In China spielt die KI-Musik

DeepSeek hat chinesische Internet- und Tech-Unternehmen in den Fokus von Investoren gerückt und eine Aufbruchstimmung in China ausgelöst.

(Bildquelle: Pressefoto Alibaba)

DeepSeek hat für ein wahres Beben gesorgt – nicht nur an den Börsen, sondern auch in der Tech-Industrie. Das chinesische KI-Startup hat bewiesen, dass das Training von KI-Modellen nicht zwangsläufig unendliche Rechenleistung und exorbitante Kosten erfordert. Dies hat chinesische Internet- und Technologieunternehmen in den Fokus westlicher Investoren gerückt und eine Aufbruchstimmung unter den chinesischen Branchenvertretern ausgelöst.

Schon vor DeepSeek war bekannt, dass Künstliche Intelligenz auch in China enorme Fortschritte macht. Bislang standen jedoch vor allem bekannte Tech-Giganten wie Alibaba oder Baidu im Mittelpunkt. In den vergangenen Tagen konnte sich insbesondere Baidu in diesem Bereich ins Gespräch bringen – mit dem Anspruch, es auch mit DeepSeek aufnehmen zu können.

Baidu zieht nach

Mitte März 2025 stellte Baidu (WKN: A0F5DE / ISIN: US0567521085) das Argumentationsmodell Ernie X1 sowie das Basismodell Ernie 4.5 vor. Der Internetkonzern und Betreiber der gleichnamigen Suchmaschine bewirbt Ernie 4.5 damit, leistungsfähiger als OpenAIs GPT-4.5 zu sein. Besonders bemerkenswert ist jedoch, dass dies laut Baidu nur einen Bruchteil der üblichen Kosten verursachen soll. Die beiden Modelle sollen vor allem dazu dienen, bestehende Produkte aufzuwerten – besonders großes Potenzial sieht das Unternehmen im Bereich der Online-Suche.

Schon mit dem Aufkommen von ChatGPT wurde spekuliert, ob KI-Technologien neue Konkurrenz für Google bedeuten könnten. Während einer Telefonkonferenz zum Jahresende 2024 erklärte Baidu-CEO Robin Li, dass generative KI die Baidu-Suche zur „neuen Killer-App im Zeitalter der KI“ machen werde. Wir dürfen gespannt sein. Ernie 4.5 soll ab dem 30. Juni 2025 als Open-Source-Modell bereitgestellt werden – mit dem Ziel, die Akzeptanz von KI weiter zu beschleunigen. Die jüngsten Ankündigungen haben die Baidu-Aktie in den vergangenen Tagen deutlich beflügelt.

„Die neuen Modelle machen Baidu wettbewerbsfähiger, da das Unternehmen bei der Veröffentlichung von Modellen in Verzug geraten ist“, sagte Lian Jye Su, Chefanalyst bei der Technologie-Research- und Beratungsfirma Omdia, gegenüber CNBC. Trotz der aktuellen Aufmerksamkeit rund um Baidu sei das Unternehmen jedoch weder der einzige noch der führende Akteur auf diesem Gebiet. Laut Su folgt Baidu „lediglich den Fußstapfen“ seiner größten chinesischen Konkurrenten – Alibaba, DeepSeek und Tencent –, die mittlerweile alle Open-Source-Modelle veröffentlicht haben.

„Sputnik-Moment der KI“

Besonders großes Aufsehen hat DeepSeek erregt. Das chinesische KI-Startup hat maßgeblich dazu beigetragen, dass chinesische Tech-Unternehmen im Westen und an den Börsen mit anderen Augen gesehen werden. China, inzwischen die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, hat in den vergangenen Jahren auch im High-Tech-Sektor an Bedeutung gewonnen. DeepSeek verstärkt diesen Eindruck – möglicherweise sogar so sehr, dass einige Marktteilnehmer die Technologieführerschaft in wichtigen Bereichen nun in China verorten.

Investor und a16z-Mitbegründer Marc Andreessen bezeichnete DeepSeek als den „Sputnik-Moment der KI“. In den späten 1950er-Jahren brachte die Sowjetunion mit „Sputnik“ den ersten künstlichen Erdsatelliten in die Umlaufbahn – und stellte damit die Vormachtstellung der USA in der Raumfahrt infrage. Zudem zeigte sich, dass das US-Territorium durch nuklear bestückte Interkontinentalraketen erreichbar war – ein entscheidender Wendepunkt im Kalten Krieg.

Eine ähnliche Zeitenwende könnte sich nun im Wettlauf um die technologische Vorherrschaft vollziehen. Zumindest wird das Geschäftsmodell westlicher KI-Größen wie NVIDIA infrage gestellt. Bisher galt die Annahme, dass Spitzenleistungen im KI-Training nur durch immer mehr Rechenleistung und steigende Investitionskosten möglich seien. Doch die chinesische KI-Wende zeigt, dass es auch anders gehen könnte – ein Trend, den auch Alibaba aufgreift.

„Ein überdurchschnittliches Engagement“ bei KI-Playern

Welches Potenzial Apple in der chinesischen KI sieht, zeigt die kürzlich eingegangene Partnerschaft mit Alibaba. Gemeinsam wollen die Unternehmen KI-Anwendungen für iPhone-Nutzer in China entwickeln. Das ist nicht überraschend, denn für Apple wird es immer wichtiger, KI in seinem wichtigsten internationalen Markt zum Laufen zu bringen. Das vergangene Quartal hat gezeigt, dass Apple Intelligence und KI-gestützte Funktionen für Konsumenten eine zunehmend größere Rolle bei der Wahl eines neuen Smartphones spielen.

Auch Alibaba (WKN: A117ME / ISIN: US01609W1027) hat im KI-Bereich einiges zu bieten. Mit der neuesten Version von Qwen will das Unternehmen nicht nur die US-Konkurrenz, sondern auch den heimischen Herausforderer DeepSeek übertroffen haben. Laut Alibaba schlägt Qwen 2.5 Max das hochgelobte DeepSeek-V3-KI-Modell. Diese Erfolge dürften dazu beigetragen haben, dass die Alibaba-Aktie zuletzt einen Höhenflug erlebte und auch bei Analysten zunehmend in den Fokus rückt.

Morgan-Stanley-Analyst Gary Yu hat die Alibaba-Aktie kürzlich von „Equal Weight“ auf „Overweight“ hochgestuft. Das Kursziel wurde von 100,00 auf 180,00 US-Dollar angehoben – ein Potenzial von mehr als 25 Prozent. Aus Analystensicht unterschätzt der Markt derzeit die wachsende KI-getriebene Cloud-Nachfrage sowie die Widerstandsfähigkeit des Kerngeschäfts in den Taobao- und Tmall-Bereichen.

Yu prognostiziert, dass sich der Cloud-Umsatz von Alibaba in den kommenden drei Jahren verdoppeln wird. In einem „High-End-Szenario“ bewertet er AliCloud mit 100,00 US-Dollar je Aktie. Da sich der Fokus der Investoren zunehmend vom schwächelnden Konsum auf den technologischen Fortschritt in China verlagert, bieten chinesische Internetunternehmen laut Analystenmeinung „ein überdurchschnittliches Engagement“ bei KI-Playern.

Das marktEINBLICKE-Fazit

DeepSeek hat die Wahrnehmung chinesischer Technologieunternehmen nachhaltig verändert. In den vergangenen Jahren standen eher negative Faktoren im Vordergrund – etwa das nachlassende Wirtschaftswachstum, die Immobilienkrise, die schwache Binnennachfrage und der Handelsstreit mit den USA. Nun wird zunehmend spekuliert, ob China in Sachen KI die technologische Führungsrolle übernehmen könnte – und damit die Vormachtstellung der USA infrage stellt.

Anleger, die nicht nur auf einzelne chinesische Tech-Werte wie Alibaba setzen möchten, sondern gleich auf mehrere chinesische Internet- und Technologieunternehmen, schauen sich zum Beispiel das Indexzertifikat (WKN: DA0AC6 / ISIN: DE000DA0AC62) auf den China Tech-Giganten Index an.