Europa und das große Erwachen

Im bisherigen Jahresverlauf steht bei DAX, EuroStoxx50 & Co. gegenüber Indizes wie dem US-Barometer S&P 500 eine Outperformance zu Buche.

(Bildquelle: unsplash / Christian Lue)

Jahrelang war das Argument für europäische Aktien im Vergleich zu US-Titeln ihre geringere relative Bewertung. Bisher blieb die Aufholjagd aus. 2025 scheinen sich die Märkte vom alten Kontinent allerdings endlich ein Herz gefasst zu haben. Im bisherigen Jahresverlauf steht bei DAX, EuroStoxx50 & Co. gegenüber Indizes wie dem US-Barometer S&P 500 eine Outperformance zu Buche. Und dies trotz wirtschaftlicher Schwäche, Trumps Zolldrohungen und des Umstands, bei Verhandlungen über einen Frieden in der Ukraine außen vor gelassen zu werden und später aller Wahrscheinlichkeit nach trotzdem Friedenstruppen stellen zu müssen.

Während der S&P 500 im bisherigen Jahresverlauf ein Kursplus von rund 3 Prozent verbuchen konnte, steht im wichtigsten deutschen Börsenbarometer DAX ein Wertzuwachs von knapp 15 Prozent zu Buche. Dabei konnte das wichtigste deutsche Börsenbarometer neue Rekordstände erklimmen und einige lange Zeit als unüberwindbar geltende runde Marken knacken. Der Börsenerfolg ist aber nicht auf Deutschland beschränkt. Der EuroStoxx50 liegt seit Jahresbeginn mit knapp 13 Prozent im Plus.

Noch beeindruckender fällt diese Leistung aus, wenn man bedenkt, dass der US-Präsident Sonderzölle in Höhe von 25 Prozent auf Einfuhren von Stahl und Aluminium erlassen hat. Die nächsten betroffenen Sektoren könnten die Bereiche Autos, Arzneimittel und Computerchips sein. Auf diese Weise droht mit den von der EU bereits in Aussicht gestellten Gegenmaßnahmen ein sich verschärfender Handelskonflikt. Obwohl dies alles andere als wirtschaftsfreundlich sein dürfte, zeigten sich Börsianer gerade hierzulande wenig besorgt.

Chancen und Risiken bei europäischen Aktien

Caroline Lamy, Head of Equity Management bei Crédit Mutuel Asset Management, ist nicht davon überzeugt, dass die weitere Kursrallye an den europäischen Märkten ein Selbstläufer wird. Aus ihrer Sicht bieten die europäischen Aktienmärkte im Jahr 2025 eine Mischung aus Chancen und Herausforderungen. Zu Jahresbeginn könnten europäische Aktien eine Aufholphase durchlaufen. Während die Erwartungen für das Gewinnwachstum wahrscheinlich nach unten korrigiert werden, bieten sich aus Analystensicht immer noch neue Chancen.

Vor allem Unternehmen mit hohen Aktionärserträgen und soliden Wettbewerbsvorteilen würden hervorstechen. „Dazu gehören alteingesessene Unternehmen in Sektoren wie Gesundheitswesen, Diagnostik, Technologie und innovative Fertigung“, heißt es weiter. Im EuroStoxx50 gehörten zuletzt unter anderem Finanzwerte zu den großen Gewinnern. Neben Santander gehörten dazu seit Anfang 2025 der Bezahldienstleister Adyen und die italienische UniCredit.

Diese versucht derzeit, die Commerzbank zu übernehmen, die ihrerseits im DAX überzeugen konnte – nicht nur als Übernahmeziel, sondern auch angesichts der in Aussicht gestellten Kostensenkungen. Hinzu kommt der Umstand, dass den Finanzinstituten die mutmaßliche wirtschaftliche Erholung zugutekommen sollte. Auch einige zyklische Aktien wie BASF haben von dieser Aussicht zuletzt profitiert. Die Hoffnung auf eine Konjunkturerholung wird wiederum von den anhaltenden Zinssenkungen der EZB befeuert.

Mithilfe von Leitzinssenkungen will die EZB die Konjunktur ankurbeln. (Bildquelle: Pressefoto Europäische Zentralbank)

„Peak Bearishness“ liegt hinter uns

Ende Januar hatte die EZB einstimmig die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte auf nun 2,75 Prozent gesenkt. Es war bereits die fünfte Leitzinssenkung seit Sommer 2024. Die US-Notenbank Fed hatte sich zuletzt in Sachen Zinssenkungen eher zurückgehalten. Ein Grund dafür war die wieder anziehende Inflation. Hinzu kommt der Umstand, dass die von der Trump-Regierung ausgerufenen US-Zölle die Teuerungsraten in den USA weiter anheizen könnten. Die EZB hat dagegen derzeit eher die Ankurbelung der europäischen Konjunktur im Blick. Laut EZB-Präsidentin Christine Lagarde sei im Rat der EZB zuletzt auch nicht über ein Ende der Zinssenkungen gesprochen worden.

Zuletzt hatten die europäischen Währungshüter für den Euroraum ein Wirtschaftswachstum von 1,1 Prozent prognostiziert. 2026 soll es bei 1,4 Prozent und 2027 bei 1,3 Prozent liegen. Ein wirtschaftlicher Boom sieht anders aus. Auch deshalb dürfte die EZB weiterhin gefordert sein, zumal der Inflationsrückgang der vergangenen Jahre ihr etwas Spielraum lässt. Ab dem zweiten Quartal 2025 rechnet man damit, dass sich die Teuerungsrate um das Inflationsziel von 2 Prozent bewegen wird, nachdem sie im Januar 2025 noch überraschend auf 2,5 Prozent angestiegen war. Ein Risikofaktor in dieser Hinsicht sind die US-Zölle, die die Inflation auch in Europa anheizen könnten.

Die wirtschaftliche Erholung sollte auch die Gewinne der europäischen Unternehmen ankurbeln. So sagte David Groman, zuständig für Aktien weltweit bei der Citigroup, gegenüber CNBC, dass wir inzwischen am Tiefpunkt seien oder diesen hinter uns gelassen hätten, wenn es um die Gewinnschätzungen für europäische Unternehmen gehe. Die „Peak Bearishness“ liege hinter uns. Entsprechend hätten die europäischen Firmen im Zuge der laufenden Berichtssaison die sehr tiefen Erwartungen schlagen können, indem sie sich lediglich „okay“ geschlagen hätten. Für den STOXX Europe 600 Index sieht er derzeit ein weiteres Kurspotenzial von rund 10 Prozent.

„Glorreiche“ Unternehmen aus Europa

Mit dem starken Tech-Sektor und den „Magnificent Seven“ haben die US-Börsen einige wichtige Zugpferde, die Europa in dieser Form fehlen. Allerdings sind auch hierzulande einige Unternehmen vertreten, die man als „Magnificent“ bezeichnen könnte. Dazu gehört beispielsweise SAP, Europas größter Softwarekonzern. Die Walldorfer überzeugen seit Jahren mit starkem Wachstum im Cloud-Geschäft. Derzeit liegt der Fokus auf der Integration verschiedener KI-Anwendungen in das Angebot des Softwarekonzerns. Auch deshalb ist man gerade dabei, trotz des bereits starken Wachstums die Dynamik noch einmal zu steigern.

Gleichzeitig wird nicht nur investiert, sondern auch der Fokus auf die Margen gelegt. Die Clouderlöse stiegen 2024 um 25 Prozent auf 17,1 Mrd. Euro (währungsbereinigt +26 Prozent). Für das laufende Geschäftsjahr rechnet SAP mit einer weiteren Beschleunigung des Wachstums, gestützt auf einen Anstieg des Current Cloud Backlogs um 32 Prozent auf 18,1 Mrd. Euro. Während einige Wachstumsunternehmen wie SAP damit punkten, in Zukunftsbereichen wie der KI vertreten zu sein, ergibt sich das Kurspotenzial vieler europäischer Aktien aus der Möglichkeit einer Aufholjagd.

So zum Beispiel beim französischen Luxusgüterkonzern LVMH. Dieser hatte zuletzt mit dem schwächeren Wachstum in China sowie der schwierigen Verbraucherstimmung dort zu kämpfen. Gleichzeitig machten sich die geopolitischen Unsicherheiten und die Inflation negativ bemerkbar. Die Franzosen hatten bereits im Jahr 2024 trotz geopolitischer Spannungen und einer schwachen Nachfrage in China sowie den USA ihre Widerstandsfähigkeit bewiesen. Für 2025 hat das Management wiederum die Stärkung der globalen Führungsposition ausgerufen. Dabei ist LVMH nicht die einzige europäische Aktie mit Aufholpotenzial.

Das marktEINBLICKE-Fazit

In gewisser Weise könnte Donald Trump das Beste sein, was Europa widerfahren konnte. Gesellschaft und Politik dürften erkennen, dass ein Ausruhen auf früheren Erfolgen zu einem Abstieg führen würde. Es muss kräftig investiert werden – nicht nur in die eigene Verteidigungsfähigkeit, sondern auch in Bereiche wie Technologie, den Automobilsektor und erneuerbare Energien. Die EZB sorgt ihrerseits für die Hoffnung auf eine Konjunkturerholung, während die Erwartungen an die Gewinne der europäischen Unternehmen derart gering waren, dass positive Überraschungen nicht allzu schwer zu bewerkstelligen sein sollten. Auch deshalb bleibt im Bereich europäischer Aktien trotz des starken Jahresauftakts einiges an Aufholpotenzial.