eines ganzen Aktienkorbs von Unternehmen setzen möchte, die in den Bereichen E-Mobilität, Akkus oder in der Lithium-Förderung aktiv sind, kann sich das Indexzertifikat (WKN: DA0AAU / ISIN: DE000DA0AAU2) auf den E-Mobilität Batterie Index anschauen. In diesem Index sind neben Tesla noch weitere Player aus diesen Branchen enthalten. Dazu zählen unter anderem BYD und der Lithium-Spezialist Albemarle.