Kunst – die vergebene Chance

In einer Welt, die von Zahlen, Benefits und Work-Life-Balance-Versprechen überschwemmt wird, gibt es einen eher subtilen Weg, Talente zu gewinnen: Kunst.

(Bildquelle: unsplash / Redd F)

Man kann es kaum leugnen: Die Zeiten haben sich gewandelt. Noch vor ein paar Jahren glich die Arbeitssuche einem Spießrutenlauf, bei dem Bewerber mühsam ihren Lebenslauf polierten und sich mit schweißnassen Händen durch Vorstellungsgespräche kämpften. Heute sind die Vorzeichen oft umgekehrt. In Zeiten des Fachkräftemangels bewerben sich Unternehmen bei den Talenten, und dabei wird jedes Mittel genutzt, um aufzufallen. Doch in einer Welt, die von Zahlen, Benefits und Work-Life-Balance-Versprechen überschwemmt wird, gibt es einen eher subtilen Weg, Talente zu gewinnen: Kunst.

Kunst in Unternehmen hat sich längst von der „netten Dekoration“ abgelöst. Sie ist nicht nur ein Mittel, um karge Wände zu schmücken oder sterile Büroatmosphären aufzubrechen. Sie kann viel mehr sein – ein Signal, ein Statement. Denn wer durch die Flure eines Unternehmens streift, das seine Räume mit sorgfältig ausgewählter Kunst bestückt, bekommt einen Eindruck von der Kultur, die dort herrscht. Kunst schafft Identifikation und reflektiert die Werte, für die ein Unternehmen steht. Und gerade für die Generationen Y und Z, die zunehmend nach Sinn und Authentizität in ihrer Arbeit streben, kann das ein entscheidendes Argument sein.

Funktioniert die Theorie, dass jemand einen Arbeitsplatz nur deshalb wählt, weil dort schöne Bilder hängen? Natürlich nicht vollumfänglich. Aber Kunst hat die Kraft, das Unsichtbare sichtbar zu machen – die Identität eines Unternehmens, das Kreative und Innovative. Kunst ist ein Ausdruck von Offenheit und Wertschätzung gegenüber neuen Ideen und Perspektiven. Sie zeigt, dass ein Unternehmen bereit ist, über den Tellerrand zu schauen, Raum für Kreativität zu geben und damit auch seinen Mitarbeitern diese Offenheit entgegenbringt.

Kunst schafft Verbindung – nicht nur zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sondern auch zwischen ihnen und dem Unternehmen selbst. Eine Skulptur, die in der Kantine steht, oder eine Gemäldeserie im Konferenzraum kann zum Gesprächsanlass werden, Barrieren abbauen und Ideen fördern. Unternehmen, die Kunst ernst nehmen, zeigen, dass sie das menschliche Bedürfnis nach Kreativität und Ästhetik verstehen und schätzen. Das bedeutet, dass sie auch den einzelnen Menschen in ihrer Einzigartigkeit und ihrem Potenzial wahrnehmen. Es ist eine stille, aber wirksame Form von Wertschätzung.

Außerdem fördert Kunst im Unternehmen die Innovationsfähigkeit. Ein Büro voller Einheitsgrau mag zwar praktisch sein, inspiriert aber wohl kaum zu außergewöhnlichen Ideen. Kunst hingegen regt die Sinne an, fordert heraus, provoziert vielleicht auch – all das, was für kreative Prozesse und innovative Lösungen entscheidend ist. Man ist geneigt zu sagen, Kunst würde auch in den Räumlichkeiten der öffentlichen Verwaltung im wahrsten Sinne ein gutes Bild abgeben. In einem Zeitalter, in dem geistige Flexibilität und Kreativität immer mehr an Bedeutung gewinnen, kann Kunst also eine entscheidende Rolle spielen.

Die Frage ist nicht, ob Kunst allein neue Mitarbeiter anzieht, sondern wie sie in Kombination mit anderen Faktoren ein entscheidender Baustein im Employer Branding sein kann. In einer Welt, in der Talente knapp und Ansprüche hoch sind, kann Kunst den Unterschied machen – indem sie ein Zeichen setzt für Offenheit, Kreativität und eine moderne Unternehmenskultur. Sie ist der stille, aber kraftvolle Magnet, der Menschen anzieht, die mehr als nur einen Arbeitsplatz suchen. Sie suchen einen Ort, an dem sie inspiriert werden und ihre besten Ideen verwirklichen können.

Man mag das als pseudo-intellektuelle Überlegungen abtun – ich kenne diesen Diskurs aus der Praxis –, die Wissenschaft beweist aber das Gegenteil. Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen mittlerweile, dass Kunst weit mehr ist als nur Zierde: Sie steigert die Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, fördert ihre Kreativität und wirkt sich letztlich positiv auf den wirtschaftlichen Output eines Unternehmens aus. Doch wie genau entfaltet Kunst ihre Wirkung auf den Arbeitsplatz – und warum sollten Unternehmen dies ernst nehmen?

Kunst wirkt auf den Menschen – das ist nicht nur eine subjektive Wahrnehmung, sondern wissenschaftlich belegt. Eine Studie der University of Exeter zeigte, dass Mitarbeitende in Büros, die ästhetisch ansprechend gestaltet sind, produktiver und zufriedener sind als in kargen, funktionalen Umgebungen. Die Forscher fanden heraus, dass der Gestaltungsspielraum, den Kunst bietet, die Autonomie und das Wohlbefinden der Beschäftigten steigert. Dabei sind nicht nur Gemälde an den Wänden entscheidend, sondern auch skulpturale Elemente und die allgemeine Raumgestaltung.

Dieser Anstieg an Wohlbefinden führt zu einem messbaren Anstieg an Motivation. Menschen, die sich in ihrer Umgebung wohlfühlen und von visuellen Reizen inspiriert werden, arbeiten engagierter und fühlen sich mehr mit ihrem Arbeitsplatz verbunden. Zufriedenheit und Motivation sind schließlich zwei der wichtigsten Treiber für langfristige Produktivität.

Kreativität ist in vielen Berufen das Öl im Getriebe. Doch woher kommt sie eigentlich? Die Forschung legt nahe, dass Kreativität in einem Kontext von Offenheit, Neuartigkeit und inspirierender Umgebung gedeiht. Eine Untersuchung der Drexel University in Philadelphia zeigte, dass Kunstbetrachtung im Gehirn Prozesse anregt, die für divergentes Denken – eine Schlüsselkomponente der Kreativität – entscheidend sind. Das heißt, Kunst regt dazu an, neue Verbindungen zu knüpfen, außerhalb festgelegter Denkstrukturen zu denken und innovative Lösungen zu finden.

Interessant ist dabei die Art und Weise, wie Kunst ihre Wirkung entfaltet: Sie fordert unser Gehirn heraus, das Bekannte zu hinterfragen und sich dem Unbekannten zu öffnen. Dies schafft nicht nur eine kreative Stimmung im Raum, sondern regt das Denken in neuen Bahnen an. In einer Welt, in der innovative Ideen den Wettbewerb bestimmen, kann dies der entscheidende Vorteil sein. Unternehmen, die Kunst bewusst einsetzen, schaffen ein Umfeld, das kreatives Denken begünstigt – und das zahlt sich aus.

Der Zusammenhang zwischen kreativen Arbeitsprozessen und wirtschaftlichem Erfolg ist längst erwiesen. Eine Studie der Harvard Business Review fand heraus, dass Unternehmen mit einer ausgeprägten „Kreativkultur“ in der Lage sind, schneller auf Marktveränderungen zu reagieren, innovative Produkte zu entwickeln und sich langfristig besser im Wettbewerb zu behaupten. Kunst im Unternehmen kann hier als Katalysator wirken, indem sie ein kreatives und innovatives Arbeitsumfeld schafft. Eine um 15 Prozent gestiegene Arbeitsleistung ist durch Studien mehrfach nachgewiesen worden. Die durch Kunst geförderte Kreativität sorgt dafür, dass Mitarbeiter sich nicht nur motivierter, sondern auch kognitiv angeregt fühlen – und dies spiegelt sich direkt im Unternehmenserfolg wider.

Eine Eingangsfrage zu diesem Beitrag hätte lauten können: Warum sollten Unternehmen Geld in Kunst investieren? Letztlich geht es der Geschäftsleitung darum, den wirtschaftlichen Output zu steigern. Die gute Nachricht ist also: Genau das tut Kunst. In einer Welt, in der Kreativität und Innovation zu den entscheidenden Erfolgsfaktoren gehören, sollten Unternehmen nicht zögern, Kunst zu kaufen, zu leasen oder zu mieten – nicht nur, weil sie schöner macht, sondern weil sie erfolgreicher macht. Vergeben Sie die Chance nicht, die Kunst Ihnen bietet.

Ein Beitrag von Arne von Neubeck

Er ist Gründer & Geschäftsführender Gesellschafter von The Global Fine Art. Das Augsburger Kunsthandelshaus verbindet die Leidenschaft für die Kunst mit der kaufmännischen Analyse von Kunstwerken.
www.tgfag.de

 

 

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