Tücken bei der Erbschaft

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Der eine erbt ein schönes Vermögen, der andere – weil er zu unbedarft an das Thema herangegangen ist – nichts als Schulden. Eine Erbschaft ist nicht automatisch mit Kohle, Zaster und Moneten verbunden.

Diese Zahl ist beeindruckend: Über 120 Mrd. Euro geben die Deutschen jedes Jahr im Schnitt an die Nachkommen weiter. Jetzt fangen Sie vielleicht an zu rechnen: 84 Millionen Deutsche, 120 Mrd. Euro… Meistens wird das Erbe an Lebenspartner, Kinder, Enkel und andere Verwandte weitergegeben. Nicht selten ist aber der Schreck groß, wenn der Verstorbene einen ganzen Haufen Schulden hinterlassen hat. Opa hat zwar ein Haus in der Großstadt, aber die Verbindlichkeiten aus dessen Sanierung, der eigenen häuslichen Pflege & Co haben sich im Laufe der Jahre angesammelt. Schulden erben? Davon ist jede elfte Erbschaft in Deutschland betroffen.

Die Rechtslage. Aber es gibt Lösungen, dieses zu verhindern. Das BGB sagt zunächst klar in §1942: „Die Erbschaft geht auf den berufenen Erben unbeschadet des Rechts über, sie auszuschlagen (Anfall der Erbschaft).“ sowie „Der Fiskus kann die ihm als gesetzlichem Erben angefallene Erbschaft nicht ausschlagen.“ In §1943 wird jedoch die Annahme und Ausschlagung der Erbschaft festgelegt: „Der Erbe kann die Erbschaft nicht mehr ausschlagen, wenn er sie angenommen hat oder wenn die für die Ausschlagung vorgeschriebene Frist verstrichen ist; mit dem Ablauf der Frist gilt die Erbschaft als angenommen.“

Die Ausschlagung eines Erbes ist vielen Erben als Möglichkeit nicht bewusst, finanziellen Problemen aus dem Weg zu gehen und eben nicht mit der Annahme eines Erbes sich selbst zu überschulden oder gar im Anschluss in Privatinsolvenz zu gehen. Denn wenn mit dem geerbten Vermögen die Schulden des Verstorbenen nicht vollständig getilgt werden können, haftet der Erbe mit seinem Privatvermögen – für alle offenen Rechnungen und Kredite, Steuerschulden, Kontoüberziehungen, Miet- und Unterhaltsrückstände, etc. Das heißt er muss auch gegebenenfalls Kredite weiter bedienen.

Der Nachlass. Gerade bei dem liebsten Kind der Deutschen, dem Eigenheim, sollte eine Erbschaft gut überlegt sein. Bei einem alten Haus, das vom Verstorbenen über eine lange Zeit nicht saniert wurde und womöglich vermietet wird, können Sanierungen so viel Geld kosten, dass es trotz der aktuellen Wohn- und Immobilienlage schwer werden könnte, das Geld auf lange Sicht wieder reinzuholen. Dann sollte man die Zahlen sprechen lassen und gegebenenfalls das Erbe ausschlagen.

Wer diesen Weg geht und das Erbe nicht antritt, sollte sich aber bewusst sein, dass damit auch der Pflichtteil entfällt, ebenso alle Nachlassgegenstände. Schulden ablehnen, den Rest nehmen geht nicht. Nach der Ausschlagung fällt das Erbe dem nächsten in der Erbfolge zu. Wenn dieser auch ausschlägt, geht es weiter an den Nächsten. Ganz am Ende der Liste steht, wenn alle erbberechtigten Personen das Erbe ausgeschlagen haben, Vater Staat.

Bedingungen und Fristen. Es müssen zwei Bedingungen erfüllt sein, damit es zur Ausschlagung kommen kann. Zunächst muss der Erbfall eingetreten sein, d.h. der Erblasser ist verstorben und der künftige Erbe ist darüber auch informiert. Zum zweiten muss der Erbe wissen, dass er auch der Erbe ist.

An dieser Stelle sei gesagt, dass im Falle der gesetzlichen Erbfolge keine amtliche Benachrichtigung o.ä. über den Tod des Erblassers verschickt wird und Sie informiert werden, dass Sie Erbe sind. Eine Benachrichtigung erfolgt nur, wenn es eine letztwillige Verfügung/Testament gibt oder Sie in der Erbfolge nachrücken. 

Ab der Eröffnung des Testaments bzw. einem Termin beim Nachlassgericht läuft die Zeit zur Ausschlagung des Erbes. Der Gesetzgeber gibt hier sechs Wochen Zeit. Hatte der Verstorbene seinen letzten Wohnsitz im Ausland oder hat sich der Erbe im Ausland befunden, als er von seinem Erbe erfahren hat, beträgt die Frist sechs Monate.

FAZIT. Wer nun Erkundigungen einziehen möchte, sollte das unbedingt schnell machen vergessen Sie aber nicht eine Sterbeurkunde zusammen mit dem Familien-Stammbuch bei Banken, Instituten etc. vorzulegen. Banken verlangen meist als erstes einen Erbschein. Stopp! Diesen auf keinen Fall beantragen. Denn sobald Sie einen Erbschein beantragen, haben Sie damit automatisch das Erbe angetreten! Ebenso sollte im Hinterkopf sein, dass wenn der Erbe von der Erbschaft Kenntnis hat, er sie aber nicht form- und fristgerecht ausschlägt, das Erbe als angenommen gilt. Die betroffene Person wird also ungefragt und ohne sein Zutun Erbe. Wir raten, bei jeder nicht klaren Erbschaft zunächst innerhalb der Fristen einen Rechtsanwalt zu konsultieren und sich beraten zu lassen.


Michael Hofstetter

Kurz nachgefragt bei Rechtsanwalt Michael Hofstetter
Der Rechtsanwalt und Kanzleiinhaber aus dem schwäbischen Ludwigsburg ist Fachanwalt für Familienrecht und Arbeitsrecht und mit Erbfällen seit langem vertraut.
www.rae-hofstetter.de

Was ist, wenn der Erbe bei Antritt des Erbes nichts von der Überschuldung wusste?
Das Nachlassgericht informiert die Hinterbliebenen zunächst nur darüber, dass ein Nachlass besteht. Über eventuelle Schulden kann das Nachlassgericht in aller Regel keine Auskünfte geben. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass der Erblasser sich selbst einen Überblick über die Vermögenslage des Verstorbenen verschafft. Hierzu muss er sich einen Überblick über die Konten verschaffen, Erkundigungen bei den zuständigen Ämtern einholen, die Rechnungen des Verstorbenen sichten und nach den Mietzahlungen, Versicherungen und weiteren regelmäßigen Zahlungsverpflichtungen schauen. Außerdem sollte er sich erkundigen, ob hier irgendwelche Zahlungsrückstände bestehen. Grundsätzlich gilt nämlich: wer das Erbe nicht ausschlägt wird Erbe, auch wenn er von der Überschuldung nichts wusste. Im Zweifel haftet er dann auch mit seinem gesamten Privatvermögen.

Was ist, wenn der Erbe minderjährig ist?
Rechtlich ist dies unproblematisch möglich, da ein Mensch nach deutschem Recht mit der Geburt erbfähig wird. Hat ein minderjähriges Kind eine Erbschaft gemacht, dann wird es auch unmittelbar mit dem Erbfall alleiniger Eigentümer der geerbten Vermögensgegenstände. Bis zu seinem 18. Geburtstag kann der Minderjährige allerdings nicht über das Vermögen verfügen, da er in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkt ist und damit den Eltern des Minderjährigen das Recht und die Pflicht zufällt, sich stellvertretend für den Minderjährigen um dessen Vermögen zu kümmern. Grundsätzlich haben die Eltern aber zu beachten, dass auch im Rahmen der ihnen zugewiesenen Vermögenssorge das Wohl des Kindes immer im Vordergrund zu stehen hat. Aus diesem Grund sind sie verpflichtet, mit dem Erbe des Kindes in dessen Sinne und sorgsam umzugehen. So dürfen die Eltern geerbtes Geld des Kindes nach § 1642 BGB zum Beispiel nicht selbst aufbewahren, sondern müssen es für das Kind anlegen.

Wo und wie kann ich das Erbe ausschlagen?
Die Ausschlagung ist nur möglich innerhalb von 6 Wochen nach Kenntnis vom Erbrecht. Es ist hierzu eine Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht oder vor einem Notar notwendig (Formgebundenheit).

Kann ich die Entscheidung rückgängig machen?
Die Ausschlagungserklärung ist grundsätzlich unwiderruflich. Ausnahmen regeln §§ 1949 bis 1957 BGB, wenn sich der Erbe in einem Erklärung- oder Inhaltsirrtum befand, wenn er durch Drohung oder Täuschung zu der Erklärung veranlasst wurde oder wenn er gar nicht wusste, dass ihm ein Ausschlagungsrecht zustand.

Was kostet es, das Erbe auszuschlagen?
Für die Erklärung einer Erbausschlagung werden Gerichtsgebühren fällig. Deren Höhe bemisst sich nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz sowie dem Nachlasswert. Gemäß Kostenverzeichnis kostet eine Ausschlagung eine halbe Gebühr. Bei einem Nachlasswert von 5.000 Euro entspricht dies zum Beispiel einer Summe von 30,00 Euro, bei einem Nachlasswert von 50.000 Euro einer Summe von 82,50 Euro. Ist der Nachlass überschuldet, fällt lediglich eine pauschale Gebühr in Höhe von 30,00 Euro für die Ausschlagung an.

Und was ist, wenn der Nachlass doch nicht überschuldet war?
Es kann vorkommen, dass erst nach erklärter Ausschlagung größere Vermögenswerte entdeckt werden. Es gibt dann die Möglichkeit, binnen einer Frist von 6 Wochen nach Kenntnis von diesem Irrtum die Ausschlagung der Erbschaft anfechten zu können. Dies ist allerdings nur in den sehr engen Grenzen des § 1954 BGB zulässig.

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