Chinas neue Mobilitätswelt

Tesla erweckt den Eindruck, der einzige Elektroautohersteller zu sein, der es mit der drohenden Übermacht aus China aufnehmen kann.

(Bildquelle: Pressefoto Byd)

Mit seinem Robotaxi-Event „We, Robot“ sowie der Vorstellung des Cybercabs und der Ankündigung des Robovans hat Tesla am 10. Oktober 2024 in Sachen autonomes Fahren ein neues Kapitel eingeläutet. Wenn es um Elektrofahrzeuge geht, scheint die Richtung bereits seit vielen Jahren vorgegeben zu sein. Dabei erweckt das von Elon Musk geleitete Unternehmen den Eindruck, der einzige Autohersteller zu sein, der es mit der drohenden Übermacht aus China und Unternehmen wie BYD (WKN: A0M4W9 / ISIN: CNE100000296) aufnehmen kann.

Zwischen dem 10. und 14. September 2024 fand sich das Who’s who des Aftermarket-Bereichs der weltweiten Automobilindustrie in Frankfurt ein. Anlass war die Fachmesse Automechanika. Die Veranstalter zählten am Ende etwa 4.200 Aussteller aus 80 Ländern. Diese präsentierten dort ihre Produktneuheiten und innovativen Lösungen für Handel, Werkstatt und Industrie. Die Trends in diesem Jahr waren: Elektrifizierung, Fahrzeugkonnektivität, Fahrerassistenzsysteme und Digitalisierung.

Dass gerade diese Trends dominierten ist wenig überraschend angesichts der Branchentrends der vergangenen Jahre, die in Richtung mehr Elektrifizierung und Digitalisierung deuten. Besonders deutlich wurde auch im Zuge dieser Veranstaltung, wo derzeit die Musik in der Autobranche spielt – China. Rund 860 oder etwas mehr als 20 Prozent der Aussteller kamen aus der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt und unlängst auch dem weltgrößten Automarkt.

Damit wird deutlich, welche Stellung sich die chinesischen Unternehmen bereits in den Lieferketten in der weltweiten Automobilindustrie erarbeitet haben. Dieser Anteil dürfte angesichts der staatlichen Unterstützung, ihres Kostenvorteils und der Geschwindigkeit, mit der diese Unternehmen ihre Produkte verbessern, weiter zunehmen. Ähnliches gilt im Hinblick auf die Entwicklung der Marktanteile bei den Autoherstellern. Allerdings ist sind es hier nicht nur die Unternehmen aus China, die eine entscheidende Wende repräsentieren.

Chinesischen Marken winkt bis 2030 ein Drittel des Weltmarktes

Vor nicht allzu langer Zeit war die Verteilung an den weltweiten Automobilmärkten einfach. Die größten und wichtigsten Autohersteller kamen aus Europa, den USA und Japan. Später kamen noch einige Hersteller aus Südkorea hinzu. All diese Hersteller drohen jedoch von den Branchenneulingen aus China abgehängt zu werden. Diese hatten sich lange Zeit auf den heimischen Markt konzentriert. Nun erobern sie jedoch immer mehr Automobilmärkte in den USA, Europa und anderen Schwellenländern. Die Beratungsgesellschaft AlixPartners schätzt im Rahmen ihrer Studie „Global Automotive Outlook“, dass chinesische Marken bis 2030 weltweit eine dominierende Kraft sein und neun Millionen Fahrzeuge außerhalb Chinas verkaufen werden, was einem globalen Anteil von 33 Prozent entsprechen würde.

Das Wachstum wird auf Kostenvorteile, lokalisierte Produktionsstrategien, die eine „Build-where-you-sell“-Strategie auf Märkten außerhalb Chinas ermöglichen würden, und auf hochtechnisierte Fahrzeuge zurückgeführt. Darüber hinaus ist Geschwindigkeit ein entscheidender Faktor geworden. Bei der Fahrzeugentwicklung fast man traditionellerweise einen Zeithorizont von rund 40 Monaten ins Auge. Laut AlixPartners haben es chinesische Elektro-Automobilhersteller geschafft, diese Entwicklungszeit auf etwa 20 Monate zu halbieren und damit „die Spielregeln für die Fahrzeugentwicklung über den Haufen geworfen“. Ein Grund, warum sie diesen Geschwindigkeitsvorteil erlangen konnten, ist das Konstruieren und Testen der Fahrzeuge, sodass diese die Normen erfüllen.

Die Modelle chinesischer Marken sind laut AlixPartners zwei bis drei Jahre „frischer“ als die nicht-chinesischer Marken und im Durchschnitt nur 1,6 Jahre auf dem Markt. Ein nicht zu unterschätzender Faktor bleiben die Kosten. Laut AlixPartners-Studie genießen die chinesischen Automobilhersteller einen Kostenvorteil von rund 35 Prozent gegenüber ihren westlichen Branchenkonkurrenten. Auf diese Weise haben sie einen enormen Spielraum, wenn es darum geht, im Preiswettbewerb, die Daumenschrauben anzuziehen oder mithilfe von Preissenkungen Effekte von Importzöllen wettzumachen. Dieser Vorteil wird auf niedrigere Arbeitskosten und eine stärkere vertikale Integration von den Rohstoffen über die Zulieferer und die Endmontage bis hin zum Verkauf an andere Automobilhersteller zurückgeführt. Schließlich setzen chinesische Hersteller noch stärker auf Direct-to-Consumer-Verkäufe. In Verbindung mit weiteren Kanälen für Marketing und Vertrieb würde dies zu einer höheren Kundenbindung führen.

Die Zukunft ist elektrisch und autonom

Brandy und Elektroautos haben zunächst wenig miteinander gemein. Wenn es um Handelsstreitigkeiten geht, können diese Warengruppen sehr wohl in einen Topf geraten. Anfang Oktober 2024 hatte die EU-Kommission den Weg für Strafzölle von bis zu 35,3 Prozent auf in China produzierte Elektroautos freigemacht. Als Reaktion darauf müssen nun Importeure relevanter Brandy-Sorten eine Kaution in Höhe von 30,6 bis 39 Prozent des Warenwerts beim chinesischen Zoll hinterlegen. Weitere Maßnahmen werden geprüft. Zum Beispiel hat China den Import von Schweinefleisch aus der EU im Blick.

Für die EU gilt es als erwiesen, dass die chinesischen Automobilhersteller massiv vonseiten des Staates subventioniert werden, zum Beispiel über Kredite, Grundstücke oder billige Batterierohstoffe. Da Frankreich für die Strafzölle war und Deutschland als bevölkerungsreichstes Land dagegen, hat man sich auf Seiten der chinesischen Regierung mit den Brandy-Importen auch auf einen vor allem für Frankreich wichtigen Bereich konzentriert. Zollstreit hin oder her, dürften sich die allgemeinen Marktentwicklungen kaum aufhalten lassen, bei denen Hersteller aus Europa und den USA drohen, abgehängt zu werden.

Die Zukunft der Mobilität ist elektrisch, und gerade dort sind chinesische Automobilkonzerne stark. Bei AlixPartners schätzt man, dass bis 2030 New Energy Vehicles (NEVs) fast die Hälfte der weltweiten Fahrzeugverkäufe ausmachen werden. Dabei handelt es sich batterieelektrische Fahrzeuge (Battery Electric Vehicle, BEV) und Plug-in-Hybride (Plug-in Hybrid Electric Vehicle, PHEV). Strenggenommen zählen auch Brennstoffzellenfahrzeuge (Fuel Cell Electric Vehicle, FCEV) dazu, deren Anteil ist jedoch eher gering. Es ist allerdings nicht so, dass sämtliche Hersteller aus den USA und Europa chinesischen Herstellern machtlos gegenüberstehen.

Mit Cybercab und Robovan gegen die drohende chinesische Übermacht

Passenderweise nutzte Tesla die Räume der Warner Bros. Filmstudios für die Vorführung seiner Robotaxis am 10. Oktober 2024. Ähnlich wie in Hollywood hatte auch das „We Robot“-Event viel Glitzer und Glamour zu bieten. Wie man es von einem echten Hollywood-Sternchen erwarten würde, fuhr Tesla-CEO Elon Musk fast eine Stunde verspätet in einem Cybercab bei der Robotaxi-Veranstaltung vor. Bei dem präsentierten Auto handelte es sich um einen silbernen Zweisitzer ohne Lenkrad oder Pedale, genauso wie man es sich bei einem Robotaxi der Zukunft natürlich wünschen würde. Tesla hofft laut Elon Musk, vor 2027 mit der Produktion der Cybercabs beginnen zu können. Gleichzeitig beteuerte er, dass Kunden das Fahrzeug für unter 30.000 US-Dollar kaufen könnten.

Ein wichtiger Schritt in Richtung Cybercab-Welt wäre die Erlaubnis Teslas Elektroautos bereits heutzutage ohne eingreifbereiten Fahrer am Lenkrad und den Pedalen auf die Welt loszuschicken. Musk rechnet damit, im nächsten Jahr Teslas aktuelle Elektrofahrzeuge Model 3 und Model Y in den US-Bundesstaaten Kalifornien und Texas in ihren „unbeaufsichtigten Full Self-Driving (FSD)“-Versionen einführen zu dürfen. Das Cybercab war jedoch nicht das Einzige, was Tesla im Zuge seines Robotaxi-Events parat hatte. So soll der Robovan den Personennahverkehr revolutionieren. Schließlich soll dieser eines Tages bis zu 20 Passgiere oder wahlweise Güter transportieren können.

Sowohl beim Cybercab als auch beim Robovan spricht Tesla vom induktiven Laden. Dies bedeutet, dass die Fahrzeuge über ein Magnetfeld aufgeladen werden sollen und keinen Anschluss mit Kabel an eine Steckdose erfordern würden. So stellte das Robotaxi-Event für Tesla einen wichtigen Meilenstein dar. Das Unternehmen will schon seit geraumer Zeit nicht nur als Elektroautohersteller gesehen werden, sondern als Anbieter vieler innovativer Zukunftstechnologien wie der Energiespeicherung, humanoider Roboter und dem Autonomen Fahren. Es sind auch diese Geschäftsbereiche abseits des Baus von Elektrofahrzeugen, die Tesla auch in Zukunft eine gute Chance im Wettbewerb mit den vielen aufstrebenden chinesischen Elektroautokonzernen helfen sollten.

Das marktEINBLICKE-Fazit

Im Zuge seines Robotaxi-Tages Anfang Oktober hat Tesla nicht besonders viele Einzelheiten geliefert. Trotzdem hat die Vergangenheit gezeigt, dass der Elektroautohersteller gerade mit Blick auf die Zukunft der Mobilität viele heiße Eisen im Feuer hat. Dazu gehört auch das Thema Autonomes Fahren. Auch hier wird es darauf ankommen, sich frühzeitig Wettbewerbsvorteile zu sichern, um nicht eines Tages von der Übermacht der chinesischen Automobilhersteller überrollt zu werden. Tesla-CEO Elon Musk neigt gerne dazu, zu übertreiben und die Visionen für Tesla besonders stark auszuschmücken, der Erfolg der vergangenen Jahre gibt ihm jedoch auch in vielen Punkten recht, obwohl es manchmal länger als versprochen gedauert hatte, die ausgerufenen Ziele zu erreichen.