Seit vergangener Woche sind sie wieder im Fokus der Börsianer: Die Quartalszahlen sprudeln nur so durch die Börsenwelt. Jeden Tag melden DAX-, S&P500- und Dow Jones-Konzerne, was sie in den vergangenen drei Monaten erwirtschaftet haben, teils mit Gewinnwarnung, einem Umsatzsprung oder leicht verfehlten Analystenerwartungen. Und wie immer kommt sofort Bewegung in die Kurse: ein Prozent rauf, drei Prozent runter, Analysten setzen Kursziele herauf oder herab, TV-Experten diskutieren über operative Margen und Wachstumsmärkte.
Das alles kann man sich anschauen. Man kann es auch lassen. Denn:
Für langfristig orientierte Anleger ist die Quartalsberichtssaison zwar ein Fixpunkt im Börsenkalender, aber selten ein Grund zur Panik oder gar ein Anlass, das eigene Depot umzuschichten. Wer klug investiert und auf solide Baustein-Aktien setzt, weiß: Es geht um die nächsten zehn Jahre, nicht um das nächste Quartal.
Der Zwang zur Zahl
Das moderne Börsenwesen liebt Zahlen. Alles wird vermessen, bewertet, eingeordnet. Jede noch so kleine Abweichung vom Analystenkonsens, der wohlgemerkt oft selbst ein Sammelbecken von Mutmaßungen ist, wird als verlässliches Signal gedeutet: über Erfolg oder Misserfolg, Zukunft oder Abstieg.
Aber was sagen drei Monate, also exakt ein Viertel eines Kalenderjahres, tatsächlich über den nachhaltigen Erfolg eines Unternehmens aus? Ziemlich wenig. Besonders in einer Zeit, in der globale Lieferketten schwanken, geopolitische Risiken unberechenbar sind und auch die konjunkturelle Großwetterlage von Woche zu Woche wechselt.
Ein schlechtes Quartal macht noch keinen schlechten Trend. Und ein starkes Quartal macht noch keinen Outperformer.
Von Hypes und Hoffnungen
Ein besonders gutes Beispiel dafür ist der aktuelle KI-Boom. Keine Frage, Künstliche Intelligenz ist einer der größten technologischen Umwälzungsprozesse unserer Zeit. Viele Unternehmen investieren Milliarden, um in diesem Zukunftsmarkt eine Rolle zu spielen – vom Halbleiterhersteller bis zum Softwareanbieter, von der Cloud-Plattform bis zur Automatisierungslösung. Die Fantasie ist grenzenlos.
Aber genau das ist der Punkt: Fantasie ersetzt keine solide Unternehmensstrategie. Wer auf KI setzt, sollte Unternehmen analysieren, die technologisch führend sind, realen Mehrwert liefern und bewiesen haben, dass sie ihr Geschäftsmodell anpassen können. Nicht jede Aktie, die „AI“ im Namen oder im Quartalsbericht erwähnt, ist ein Kandidat für das Langfristdepot.
Der Blick fürs Ganze
Erfolgreiche Investoren wissen: Börse ist ein Marathon, kein Sprint. Es geht nicht darum, das nächste NVIDIA oder das nächste Amazon zu erwischen, bevor alle anderen es tun. Es geht darum, auf Dauer Vermögen aufzubauen – mit Substanz, Struktur und Strategie.
Baustein-Aktien – also Titel mit bewährtem Geschäftsmodell, solider Bilanz und nachhaltigem Wachstum – sind dafür der ideale Grundstein. Hier lohnt sich ein Blick auf Cashflows, Marktpositionierung und vor allem auf die Fähigkeit, sich in wechselnden Konjunkturphasen zu behaupten. Quartalszahlen können ein Puzzlestück sein, aber eben nur eines von vielen.
Schwankungen sind normal – Emotionen nicht
Ein weiteres Problem an der Quartalszahlen-Kultur: Sie verführt zur Reaktion. Zu schnellen Entscheidungen. Zu hektischem Kaufen und Verkaufen. Dabei ist emotionale Disziplin an der Börse mindestens so wichtig wie Fachwissen.
Wenn Anleger jedes Mal ins Grübeln geraten, wenn ein Titel 2 Prozent fällt, obwohl der Umsatz „nur“ um 5 statt der erwarteten 6 Prozent gestiegen ist, dann ist das ein Rezept für Frust, aber nicht für Vermögen. Börsenkurse schwanken, das ist keine Ausnahme, sondern die Regel. Wer investiert, braucht nicht nur Kapital, sondern auch Geduld.
Das marktEINBLICKE-Fazit
Quartalszahlen liefern wichtige Einblicke. Sie zeigen, wo ein Unternehmen steht, wie es auf neue Herausforderungen reagiert und ob sich der langfristige Trend bestätigt. Aber sie sind eben nur eine Momentaufnahme. Keine fundierte Anlageentscheidung sollte sich allein auf ein Quartal stützen.
Wichtiger ist, das große Ganze im Blick zu behalten: Ist das Geschäftsmodell intakt? Stimmen die Zukunftsaussichten? Kann das Unternehmen wirtschaftliche, politische und technologische Umbrüche meistern?
Oder wie Börsenlegende Warren Buffett es einmal formuliert hat: „Investiere nur in ein Unternehmen, dessen Geschäft du auch verstehst.“
In diesem Sinne: Bleiben Sie in der Bilanzsaison entspannt.
Ihre marktEINBLICKE-Herausgeber
Christoph A. Scherbaum & Marc. O. Schmidt
P.S. Alle Daten der Daten der kommenden Handelswoche und Prognosen finden Sie in unserem Wirtschaftskalender.








