Jahrzehntelang bestand unter Geldpolitik-Experten und Politikern weitgehend Einigkeit: Unabhängige Notenbanken sind Garanten für stabile Preisniveaus. Eine niedrige Inflationsrate wiederum ist ein wesentlicher Bestandteil einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft. Dieses Mantra geriet jedoch ab 2008 sukzessive und seit der Coronakrise immer stärker in Gefahr.
Zunächst mussten Notenbanken weltweit im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise nach der Lehman-Insolvenz im Jahr 2008 durch drastische Zinssenkungen und massive Wertpapierkäufe einen Kollaps des Weltfinanzsystems verhindern. In Europa sorgte ab 2011 die Euro-Vertrauenskrise infolge der drohenden Griechenland-Pleite für eine erneute Intervention der Europäischen Zentralbank (EZB), die in der Folge jahrelang eine beispiellose Null- und Negativzinspolitik umsetzte. Begleitet wurde diese Phase zunächst durch anhaltend sehr niedrige Inflationsraten unterhalb des EZB-Ziels von 2 Prozent.
Die folgende Coronakrise sorgte zunächst für global stark steigende Staatsschulden und indirekt – im Zuge des an die Lockdowns anschließenden Nachfragebooms verbunden mit Lieferkettenengpässen – für explodierende Inflationsraten. Notenbanken verließen – vielfach zu spät – innerhalb kürzester Zeit ihren jahrelangen ultraexpansiven Pfad und hoben die Leitzinsen an, wodurch sich die Refinanzierung staatlicher Schulden verteuerte und die finanziellen Spielräume der Fiskalpolitik eingeschränkt wurden.
Ein naheliegender Reflex der Politik ist der Angriff auf die Unabhängigkeit der Notenbank und das Anzapfen der vermeintlich unerschöpflichen Liquiditätsquelle. Direkte Attacken der US-Regierung unter Präsident Trump auf Fed-Präsident Jerome Powell sowie die Implementierung des Trump-Gefolgsmanns Stephen Miran im Entscheidungsgremium der Notenbank sind klare Anzeichen.
Doch auch indirekt kann eine Notenbank unter Zugzwang geraten. In Großbritannien musste die Bank of England im Jahr 2022 nach einem deutlichen Zinsanstieg und einer rasanten Abwertung des Pfunds eingreifen, um die Märkte zu beruhigen. In Frankreich dürfte die EZB ebenfalls als letzte Instanz eintreten, sollte die politische Unsicherheit in zu stark steigenden Zinsen münden.
Die immer offensichtlichere Dominanz der Fiskal- über die Geldpolitik ist einer der wesentlichen Gründe für die zuletzt starke Nachfrage nach realwertorientierten Kapitalanlagen wie Edelmetallen, aber auch Aktien sowie Krypto-Anlagen. Es ist anzunehmen, dass dieser Trend vorerst anhalten dürfte – und mögliche zwischenzeitliche Kursrücksetzer Kaufgelegenheiten darstellen.
Ein Beitrag von Carsten Mumm
Er ist Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel. Das Traditionshaus mit Sitz in Hamburg und München setzt auf qualifizierte und umfassende Beratung für vermögende Privatkunden, Unternehmer, Immobilienkunden und institutionelle Kunden.
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