America First! Ist es wirklich so leicht?

2025 wird trotz aller Vorhersagen und Prognosen bestimmt wieder ganz anders werden. Weder hatten die Profis die Kursrallye in den USA in 2023, noch in 2024 vorhergesagt. Insofern lassen wir uns überraschen und vertrauen nicht umsonst auch unseren prognosefreien Strategien.

(Bildquelle: Pressefoto Deutsche Börse AG)

Wir geben in den kommenden Tagen in der Reihe „Ausblick 2025“ marktEINBLICKE zu den Faktoren, die das Anlegerjahr 2025 mitbeherrschen sollten. Dazu haben wir uns wieder kompetente Verstärkung ins Haus geholt und verschiedene Börsen-Experten gebeten, einen Ausblick zu wagen. Ihre Einschätzungen werden wir zum Jahreswechsel an dieser Stelle veröffentlichen. Heute ist Michael Winkler an der Reihe.

Zwei außergewöhnlich gute Aktienjahre liegen hinter uns, vor allem für den amerikanischen Aktienmarkt. Der S&P 500 konnte in den Jahren 2023 und 2024 kumuliert in der Spitze fast 60 % zulegen. Ein ungewöhnlich hoher Wertzuwachs. Und wieder einmal waren es die Mega Caps der Technologiebranche im Rahmen der nicht enden wollenden KI Euphorie, die den Gesamtmarkt nach oben gezogen haben. Nvidia, Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet, Meta und Tesla. Die wertvollsten Unternehmen kommen inzwischen auf eine Marktkapitalisierung jenseits der 3 Billionen USD Marke.

Und der Blick nach vorne? Scheint einfach zu sein: Mit der Wiederwahl von Donald Trump liegt die wirtschaftspolitische Agenda für 2025 klar auf dem Tisch. Bürokratieabbau, Deregulierung in einigen Sektoren (Energie, Finanzen und Kryptos). Erneute Steuersenkungen für die Unternehmen. Und zum Schutz der einheimischen Wirtschaft Einfuhrzölle für gefühlt jeden auf dieser Welt außerhalb der USA. Auch ohne diese Maßnahmen wird mit einer Gewinnsteigerung der amerikanischen Unternehmen von durchschnittlich ca. 11 Prozent gerechnet. Mehr als fast in jeder anderen Region. Der Zustand der US Wirtschaft ist robust. In vielen Sektoren sind die Unternehmen Weltmarktführer, vor allem in der Technologie Branche und im Finanzsektor.

Daher scheint es klar und logisch zu sein, erneut auf den amerikanischen Aktienmarkt zu setzen und die Region in einem globalen Portfolio gegenüber der Benchmark MSCI World über zu gewichten. Auch scheinen die Small Caps ihre jahrelange Phase der Underperformance zu beenden und zur Aufholjagd zu blasen.

Einige Gedanken dazu: Mit einem Gewicht von inzwischen fast 75 Prozent im MSCI World und 65 Prozent im breitesten aller Indizes (MSCI World ACWI IMI) existiert im Portfolio bereits bei einer neutralen Gewichtung ein sehr hoher US Anteil. Bei einer aktiven Übergewichtung kann daraus schnell ein Klumpenrisiko werden.

Zum Thema Bewertung: Nach gängigen Kriterien wie zum Beispiel Kurs-Gewinn-Verhältnis oder Kurs-Buchwert-Verhältnis notiert der S&P 500 aktuell in der Nähe langjähriger Höchststände. Zugegeben, vor allem durch die Mega Caps aus dem Tech Sektor, die durch ihre deutlich gestiegene Profitabilität auch eine höhere Bewertung verdienen. Die meisten anderen Sektoren sind relativ normal bewertet. Trotzdem gilt, die Kursrallye der letzten beiden Jahre war deutlich stärker als der Gewinnanstieg der Unternehmen, was die Bewertung deutlich verteuert hat. Ein Schnäppchen sind US Aktien, vor allem die Indexschwergewichte, also nicht.

Wenn etwas an der Börse zu logisch und zu einfach zu sein scheint, sollte man als Anleger zumindest ein wenig nachdenklich werden. Die Vergangenheit hat schon häufig gezeigt, dass unliebsame Überraschungen dann näher sind als man erwartet hätte. Zu diesem Punkt passt auch die Positionierung der sogenannten Profis. In der Dezember Umfrage der Fund Manager Survey der Bank of America waren die institutionellen Investoren in amerikanischen Aktien so hoch übergewichtet wie noch nie. Das sind zum Jahresstart 2025 alleine positionstechnisch nicht die besten Voraussetzungen für eine weitere Outperformance von Dow Jones, S&P 500, Nasdaq 100 und Russell 2.000.

Europa könnte positiv überraschen

Deutschland und Frankreich politisch führerlos, Deutschland schon zwei Jahre in der Rezession und der IFO Index auf Tauchstation. Das schaut wirklich nicht gut aus. Und genau das könnte die Ausgangssituation für eine positive Überraschung sein. Ein im internationalen Vergleich enttäuschendes Aktienjahr 2024 mit Indexgewinnen von Euro Stoxx 50, Stoxx Europe 600 oder MSCI Europe von weniger als 10 %. Und damit nicht einmal die Hälfte der US-amerikanischen Börsen. Ein Bewertungsabschlag gegenüber den US Unternehmen, der inzwischen historisch hoch ist. Ein sehr fester US Dollar, der der europäischen Exportindustrie helfen wird.

Eine EZB, die schon in 2024 die Zinsen deutlich aggressiver gesenkt hat als die FED. Und die das in 2025 genau so fortführen wird. Erste positive Effekte der geldpolitischen Lockerung sollten sich bald in der Wirtschaft bemerkbar machen. Auch ein eventuelles chinesisches Konjunkturprogramm könnte stimmungsaufhellend wirken. Und nicht zu vergessen die Positionierung der internationalen Großanleger: Ganz im Gegensatz zu den USA sind sie in Europa massiv untergewichtet. Alles zusammen genommen sind das nicht die schlechtesten Voraussetzungen, um positiv zu überraschen. Wer es ganz gewagt haben möchte, setzt auf deutsche Small und Mid Caps (SDAX und MDAX).

Durch die Äußerungen von Jerome Powell auf der Dezember Sitzung der FED scheint klar zu sein, dass der Anleger auch in 2025 am amerikanischen Rentenmarkt Kupons von mindestens 4 Prozent (über alle Laufzeiten) wird erzielen können. Darüber hinaus wird die Anlageklasse „Volatilität“ von uns sehr geschätzt. Wir erwarten unruhigere Aktienmärkte mit größeren Schwankungen – also im historischen Kontext eigentlich nur normalen Schwankungen – die sich positiv auf unsere bereits langjährige Discountstrategie auswirken werden. Ein klarer Stabilisator im Depot.

Gold wird wohl durch die andauernden Käufe einzelner Notenbanken (vor allem Russland und China) unterstützt bleiben. Auch eine eventuelle Sprunghaftigkeit von Donald Trump wird immer wieder für Unruhe sorgen, was der Entwicklung des Goldpreises nicht schaden wird.

Spannend wird werden, ob und inwiefern er tatsächlich den Bitcoin fördern wird. Die Kursrallye von rund 50 Prozent seit dem Herbst 2024 lässt erahnen, wozu die Anleger fähig sind. Zumindest scheint der Bitcoin durch die Börsenzulassung zahlreicher ETFs durch die amerikanische Börsenaufsicht SEC generell an Akzeptanz besonders auch bei institutionellen Investoren gewonnen zu haben.

Kurzum: 2025 wird trotz aller Vorhersagen und Prognosen bestimmt wieder ganz anders werden. Weder hatten die Profis die Kursrallye in den USA in 2023, noch in 2024 vorhergesagt. Insofern lassen wir uns überraschen und vertrauen nicht umsonst auch unseren prognosefreien Strategien.

(Bild: St.Galler Kantonalbank Deutschland AG)

Ein Beitrag von Michael Winkler

Er ist Leiter Anlagestrategie bei der St.Galler Kantonalbank Deutschland AG

 

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