Die Finanzierung einer Immobilie ohne den Einsatz von Eigenkapital, also eine 100-Prozent-Finanzierung, klingt für viele attraktiv. Besonders in Zeiten hoher Immobilienpreise und niedriger Zinsen scheint dieser Weg verlockend, da er ermöglicht, Eigentum zu erwerben, ohne auf angespartes Vermögen zurückzugreifen. Doch bevor sich Kaufinteressierte für eine solche Finanzierung entscheiden, gibt es einige wichtige Aspekte zu beachten.
Was bedeutet eine 100-Prozent-Finanzierung?
Bei einer klassischen Immobilienfinanzierung bringen Käufer in der Regel Eigenkapital in die Finanzierung ein, um die Finanzierungssumme zu reduzieren und bessere Konditionen zu erhalten. Eine 100-Prozent-Finanzierung hingegen deckt den gesamten Kaufpreis der Immobilie ab, ohne dass Eigenkapital eingebracht wird.
Manchmal gibt es sogar 110-Prozent-Finanzierungen, die auch die Erwerbsnebenkosten – wie Notarkosten, Grunderwerbsteuer und Maklergebühren – abdecken. Eine solche Finanzierung ermöglicht es also, eine Immobilie vollständig durch ein Darlehen zu erwerben, was gerade für junge Menschen oder Käufer ohne größere Ersparnisse interessant ist.
„100-Prozent-Finanzierungen eignen sich für Menschen mit hohem, gesichertem Einkommen“, stellt Interhyp-Vertriebsvorständin Mirjam Mohr fest. „Auch können sie eine Option sein für Kreditnehmer, die zwar auf der einen Seite Eigenmittel besitzen, es sich dabei jedoch um Wertpapiere oder andere Vermögenswerte handelt, die durch den Verkauf einen Verlust realisieren würden. In diesem Fall kann es rein rechnerisch sinnvoll sein, den Verkauf nicht durchzuführen und demzufolge solche Finanzierungen zu beanspruchen.“
Vorteile einer 100-Prozent-Finanzierung
Der größte Vorteil einer 100-Prozent-Finanzierung liegt auf der Hand: Käufer benötigen kein Eigenkapital und können dennoch eine Immobilie erwerben. Das bedeutet, dass auch diejenigen, die bisher wenig sparen konnten, die Chance auf Eigentum erhalten und nicht erst viele Jahre lang Eigenkapital ansparen müssen. Gerade in Zeiten steigender Immobilienpreise kann dies sinnvoll sein, da sich die Käufer bei einer frühzeitigen Finanzierung gegen zukünftige Preissteigerungen absichern.
Mirjam Mohr sagt: „Das A und O für eine gelungene Finanzierung ist eine individuelle Finanzierungsberatung. Wichtig ist es, sich nicht auf das Bauchgefühl zu verlassen, denn oft ist mehr möglich, als man zunächst gedacht hat.“
Zudem kann eine 100-Prozent-Finanzierung in manchen Fällen auch steuerliche Vorteile bieten, beispielsweise wenn die Immobilie als Kapitalanlage dient. Die Zinsen für das Darlehen können dann steuerlich geltend gemacht werden, was die finanzielle Belastung reduziert.
Es gibt auch Risiken bei einer 100-Prozent-Finanzierung
Trotz dieser Vorteile sollten sich Interessierte über die Risiken und Nachteile einer 100-Prozent-Finanzierung bewusst sein. Da die Bank das gesamte Kaufpreisrisiko trägt, sind die Kreditkosten bei einer solchen Finanzierung in der Regel höher. Die Banken sichern sich gegen das höhere Risiko ab, indem sie einen höheren Zinssatz verlangen.
So ist die monatliche Belastung oft spürbar höher als bei einer Finanzierung mit Eigenkapital. „Kaufinteressierte sollten wissen, dass die Gesamtkosten durch die höheren Zinsen über die Jahre deutlich ansteigen können,“ heißt es beim Finanzierungsprofi Dr. Klein.
Ein weiteres Risiko besteht darin, dass eine 100-Prozent-Finanzierung länger dauert, um den Kredit vollständig abzuzahlen. Da keine anfängliche Eigenkapitaltilgung erfolgt, erstreckt sich die Laufzeit des Darlehens oft über viele Jahre hinweg, was die Gesamtzinsen zusätzlich erhöht.
Sollte es zu einem Wertverlust der Immobilie kommen, könnte die Restschuld höher sein als der tatsächliche Marktwert der Immobilie – ein Umstand, der im Fachjargon als „Unterdeckung“ bezeichnet wird. Das bedeutet, dass die Immobilie beim Verkauf möglicherweise nicht mehr den Kredit abdeckt.
Welche Voraussetzungen sollten erfüllt sein?
Nicht jeder Kreditnehmer kommt automatisch für eine 100-Prozent-Finanzierung infrage. Banken prüfen bei dieser Finanzierungsform besonders genau die Bonität des Antragstellers und legen großen Wert auf ein sicheres Einkommen. „Ein festes, dauerhaftes Einkommen ist bei einer 100-Prozent-Finanzierung oft Voraussetzung, da die Bank das hohe Risiko mit einer ausreichenden Kreditwürdigkeit ausgleichen möchte,“ erläutert ein Experte bei Dr. Klein.
„Es wird natürlich sorgfältig auf die Bonität, zusätzliche Sicherheiten oder das Arbeitsverhältnis (unbefristet, sicherer Arbeitsplatz) des Antragsstellers geschaut. Auch Nachweise zum energetischen Zustand sowie die Lage der zu finanzierenden Immobilie sind sehr wichtig“, erklärt Mirjam Mohr.

„Wir sehen aber nicht, dass die Ablehnungsquoten seitens der Banken aufgrund einer schärferen Regulatorik zuletzt deutlich gestiegen sind. Hohe Beleihungsausläufe sind nach wie vor möglich, sofern die Anforderungen im Hinblick auf Bonität und Gebäudezustand passen“, so Mohr weiter.
Auch sollte die monatliche Rate langfristig tragbar sein. Kreditnehmer sollten sich im Klaren sein, dass die monatliche Belastung auch in finanziell schwierigen Zeiten zu stemmen ist. Ein Sicherheitsnetz in Form einer entsprechenden Absicherung – wie einer Berufsunfähigkeits- oder Risikolebensversicherung – kann dabei helfen, die Rückzahlung auch in unvorhergesehenen Fällen zu gewährleisten.
Zudem empfiehlt die Interhyp-Vorständin, Sondertilgungen mit der Bank zu vereinbaren, wenn zum Beispiel eine Erbschaft ansteht oder eine Versicherung fällig wird. Dann ist man schneller mit der Abzahlung des Kredits fertig.
Wann kann eine 100-Prozent-Finanzierung sinnvoll sein?
Eine 100-Prozent-Finanzierung kann vor allem dann sinnvoll sein, wenn ein stabiler Immobilienmarkt und ein gesichertes Einkommen vorhanden sind. Beispielsweise kann sie für junge Menschen interessant sein, die zwar ein sicheres Einkommen, aber noch keine großen Rücklagen haben.
Auch für Käufer, die in Regionen mit steigenden Immobilienpreisen wohnen, kann eine frühzeitige Finanzierung ohne Eigenkapital die bessere Option sein, da sie die Immobilie sofort erwerben und damit von möglichen Wertsteigerungen profitieren.
Für Kapitalanleger kann eine 100-Prozent-Finanzierung ebenfalls attraktiv sein, sofern die Mieteinnahmen die monatliche Kreditrate decken. In diesem Fall profitiert der Investor davon, dass das Darlehen steuerlich absetzbar ist, während die Immobilie im Idealfall an Wert gewinnt.
Vier Tipps für Immobilien-Interessierte zur 100-Prozent-Finanzierung
- Angebote vergleichen: Verschiedene Banken haben unterschiedliche Anforderungen und Konditionen. Ein Vergleich kann helfen, das günstigste Angebot zu finden.
- Sich über Risiken bewusst sein: Eine 100-Prozent-Finanzierung ist langfristig teurer. Überlegen Sie genau, ob die monatliche Belastung tragbar ist und für Sie persönlich in Frage kommt.
- Reserve für Nebenkosten: Selbst wenn keine Eigenkapitalanforderung besteht, sollten Käufer versuchen, zumindest die Kaufnebenkosten aus eigener Tasche zu zahlen. Dies verbessert die Kreditwürdigkeit und kann bessere Konditionen bringen.
- Alternative Absicherungen: Eine Berufsunfähigkeits- oder Risikolebensversicherung ist empfehlenswert, um die Rückzahlung auch im Falle einer plötzlichen Einkommensminderung zu sichern.
Das marktEINBLICKE-Fazit
Eine 100-Prozent-Finanzierung bietet durchaus auch ohne Eigenkapital die Möglichkeit, den Traum vom Eigenheim zu verwirklichen. Dennoch sollte diese Finanzierungsform nicht leichtfertig gewählt werden. Die höheren Zinsen und das Risiko, bei einem möglichen Wertverlust der Immobilie auf einer Restschuld sitzen zu bleiben, machen eine genaue Planung und realistische Einschätzung der eigenen finanziellen Lage erforderlich.
Mit einer stabilen finanziellen Basis und einer wohlüberlegten Planung kann eine 100-Prozent-Finanzierung jedoch eine attraktive Möglichkeit sein, um den Weg zum Eigenheim ohne langes Ansparen zu beschreiten. Bei der Interhyp gibt es dazu nüchterne Zahlen:
„Finanzierungen mit 100 Prozent Beleihungsauslauf machen seit Jahresbeginn 2024 rund 11 Prozent aller über Interhyp abgeschlossenen Finanzierungen aus (2023: 9 Prozent). Schaut man sich die vergangenen 10 Jahre an, bewegt sich der Anteil der Finanzierungen mit 100 Prozent Beleihungsauslauf konstant zwischen 9 und 12 Prozent“, erläutert Mirjam Mohr. „Wir sehen einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Kapitalanlegern (37 Prozent) in diesem Segment (2023: 32 Prozent, 2022: 31 Prozent).“






