Big in Japan

Der Sommer-Crash an der Tokioter Börse ist längst vergessen. Über Japans Konjunktur geht wieder die Sonne auf.

(Bildquelle: unsplash / Sorasak)

Der Sommer-Crash an der Tokioter Börse ist längst vergessen. Getragen von einer überwundenen Endlos-Deflation bei dennoch üppiger Geldpolitik sowie fundamentalen und geopolitischen Aufhellungen treten japanische Aktien im Trend weiter aus ihrem jahrzehntelangen Schattendasein heraus. Nicht zuletzt spielen umfangreiche Strukturreformen der Unternehmen eine große Rolle, die schlummernde Potenziale wecken werden.

Über Japans Konjunktur geht wieder die Sonne auf

Aktuell wirken die zähe Weltkonjunktur und das lahmende China bremsend auf die exportsensitive japanische Wirtschaft. Und sollte ein US-Präsident Trump mit seinen Zolldrohungen auch gegenüber Japan ernst machen, blieben Reibungsverluste nicht aus. Doch will Japan eine sich gegenseitig hochschaukelnde Zollspirale, die auch auf binnenwirtschaftliche Wirtschaftssektoren ausstrahlt, unter allen Umständen verhindern. Insofern ist Japan zu Zugeständnissen bereit, die sicherlich schmerzhaft für seine Wirtschaft sind.

Immerhin verfügt Japan perspektivisch über eine Sonderkonjunktur und profitiert von der Ansiedlung von Produktionsstätten für Halbleiter sowie weiterer Vorprodukte, die westliche Firmen zur Abhängigkeitsverringerung von China wegverlagern. Nicht zuletzt führen Neuinvestitionen zu volkswirtschaftlichen Produktivitätssteigerungen.

Daneben ist Japan mit positiven Rückkopplungen zwischen steigenden Löhnen und Preisen der langjährigen Deflationsfalle entkommen. Wieder steigende Preise wirken der Konsumzurückhaltung entgegen, da es nicht mehr billiger wird. Tatsächlich arbeitet sich das Konsumentenvertrauen aus seiner Anämie heraus.

Auch geht die Neuverschuldung zur japanischen Konjunkturförderung munter weiter, unabhängig wer demnächst die Regierung stellt. An der Modernisierung der Infrastruktur, der Ausweitung der Verteidigungsausgaben und dem Problem der Überalterung wird in Japan im Gegensatz zur Eurozone und insbesondere Deutschland nicht mehr gespart.

Die Bank of Japan bleibt der Fels in der Zins-Brandung

Gemäß IWF-Schätzungen erreicht Japans Staatsverschuldung Ende 2024 deutlich mehr als das Doppelte (konkret: 254 Prozent) der Wirtschaftsleistung. Hinter vorgehaltener Hand kann die Bank of Japan also kein Interesse an wirklicher Stabilitätspolitik haben. Vielmehr ist sie zur Inflationstoleranz gezwungen, um künstliche Entschuldung über Preissteigerungen zu nutzen. Über homöopathische Zinserhöhungen trägt sie ebenso zur beabsichtigten Yen-Schwächung bei, die über importierte Inflation auch zukünftig die Deflation bekämpft.

Ebenso hält die Bank of Japan weiter ihren Daumen auf den Anleiherenditen. Insofern bleibt sie ihrer Funktion als Liquiditätsmaschine der Welt – Geldaufnahme zu günstigen Yen-Wechselkursen und billigen Zinsen und Anleiherenditen sowie Anlage in höherrentierliche weltweite Investments – treu. Im Gegensatz dazu zeigen sich Fed und EZB in puncto Liquiditätsabzug deutlich strenger mit allen Konsequenzen für die Anleiherenditen.

Insgesamt war der sommerliche Volatilitäts-Schock an den Währungsmärkten durch die Mini-Leitzinserhöhung von 0,1 auf 0,25 Prozent mit massiven Wertverlusten für japanische (Export-)Aktien der Tokioter Zentralbank eine Lehre. Zukünftig wird sie behutsam agieren und eine grundsätzlich lockere Geldpolitik beibehalten.

Wieder mehr positiver Fundamentalismus in Japan

Aufgrund der Yen-Schwäche werden die japanischen Unternehmensgewinne anhaltend „inflationiert“.

Längerfristig fördert insbesondere die von der japanischen Finanzaufsicht eingeleitete Entflechtung von Großkonglomeraten zur Verbesserung der Transparenz, Wettbewerbsoffenheit und des Einsatzes von Finanzmitteln die Gewinnaussichten japanischer Unternehmen. Diese Hebung von Potenzialen zeigte sich auch nach der „Entknäuelung“ der Deutschland AG Anfang des Jahrhunderts.

Auf 12-Monats-Sicht ist das erwartete Gewinnwachstum im japanischen Topix mindestens stabil.

Dennoch wird der japanische Aktienmarkt mit einem ordentlichen Bewertungsabschlag zum Welt-Aktienmarkt gehandelt. Auch im historischen Vergleich sind die dortigen Unternehmen nicht überteuert, was zumindest für eine Annäherung spricht.

Das gleiche Bild zeigt sich selbst bei den durchschnittlichen Gewinnrenditen in Japan, die abzüglich der Staatsanleiherendite weit über denen der USA sowie der Eurozone liegen. Auch dies deutet auf weitere Kurschancen japanischer Aktien und Nachholpotenzial zu US-Titeln hin, nicht zuletzt zur Risikodiversifizierung gegenüber den bekannten High Tech-Titeln.

Ausländische Aktien-Investoren aus dem Euro- oder Dollar-Raum kostete die Yen-Schwäche in den vergangenen Jahren allerdings ordentlich Performance. Immerhin, die fortgesetzten Zinssenkungen von EZB und Fed bremsen eine dramatische Yen-Schwäche ab.

Vor diesem Gesamthintergrund ist die japanische Aktien-Rallye längerfristig noch nicht am Ende.

Marktlage – Trotz Wahlunsicherheit keine Halloween-Stimmung bei Aktien

Gemäß aktueller US-Wahlumfragen wird die Luft für Kamala Harris im Rennen um die US-Präsidentschaft wieder dünner.

Und glaubt man dem Trend beim „early voting“, bei dem aktuell deutlich mehr registrierte Republikaner als Demokraten die Möglichkeit zur Stimmabgabe vor dem eigentlichen Wahltag nutzen, besteht die Chance, dass Trump die Wahl gewinnt. Aufgrund des Mehrheitswahlrechts und den gerne schwingenden swing states ist es aber too close to call, um saubere Prognosen abzugeben. Das gilt auch für die gleichzeitig stattfindenden Wahlen im Senat und Repräsentantenhaus.

Scheinbar positionieren sich Investoren jedoch für eine zweite Amtszeit von Donald Trump. Seine Wirtschaftsagenda der Deregulierung, Steuererleichterungen und des verstärkten Protektionismus bei weiterhin munterer Schuldenmania zur nationalen Wirtschaftsförderung kommt an der Börse gut an.

Jedoch, die Befürchtungen einer über US-Importzölle politisch angefachten Re-Inflationierung schlagen sich in abgeschwächten Zinssenkungserwartungen und steigenden Renditen von US-Staatsanleihen nieder. Diese stehen aktuell sogar höher als vor der „großen“ Zinssenkung der Fed im September.

Doch auch bei einem Wahlsieg von Kamala Harris muss einem um den US-Aktienmarkt nicht bange sein. Die Konjunkturförderung wird auch von ihr verfolgt. Wirtschaftsfeindlichkeit hat in Amerika keine Chance. Und ihre Steuererhöhungs- und Regulierungsmaßnahmen müssen den Kongress passieren, wo sie rasiert werden. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass es in Amerika keinen Fraktionszwang gibt, d.h. man folgt der Linie des Präsidenten/ der Präsidentin nicht unbedingt.

Diese grundsätzlich positive Konjunkturfantasie überstrahlt die weniger optimistischen Zinsvisionen. Tatsächlich, bereits jetzt signalisiert der von Citigroup herausgegebene Economic Surprise Index, der die Abweichung veröffentlichter Konjunkturdaten von den zuvor getroffenen Analysteneinschätzungen misst, dass die US-Wirtschaft wieder eindeutig positiv überrascht.

Dies kommt insbesondere Substanzwerten aus der zweiten US-Aktienreihe zugute. Diese im Russell 2000 gelisteten Unternehmen erwirtschaften im Durchschnitt rund 80 Prozent ihrer Umsätze in Nordamerika. Und für sie wird 2025 ein Gewinnwachstum von fast 50 Prozent erwartet. Das schlägt sich in einer klaren Outperformance zu europäischen Mittelstandsaktien nieder, die wirtschaftspolitisch weniger gefördert werden.

Die großen Tech-Unternehmen sind für Anleger damit nicht mehr alternativlos. Allerdings bleibt Big Tech angesichts nachhaltiger Geschäftsmodelle rund um das Mega-Thema Digitalisierung und KI grundsätzlich en vogue. Hohe Bewertungen werden aber gerne für zwischenzeitliche Gewinnmitnahmen genutzt.

Grundsätzlich erweisen sich die Aktienrückkaufprogramme wie bereits in der Vergangenheit als Stütze an Wall Street, die im bisherigen Jahresverlauf 2024 mit einem Volumen von 988 Mrd. US-Dollar auf Rekordhoch liegen.

Sentiment und Charttechnik DAX – Alle Augen auf die US-Wahl

Aus Sentimentsicht legt die Aktien-Rallye eine Verschnaufpause ein. Schließlich hatte der DAX zuletzt über 2.000 Punkte hinzugewonnen und damit einiges an Vorschusslorbeeren eingepreist. Auch der nachlassende Überhang der Optimisten unter US-Anlegern stimmt zunächst vorsichtig. Damit steigt das Risiko vorübergehender Gewinnmitnahmen, die aber auch gesund sind.

Sie bieten aber, da sie die längerfristig attraktiven Marktbedingungen nur zeitweise verdecken, günstige Einstiegsgelegenheiten. Mindestens sollten Anleger ihre Aktiensparpläne fortsetzen.

Nimmt der DAX seine Aufwärtsbewegung wieder auf, trifft er zunächst bei 19.100 und 19.257 Punkten auf Widerstände. Werden diese überwunden, folgen weitere Barrieren bei 19.330 und 19.352. Bei weiteren Rücksetzern liegen Unterstützungen bei 18.970, 18.910, 18.895 und 18.814 Punkten.

RobertHalverEin Beitrag von Robert Halver.

Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.roberthalver.de/Newsletter-Disclaimer-725.

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