Anfang dieser Woche fielen die Umfragen unter Unternehmen zu ihrer aktuellen und erwarteten Geschäftslage (HCOB-Einkaufsmanagerindizes) aus europäischer Sicht ernüchternd aus:
- Regelrecht abgestürzt ist die Unternehmensstimmung in Frankreich – nach einer kurzen Verbesserung während der Olympischen Spiele.
- Doch auch in Deutschland, Großbritannien und auf Ebene der Eurozone gaben die Indizes nach. Während die Stimmungslage bei vielen Dienstleistern zumindest noch eine künftige Ausweitung der Produktion anzeigt, stieg der anhaltende Pessimismus im Verarbeitenden Gewerbe weiter an.
- Entsprechend sackte auch das ifo-Geschäftsklima erneut ab, wobei die aktuelle Lage von den befragten Unternehmen so schlecht eingestuft wird, wie zuletzt im Sommer 2020.
- Im Laufe der Woche dürfte auch die Veröffentlichung des GfK-Konsumklimas für Deutschland die zuletzt sehr schwach ausgeprägte Konsumbereitschaft unterstreichen. Die Wahrscheinlichkeit für ein negatives gesamtwirtschaftliches Wachstum im dritten nach der Schrumpfung im zweiten Quartal ist für die deutsche Volkswirtschaft damit hoch.
- Zumindest für die exportorientierte Industrie bringt die Leitzinssenkung in China einen kleinen Hoffnungsschimmer, wenngleich weitere staatliche Stimuli erfolgen müssen, um die anhaltende Nachfrageschwäche anzukurbeln und das von der chinesischen Regierung gesteckte Ziel von 5 Prozent Wachstum im laufenden Jahr zu erreichen.
Vor diesem Hintergrund verwundert, dass in den USA und in Deutschland die Indizes der größten börsennotierten Unternehmen, der DAX und der S&P 500, kürzlich auf neue Allzeithöchststände angestiegen sind. Auch der EURO STOXX 50, der Index der größten Aktiengesellschaften der Eurozone, notiert nahe neuer Rekordniveaus. Allerdings werden viele Indizes von nur wenigen Aktien getrieben. So ist beim DAX allein SAP für rund ein Drittel der Jahresperformance verantwortlich.
In den USA sind es vor allem einige große Technologieunternehmen, die eine weit überdurchschnittliche Wertentwicklung vorzuweisen haben. Zudem wurden die Börsenkurse durch die Hoffnung auf sinkende Zinsen unterstützt. Dabei betonen sowohl die EZB als auch die US-Notenbank Fed, eine künftig weiterhin datenabhängige Geldpolitik umzusetzen. So richtet sich der Fokus der USA in dieser Woche auf die PCE-Preisdaten für August. Diese sind für die Fed maßgeblich, denn sie bilden die für US-Verbraucher relevanten Preissteigerungen gut ab und lagen zuletzt näher an der angestrebten Zielmarke von 2 Prozent.
In der Eurozone mehren sich die Anzeichen, dass die schwache gesamtwirtschaftliche Nachfrage Preiserhöhungsspielräume der Unternehmen deutlich einschränkt. Daher steigt die Wahrscheinlichkeit für weiter sinkende Leitzinsen im Oktober (EZB) bzw. Anfang November (Fed). Mit Blick auf die Aktienbörsen dürften Zinssenkungen allein allerdings nicht reichen, um die Kurse nennenswert weiter zu treiben. Wichtiger sind klare Anzeichen einer konjunkturellen Belebung in Europa und China bzw. die weitere Aussicht auf eine nur leichte Konjunkturabkühlung in den USA. Denn anhaltend schwaches Wachstum dürfte trotz sinkender Refinanzierungskosten früher oder später negativ auf die Unternehmensgewinne durchschlagen.
Ein Kommentar von Carsten Mumm
Er ist Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel. Das Traditionshaus mit Sitz in Hamburg und München setzt auf qualifizierte und umfassende Beratung für vermögende Privatkunden, Unternehmer, Immobilienkunden und institutionelle Kunden.
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