Die Stimmung an den Börsen ist (man möchte fast sagen) unerwartet stabil. Nach einem über weite Strecken trägen September hat der Oktober bisher eine erfreulich bullishe Wendung genommen. Der DAX hat sich jüngst auf ein neues Rekordhoch geschwungen, während der US-Markt zwischen Zinssenkungsfantasie und politischer Unsicherheit in Washington geradezu schlafwandlerisch auf neuen Allzeithochs wandelt.
Und mittendrin: Gold. Das Edelmetall erklimmt in einem Tempo neue Höhen, das sogar erfahrenen Marktbeobachtern Respekt abnötigt. Was also ist los an den Märkten und wohin geht die Reise? Ein Blick auf die Hintergründe und Einschätzungen von zwei versierten Analysten – François Rimeu von Crédit Mutuel Asset Management und Carsten Menke von Julius Bär – hilft, das Bild zu schärfen.
Solides Wachstum, fragiles Fundament
François Rimeu, Senior Strategist bei Crédit Mutuel Asset Management, sieht in seinem aktuellen Kommentar eine robuste konjunkturelle Grundlage – insbesondere getragen vom anhaltend starken Konsum in den USA. „Der US-Konsum könnte die Skeptiker erneut überraschen und stärker als erwartet wachsen“, lautet seine zentrale These. Zwar schwächelt der Arbeitsmarkt leicht, doch der Konsum – und hier insbesondere jener der wohlhabenderen Haushalte – zeigt sich widerstandsfähig.
Rimeu verweist auf zwei strukturelle Treiber: Einerseits gehe das Angebot an Arbeitskräften aufgrund demografischer Effekte zurück. Andererseits profitierten vermögende Haushalte massiv vom Anstieg der Assetpreise und kurbelten mit ihrem Konsum weiterhin das Wachstum an. Die Reallohnentwicklung sei zwar für große Teile der Bevölkerung belastend, habe aber auf den Gesamtverbrauch bislang nur begrenzt durchgeschlagen. Fazit: Noch hält der US-Konsum das globale Wachstum auf Kurs.
Doch nicht alles glänzt auf Dauer. Rimeu warnt vor zunehmenden geopolitischen Risiken, insbesondere im Verhältnis zwischen Russland und seinen Nachbarn, sowie vor einer möglichen Schwächung der Unternehmensmargen durch sinkende Preissetzungsmacht. Auch die EZB dürfte in den kommenden Monaten kaum Impulse liefern. Die Märkte müssen sich auf ein wirtschaftliches Eigenleben einstellen.
Seine Positionierung bleibt entsprechend vorsichtig-optimistisch: „Wir tendieren leicht zu Aktien“, sagt Rimeu, bevorzugt dabei Schwellenländer und europäische Industrieunternehmen, weniger stark dagegen US-Tech-Aktien, bei denen er nur begrenztes Aufwärtspotenzial sieht. Auch beim Anleihenmarkt bleibt er zurückhaltend, während seine Einschätzung zu Gold unmissverständlich ist: positiv.
Gold glänzt stärker denn je
Carsten Menke, Head Next Generation Research bei Julius Bär skizziert in seinem aktuellen Kommentar die vielleicht beeindruckendste Entwicklung dieses Jahres: Gold. Das Edelmetall ist auf dem Weg zur besten Jahresperformance seit dem Jahr 1979. Und das mit über 50 Prozent Plus seit Jahresbeginn.
Die Gründe sind laut Menke vielfältig und keineswegs rein spekulativ: Eine sich abkühlende US-Wirtschaft, sinkende Zinsen und ein schwächerer US-Dollar bieten ein perfektes Umfeld für Gold. Hinzu kommen institutionelle Faktoren wie die anhaltenden Käufe der Zentralbanken, vor allem aus Schwellenländern, die sich strategisch von der US-Währung als alleinigem Sicherheitsanker lösen wollen.
Menke erwartet keine tiefgreifende Korrektur, sondern maximal eine temporäre Übertreibung. Der Markt sei zwar heiß gelaufen, doch die fundamentale Nachfrage – insbesondere die strukturelle durch Zentralbanken – bleibe intakt. „Gold hat Rückenwind sowohl zyklisch als auch strukturell“, so seine Einschätzung.
Sein Ausblick ist ambitioniert: Das 3-Monats-Kursziel liegt bei 4.150 US-Dollar, das 12-Monats-Ziel gar bei 4.500 Dollar pro Unze. Silber könnte dabei im Kielwasser mitziehen – mit Zielmarken von 50 bzw. 54 US-Dollar.
Das marktEINBLICKE-Fazit
Ob François Rimeus vorsichtig optimistische Allokation oder Carsten Menkes Gold-Euphorie – eines eint beide Perspektiven: Der Blick auf das große Ganze. Und der ist bei aller Unruhe derzeit erstaunlich konstruktiv.
In dieser Gemengelage ist das zentrale Stichwort für Anleger: Diversifikation. Wer sein Portfolio langfristig aufstellt, hat mehr als nur einen Fuß in der Tür. Baustein-Aktien, Gold, Anleihen – jede Anlageklasse spielt ihre Rolle. Und Gold könnte sich gerade als jener Baustein entpuppen, der das Gleichgewicht stabil hält.
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Christoph A. Scherbaum & Marc. O. Schmidt
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