NVIDIA wird zum Bankier der KI

Mit mehr Geldzuflüssen pro Quartal als die meisten Konkurrenten in einem Jahrzehnt sehen, steht der KI-Riese NVIDIA nun vor einem seltenen Problem...

(Bildquelle: NVIDIA Presse)

NVIDIA (WKN: 918422 / ISIN: US67066G1040) stellt nicht mehr nur Chips her – es schafft Märkte. Mit mehr Geldzuflüssen pro Quartal als die meisten Konkurrenten in einem Jahrzehnt sehen, steht der KI-Riese nun vor einem seltenen Problem: Was tun mit fast 100 Mrd. US-Dollar an jährlichem Free Cashflow? Für die meisten Unternehmen wäre das ein Traum. Für NVIDIA ist es zu einer strategischen Herausforderung geworden: Zu vorsichtig investieren und Stagnation riskieren, zu leichtsinnig investieren und Blasen riskieren. Die Antwort? Geld als Waffe einsetzen – um Kunden zu finanzieren, sich bei Wettbewerbern einzukaufen und sich in allen Bereichen der Datenverarbeitung zu etablieren.

Zu viel Geld zu haben, bringt jedoch ein einzigartiges Dilemma mit sich. Wenn das Geld einfach in Rückkäufe oder Dividenden investiert wird, besteht die Gefahr, dass NVIDIA dafür kritisiert wird, nicht aggressiv genug zu investieren. Eine unüberlegte Ausgabe birgt das Risiko, den Unternehmenswert zu gefährden. Der weltweit wichtigste Hersteller von KI-Chips steht nun vor einer Frage, mit der sich nur wenige Unternehmen jemals auseinandersetzen mussten: Wie setzt man Geld in einem so großen Umfang ein, dass es ganze Branchen verändern kann?

Der OpenAI-Pakt: Groß angelegte Herstellerfinanzierung

Die Schlagzeile lautet: NVIDIA verspricht, bis zu 100 Mrd. US-Dollar in OpenAI zu investieren. Es handelt sich dabei nicht um einen einmaligen Scheck, sondern um eine unverbindliche Absichtserklärung, in den nächsten Jahren bis zu 10 Gigawatt neue KI-Rechenzentrumskapazität zu finanzieren. Zum Vergleich: Ein einzelner Kernreaktor erzeugt etwa ein Gigawatt.

Auf den ersten Blick klingt dies wie ein außergewöhnlicher Vertrauensbeweis für OpenAI. Aber wenn man genauer hinschaut, wird die Logik klarer: OpenAI wird einen Großteil dieses Kapitals für den Kauf von NVIDIA-GPUs verwenden. Mit anderen Worten: NVIDIA finanziert seine eigene Nachfrage. Analysten bezeichnen dies als „zirkuläre Finanzierung”, einen Trick, der während des Dotcom-Booms aufkam, als von Tech-Giganten finanzierte Startups sich umdrehten und die Produkte dieser Giganten kauften.

Kritiker warnen, dass dies die Nachfrage künstlich in die Höhe treiben und die Grenze zwischen echtem Kundenwachstum und Finanzengineering verwischen könnte. Es gibt jedoch auch eine strategischere Interpretation: NVIDIA ist nicht mehr nur ein Anbieter. Indem das Unternehmen seine Bilanz hinter wegweisende KI-Unternehmen stellt, wird es zum Bankier der KI-Revolution. Damit Entwickler wie OpenAI weiterwachsen können, muss sichergestellt werden, dass NVIDIA im Zentrum der KI-Infrastruktur bleibt.

Die Intel-Beteiligung: Einstieg in ein traditionsreiches Unternehmen

Das zweite Investment von NVIDIA liegt ganz anders. Das Unternehmen investierte 5 Mrd. US-Dollar für eine 4-prozentige Beteiligung an Intel und zahlte 23,28 US-Dollar pro Aktie – mehr als die 20,47 US-Dollar, die die US-Regierung kürzlich für ihre 10-prozentige Beteiligung gezahlt hatte.

Warum Intel? Schließlich verlor die Foundry-Sparte von Intel im Jahr 2024 13 Mrd. US-Dollar, und ihre Zukunft als Produktionsmacht ist ungewiss. NVIDIA ist bei der Produktion nach wie vor auf Taiwans TSMC angewiesen, und daran ändert auch dieser Deal nichts. Aber Intel verfügt über eine andere Art von Vermögenswerten: Kunden. Intel versorgt nach wie vor etwa 63 Prozent der weltweiten Server und praktisch den gesamten PC-CPU-Markt. Für die Kosten von nur elf Tagen Umsatz verschafft sich NVIDIA einen Einstieg in das größte und am besten etablierte Computing-Ökosystem der Welt.

Hier geht es weniger darum, Intel zu stützen, als vielmehr darum, die Reichweite von NVIDIA zu vergrößern. Da KI nicht nur in riesigen Cloud-Rechenzentren, sondern auch in PCs und Unternehmensservern Einzug hält, hat NVIDIA nun Zugang zu Märkten, die es bisher nur indirekt bedient hat.

Das große Ganze für Anleger

Für Privatanleger hat die Geschichte zwei Seiten. Auf der Risikoseite wirft die Finanzierung von Kunden durch NVIDIA unangenehme Fragen auf. Wenn die Nachfrage teilweise von NVIDIA selbst finanziert wird, handelt es sich dann um eine echte Akzeptanz durch die Endnutzer oder um finanzielle Augenwischerei? Ein Nachlassen der KI-Begeisterung könnte Überkapazitäten offenbaren.

Was die Chancen angeht, so zielt die Strategie von NVIDIA auf eine Festigung seiner Position ab. Das Unternehmen nutzt seine beispiellosen Cashflows, um das zu tun, was nur wenige Wettbewerber können: die Nachfrage finanzieren, in neue Märkte expandieren und sich im gesamten Computing-Stack unentbehrlich machen. Während andere sich bemühen, Schritt zu halten, spielt NVIDIA gleichzeitig die Rolle des Bankiers, Anbieters und Partners und zementiert so seine Marktdominanz.

Ein Beitrag von Thomas Rappold

Er ist Internetunternehmer, Buchautor und Investor. Bereits mit 14 Jahren erlernte er die frühen Programmiersprachen im Selbststudium auf dem damaligen Kultcomputer Commodore C64. Er ist profunder Kenner des Silicon Valley und dort an verschiedenen Start-ups beteiligt.

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