Heute tun wir etwas, was wir in den vergangenen 15 Jahren noch nie getan haben: Wir geben gleich zwei Wahl-Empfehlungen ab.
In einer Demokratie, wie wir sie in der Bundesrepublik Deutschland genießen können, gilt das Wahlrecht als eines der grundlegendsten Instrumente der Bürgerbeteiligung. Wer nicht wählt, überlässt die Gestaltung der Gesellschaft anderen und verzichtet auf die Möglichkeit, Einfluss auf die Zukunft seines Landes zu nehmen.
Ähnlich verhält es sich in der Wirtschaftswelt: Aktionäre haben die Möglichkeit, auf Hauptversammlungen (HV) ihrer Unternehmen abzustimmen, über strategische Weichenstellungen mitzuentscheiden und ihr Investment aktiv zu schützen. Doch viele nutzen diese Chance nicht – ein folgenschwerer Fehler.
Hauptversammlungen sind mehr als eine Pflichtveranstaltung
Die Hauptversammlung ist das höchste Gremium einer Aktiengesellschaft (AG). Hier treffen sich die Anteilseigner, um über essenzielle Themen abzustimmen – von der Entlastung des Vorstands über Dividendenzahlungen bis hin zu wichtigen Unternehmensentscheidungen. Jede Aktie bedeutet eine Stimme, und mit dieser Stimme können Aktionäre Einfluss nehmen.
Doch die Realität zeigt: Viele Aktionäre lassen diese Möglichkeit ungenutzt. Die Beteiligungsquote auf Hauptversammlungen ist oft erschreckend niedrig. Bei vielen börsennotierten Unternehmen dominieren institutionelle Investoren und Großaktionäre die Entscheidungen, während private Anleger kaum vertreten sind. Dabei sollten gerade sie es sein, die ihre Interessen selbst vertreten – statt sie anderen zu überlassen.
Einfluss auf Unternehmenspolitik und Strategie
Durch die Teilnahme an Hauptversammlungen können Aktionäre direkte Auswirkungen auf die strategische Ausrichtung ihres Unternehmens nehmen. Sie können etwa:
- Über die Besetzung des Aufsichtsrats entscheiden: Die Wahl der Aufsichtsräte bestimmt, wer den Vorstand kontrolliert und strategische Entscheidungen begleitet. Werden diese Positionen von kritischen und kompetenten Personen besetzt, profitiert das gesamte Unternehmen.
- Vergütungsmodelle hinterfragen: Hohe Managergehälter und Bonuszahlungen stehen oft in der Kritik. Auf Hauptversammlungen können Aktionäre über Vergütungssysteme abstimmen und so exzessive Gehaltsstrukturen regulieren.
- Nachhaltigkeits- und Ethikstandards einfordern: Die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen spielt eine immer größere Rolle. Aktionäre können Nachhaltigkeitskonzepte fördern, indem sie entsprechende Anträge unterstützen oder ablehnen.
- Fusionen, Übernahmen oder Umstrukturierungen beeinflussen: Großangelegte Veränderungen in Unternehmen haben oft massive Auswirkungen auf den Aktienkurs und die zukünftige Entwicklung. Wer seine Stimme nicht nutzt, überlässt diese Entscheidungen anderen.
Warum das Wahlrecht in der Politik und Wirtschaft vergleichbar ist
Die Parallelen zwischen politischer Wahlbeteiligung und Aktionärsrechten sind offensichtlich: In beiden Fällen geht es um Mitbestimmung, Transparenz und Verantwortung. Wer nicht wählt, beschwert sich oft über schlechte politische Führung – doch ohne Stimmabgabe fehlt die Legitimation zur Kritik. Gleiches gilt für Aktionäre: Wer nicht an der Hauptversammlung teilnimmt oder nicht abstimmt, kann sich später kaum über Managemententscheidungen oder sinkende Aktienkurse beschweren.
Die Gefahr der Passivität: Wenn wenige die Macht übernehmen
Wenn zu wenige Aktionäre aktiv werden, liegt die Kontrolle über das Unternehmen in den Händen einiger Weniger – oft großer institutioneller Investoren, Hedgefonds oder Gründerfamilien.
Diese haben häufig andere Interessen als Kleinanleger. Während Letztere auf nachhaltiges Wachstum und stabile Renditen setzen, suchen institutionelle Investoren oft kurzfristige Gewinnmaximierung. Wer nicht abstimmt, stärkt indirekt jene Interessen, die möglicherweise nicht mit den eigenen übereinstimmen.
Das marktEINBLICKE-Fazit
In diesen Tagen beginnt die Saison der vielen Hauptversammlungen. Nehmen Sie an den Aktionärstreffen „Ihrer Unternehmen“ teil. Das gleiche gilt für den 23.2. – die Wahl zum neuen Bundestag. Sie wird richtungsweisend für unser Land, unserer Wirtschaft und letztlich auch für Sie als Bürger und Aktionär sein.
Ob in der Politik oder in der Wirtschaft – Mitbestimmung ist ein entscheidendes Element einer funktionierenden Gesellschaft. Während politische Wahlen darüber entscheiden, wie unser Land regiert wird, beeinflussen Hauptversammlungen die Zukunft von Unternehmen, in die Aktionäre investiert haben. Wer nicht wählt oder nicht abstimmt, überlässt anderen die Macht und muss mit deren Entscheidungen leben.
Daher gilt: Jeder Aktionär sollte seine Rechte wahrnehmen, genau wie jeder Bürger zur Wahl gehen sollte. Nur durch aktive Teilnahme kann sichergestellt werden, dass Entscheidungen im Sinne aller getroffen werden – sei es in der Politik oder in der Wirtschaft.
In diesem Sinne, bleiben Sie weiter engagiert (an der Börse), alle Daten der kommenden Handelswoche und Prognosen finden Sie in unserem Wirtschaftskalender.
Ihre marktEINBLICKE-Herausgeber
Christoph A. Scherbaum & Marc. O. Schmidt