Die Wahrheit über Dividendenstrategien

Mythen, Fakten und Chancen - warum Dividendenstrategien viele Fans haben. Diversifikation und Geduld sind dabei Schlüsselfaktoren für den langfristigen Erfolg.

(Bildquelle: unsplash / Mathieu Stern)

Diese Woche beginnt sie wieder: Die alljährliche Hauptversammlungs-Saison. Im DAX macht am 13. Februar Siemens den Anfang. Bis April werden dann alle weiteren großen Unternehmen in Deutschland zum Aktionärstreffen einladen.

Die Bühne für Aktionäre und Unternehmensentscheidungen

Die Hauptversammlung (HV) ist das Herzstück der Aktionärsdemokratie und ein zentrales Ereignis im Kalender jeder börsennotierten Aktiengesellschaft (AG). Sie bietet den Anteilseignern die Möglichkeit, direkt Einfluss auf die Unternehmenspolitik zu nehmen. Neben strategischen Entscheidungen steht dabei oft ein besonders brisantes Thema im Fokus: die Abstimmung über die Dividendenausschüttung.

In Deutschland schreibt das Aktiengesetz (AktG) vor, dass börsennotierte Unternehmen mindestens einmal im Jahr eine ordentliche Hauptversammlung abhalten müssen. Hier treffen sich Vorstände, Aufsichtsräte und eben Aktionäre, um das Geschäftsjahr zu bilanzieren, die zukünftige Ausrichtung zu diskutieren und Beschlüsse zu fassen. Für viele Anleger liegt das Hauptaugenmerk jedoch auf der Dividende – eine zentrale Form der Kapitalrendite, die den Unternehmenserfolg in Form von Barausschüttungen direkt an die Anteilseigner weitergibt.

Die Frage nach der Höhe der Ausschüttung

Die Entscheidung über eine Dividendenerhöhung wird im Vorfeld der Hauptversammlung vom Vorstand vorgeschlagen und vom Aufsichtsrat gebilligt. Während der HV stimmen die Aktionäre darüber ab, ob der Vorschlag angenommen oder modifiziert wird. Eine höhere Dividende signalisiert in der Regel finanzielle Stabilität und Wachstum, ist aber nicht ohne Risiko. Unternehmen müssen abwägen, wie viel des Gewinns an die Aktionäre ausgeschüttet wird und wie viel im Unternehmen verbleibt, um Investitionen oder Schuldenabbau zu finanzieren.

Die HV dient hierbei als Plattform für kontroverse Diskussionen. Insbesondere institutionelle Investoren hinterfragen oft kritisch, ob eine Dividendenerhöhung langfristig sinnvoll ist. Schließlich könnte eine zu hohe Ausschüttung die Investitionskraft des Unternehmens schwächen. Kleinaktionäre hingegen begrüßen oft hohe Dividenden, da diese regelmäßige Erträge bieten und Vertrauen schaffen.

Gerade Anleger, die auf eine Dividendenstrategie setzen. Sind natürlich an Ausschüttungen „ihrer“ Unternehmen interessiert. Denn Dividendenstrategien gelten oft als sicherer Hafen für Anleger, die auf stabile Erträge setzen. Viele verbreitete Vorstellungen zu Dividendentiteln sind aber irreführend. Werfen wir einen Blick auf die gängigsten Mythen und klären auf, was Anleger wirklich wissen sollten, bevor sie ihr Kapital in Dividendenwerte investieren.

So attraktiv eine hohe Rendite ist, blind loszukaufen empfiehlt sich nicht.
Benjardin Gärtner, Leiter Portfoliomanagement Aktien bei Union Investment

Mythos 1: Dividendentitel sind weniger schwankungsanfällig

Eine weit verbreitete Meinung besagt, dass Unternehmen mit hohen Dividendenresten stabile und reife Geschäftsmodelle haben und daher weniger anfällig für Kursverluste sind. Die Daten sprechen jedoch eine andere Sprache. Das Chance-Risiko-Profil von Dividendenstrategien ist nicht unbedingt vorteilhafter als jenes von Wachstumsaktien.

Die Sharpe Ratio – eine Kennzahl, die misst, wie gut ein Anleger für das eingegangene Risiko belohnt wird – zeigt, dass der MSCI Europe Growth Index in den letzten sechs Jahren etwas besser abschnitt als der MSCI Europe High Dividend Yield Index. Auch über einen längeren Zeitraum seit 2007 liegt Growth leicht vorne. Selbst in den USA zeigen Wachstumsaktien ähnliche Vorteile.

Doch nicht nur die Rendite, sondern auch das Risiko verdient Beachtung, sagt Benjardin Gärtner von Union Investement. Der Maximum Drawdown, also der maximale Kursverlust in einem bestimmten Zeitraum, zeigt, dass Dividendentitel ebenso empfindlich auf Marktkorrekturen reagieren können wie Wachstumswerte. Das heißt: Das widerspricht der Annahme, Dividendentitel seien sicherer.

Mythos 2: Unternehmen mit hohen Dividenden sind immer ertragsstark

Hohe Dividendenrenditen deuten nicht immer auf finanzielle Stärke hin. Oft sind sie das Resultat von Kursverlusten aufgrund schlechter Unternehmenszahlen. Wenn Unternehmen ihre Ausschüttungen nicht rechtzeitig an die wirtschaftliche Lage anpassen, wirken die Renditen nur optisch attraktiv.

Ein warnendes Beispiel bieten die Telekommunikations- und Versorgersektoren. Denken Sie einmal an die T-Aktie in den 2000er-Jahren …

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Die T-Aktie der Deutschen Telekom war in Sachen Dividende schon immer attraktiv – vom Kursverlauf jedoch lange Zeit nicht. (Bildquelle: Pressefoto Deutsche Telekom)

Diese Branchen hatten in der Vergangenheit mit massiven Kursverlusten zu kämpfen, bevor sie sich stabilisieren konnten. Um solche Verluste zu vermeiden, sollten Anleger auf Diversifikation setzen und nicht blind auf hohe Dividendenrenditen vertrauen.

„Vorsichtig sollten Dividendenjäger aktuell bei Automobilwerten sein, die hohe Ausschüttungen bieten, obwohl ihre Geschäftsmodelle stark unter Druck stehen“, rät Gartner aktuell.

Mythos 3: Anleiherenditen übertreffen Dividendenrenditen

Mit der Zinswende haben Anleihen wieder an Attraktivität gewonnen. Dennoch bleiben auch Aktien mit hohen Dividendenrenditen konkurrenzfähig. Der MSCI Europe High Dividend Index bietet derzeit eine Rendite von etwa 5,2 Prozent, während Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Niveau nur rund 3,3 Prozent erzielen.

Besonders attraktiv sind derzeit der Finanz-, Energie- und Bankensektor, die nicht nur hohe Dividenden, sondern auch Aktienrückkäufe bieten. Diese Kombination kann Anlegern eine Gesamtrendite von über fünf Prozent pro Jahr bescheren.

Mythos 4: Dividenden sind schnell verdientes Geld

Dividendentitel bieten stabile Erträge, aber sie sind keine Garantie für schnelle Gewinne. Die Rendite setzt sich hier weniger aus Kurssteigerungen, sondern größtenteils aus Ausschüttungen zusammen. Beispielsweise erzielte der MSCI Europe High Dividend Index in den letzten zehn Jahren durchschnittlich 2,7 Prozent Kursrendite pro Jahr, aber knapp acht Prozent inklusive Dividenden.

Schnelle Kursgewinne sind eher im Bereich Künstliche Intelligenz oder Digitalisierung zu finden. Dividendentitel entfalten ihre Stärke über einen längeren Zeitraum, was Geduld und langfristiges Denken erfordert.

Kursfeuerwerke sind bei dividendenstarken Titeln kaum zu erwarten

Mythos 5: Die Sektorauswahl ist bei Dividendenaktien zweitrangig

„Wer diesen Mythos glaubt, dem könnte viel Ertrag entgehen. Wegen der längerfristigen Ausrichtung einer Dividendenstrategie ist es ratsam, die fundamentalen Entwicklungen auf Sektorebene genau im Blick zu behalten“, so Gärtner.

Die Auswahl des richtigen Sektors sei entscheidend für den Erfolg einer Dividendenstrategie. In den letzten Jahren haben sich hier demnach deutliche Verschiebungen ergeben. Während Autowerte an Bedeutung verloren haben, rückten Banken und Versicherungen in den Fokus.

Die Bankenstadt Frankfurt. In „Mainhattan“ sind viele solide Dividendenzahler ansässig. (Bildquelle: unsplash / Matthias Münning)

Bankaktien profitieren von der Zinswende und bieten stabile Ausschüttungen. Auch Erstversicherer haben sich als solide Dividendenzahler etabliert, da sie konstante Erträge aus Basiskonsumgütern wie Wohngebäude- oder Kfz-Versicherungen erzielen. Im Gesundheitssektor stehen innovative Unternehmen im Vordergrund, während im Energiesektor die Umstellung auf erneuerbare Energien langfristig Einfluss auf die Dividendensicherheit haben könnte.

Mythos 6: Dividenden steigen kontinuierlich

Auch bilanzstarke Unternehmen können gezwungen sein, ihre Dividenden zu senken. Während der Finanzkrise 2008/09 oder der Coronakrise 2020 gingen die Dividendensummen spürbar zurück. Für die kommende Dividendensaison auf Basis der Bilanzen 2024 wird eine stagnierende Entwicklung erwartet.

Langfristig betrachtet zeigt der Euro STOXX 50 Dividend Point-Index jedoch ein solides Wachstum: Zwischen 2014 und 2024 stieg er um etwa 46 Prozent. Auch Aktienrückkäufe spielen eine immer wichtigere Rolle bei der Kapitalrückführung.

Für die anstehende Dividendensaison auf Basis der Bilanzen des Jahres 2024 ist das Bild durchwachsen, schreibt Gartner.„Im DAX dürfte die Ausschüttungshöhe leicht sinken, was auch am Autosektor liegt.“

Die Allianz (hier am Standort New York) gehört seit jeher zu den dividendenstarken Werten in Europa. (Bildquelle: markteinblicke.de)

Auf europäischer Ebene signalisiere der Dividenden-Terminkontrakt für 2025 auf den Euro STOXX 50-Index eine stagnierende Ausschüttungssumme. Dennoch sei, so Gartner weiter, das Wachstum der Dividenden über die Jahre nicht gering: Der Euro STOXX 50 Dividend Point-Index spiegelt die Dividenden in Form von Indexpunkten. „Von 2014 bis 2024 stieg er um etwa 46 Prozent.

Hinzu kommt, dass Aktienrückkäufe in Europa seit einigen Jahren stetig zunehmen.“ Sie seien nur eine andere Form der Kapitalrückführung an die Aktionäre. „Anders als bei der direkten Gewinnbeteiligung steigt der Anteil des Gewinns, der auf die verbliebenen Aktien verteilt wird.“

Das marktEINBLICKE-Fazit

„Nicht nur die Dividende zählt. Ob eine Dividendenstrategie die richtige Wahl ist, hängt vom Ziel des Anlegers ab“, resümiert Gartner. Dividendenstrategien bieten Stabilität, aber Anleger sollten sich der Einschränkungen bewusst sein. Eine Dividendenrendite geht oft mit einem geringeren Kurspotenzial einher. Ihre wahre Stärke entfalten Dividendentitel über einen langen Zeitraum.

Wichtig ist auf jeden Fall eine gezielte Auswahl von Aktien aus stabilen Branchen wie Versicherungen, Banken und Gesundheitsunternehmen – am besten aus dem Bereich der Baustein-Aktien in Kombination mit Dividendenaristrokraten.

Diversifikation und Geduld sind dabei Schlüsselfaktoren für den langfristigen Erfolg. Wer auf kontinuierliche Ausschüttungen setzt, kann gerade bei Baustein-Aktien langfristig von attraktiven Erträgen profitieren.