Warum sind die Deutschen im besten Alter Aktienmuffel?

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Es kann durchaus etwas „vorwurfsvoll“ festgestellt werden: die Deutschen sind Aktienmuffel und besonders die Generation „Babyboomer“ zeigt sich als aktienscheu. Aber warum ist das eigentlich so? Zum Artikel “Warum die Babyboomer die verlorene Aktien-Generation sind” einige Gedanken…

Ausgangslage. Der Zweite Weltkrieg wurde 1945 beendet. Wer mit Leib und Leben aus dem Krieg nach Hause zurückgekehrt ist, der hatte oft nicht mehr als die Kleider am Leib und ein paar persönliche Gegenstände im Gepäck. Familien waren häufig auseinandergerissen und verstreut, viele Menschen suchten ein neues Zuhause. Es begann die Zeit des Wiederaufbaus in Deutschlands. Die Gesellschaft bestand aus vielen hart arbeitenden Menschen, die in Fabriken ihren Lohn verdienten, im Handwerk arbeiteten und haupt- oder nebenberuflich Landwirtschaft betrieben. Ein Acker, eine Streuobstwiese und ein Gemüsegärtchen mit gutem Boden, das war Gold wert. Sicherheitsaspekte hatten Priorität und Ziele lauteten: Geld beisammen halten, sparen, ein Eigenheim bauen. Wer dachte da an Aktien? Vielleicht die besser betuchten und gebildeten Leute in den besseren Wohngegenden. Es waren andere Zeiten.

Die Wirren der Kriegszeit sollten jedoch ihre Spuren hinterlassen haben in den Köpfen der Menschen und deren Nachkommen. Aber es wurde besser im Staate: ein Leben mit Wirtschaftswachstum, Sicherheit, Kultur in der Gesellschaft sowie einer steigenden Geburtenzahl.

In Westdeutschland war das Leben für geborene Kinder in der zweiten Hälfte der 60er Jahre bereits angenehm. Es existierte tatsächlich ein (soziales) Leben, und dies sogar ohne Internet und heutigem Schnick Schnack. Der Zugang zu Informationsquellen war allerdings nicht so komfortabel und umfassend wie heute. Bücher und Lexika sammelten sich im Schrank des Jugendzimmers und Lesestoff konnte in der Stadtbücherei ausgeliehen werden. Briefe und Postkarten wurden von Hand geschrieben oder mit der Schreibmaschine. Zum Freizeitvergnügen gehörten Radio, Kassetten, Schallplatten, drei deutsche Fernsehsender. Später wurde das Leben noch komfortabler durch die Einführung der Privatsender und CDs. Die Auswahl an Konsumartikeln war damals doch eher übersichtlich, genauso die Zahl der ortsansässigen Geschäfte bei denen man einkaufen konnte. Für mehr Auswahl oder spezielle Wünsche fuhr man in die nächste größere Stadt. Die Beschenkung der Kinder zu Anlässen wie Geburtstag und Weihnachten ist in zahlreichen Familien relativ bescheiden ausgefallen und war mitunter abhängig von der Anzahl an Familienmitgliedern. Wer in Ostdeutschland noch Verwandtschaft hatte, der schickte immer mal Pakete mit erlaubten Lebensmitteln, Gegenständen und Kleidung dorthin.

Das Bildungssystem dieser Generation, der Enkelkinder der Heimkehrer, sollte schon ein anderes gewesen sein als jenes von ihren Eltern, die nach dem Krieg geboren wurden. Der Ausländeranteil an Schulen in den 70er, 80er, 90er Jahren war relativ gering im Vergleich zu heute. Abiturienten starteten ein Studium oder absolvierte eine Berufsausbildung in Branchen wie Bank- und Versicherungswesen. Hauptschüler und Realschüler gingen überwiegend in die Lehre um eine solide Berufsausbildung im kaufmännischen oder handwerklichen Bereich zu erlangen oder starteten ins Beamtentum. Junge Männer leisteten außerdem ihren Wehrdienst oder Zivildienst. Wer in großen namenhaften Betrieben gelernt hatte, der ist oftmals heute immer noch dort.

Nutzen für den Alltag: wurden in diesen Jahrzehnten den Schülern im Schulwesen der Umgang mit beispielsweise Finanzen vermittelt? Wie viele Menschen dieser Generationen haben ein Depot, ein Interesse oder Verständnis für Geldanlage und Wertpapieren sowie am Umgang mit modernen Kommunikationsmitteln? Woher hätten sie dies alles in ihrer Jugendzeit erlernt können? In Zeiten der Deutschen Mark. Ob eigentlich wohl alle Bürger oder Sparer mit der Währungsumstellung auf Euro zufrieden und glücklich geworden sind? In manchen Ländern wurden einfach die jeweiligen Landeswährungen behalten trotz Mitgliedschaft in der EU. Allerdings wird schon bei Teilnehmern zwischenzeitlich der Exit gesucht…

Es kann sich die Frage stellen, warum Menschen, die diese Zeiten erlebt haben, „mutig“ sein sollten bzw. mit ihren sauer ersparten Moneten an den Aktienmarkt gehen sollten? In ein Haifischbecken. Besonders Menschen, die schon in Richtung Ruhestand marschieren oder diese Lebensphase bereits erreicht haben. Eine Anzahl von Anlegern wird sicherlich ein Wertpapierdepot unterhalten – das z.B. vom Sohnemann geführt wird. Neben Sicherheitsbedürfnissen wohl auch alles eine Sache des Geldes.

Sparen und Investieren in Investmentfonds, ETFs, ETCs ist freilich ein Thema für Jedermann , auch hinsichtlich Vorsorge für das Alter. Aber eine Investition tätigen in Einzelaktien? In Belegschaftsaktien würde wahrscheinlich ohne zu zögern investiert werden, sofern jemand in einem entsprechenden Betrieb als Mitarbeiter angestellt ist. Aber trotz Diversifikation im Depot: selbst wenn nur eine Aktiengattung stark im Minus ist oder gar das Unternehmen insolvent wird, dann ist das ein Geldverlust in der persönlichen Kasse. Stehen sämtliche Fonds wegen einer Krise tief im Minus und dies kurz vor Rentenbeginn oder später, was würde das für Auswirkungen haben auf Menschen, die sich einen ruhigen letzten Lebensabschnitt wünschen? Der deutsche Bürger ist wohl eher nicht gerade bekannt für seine ausgeprägte Risikobereitschaft oder auch auf die Straße zu gehen wenn ihm was nicht passt. Dies sieht man doch eher im Fernsehen bei Menschen aus anderen Ländern. Bei anderen Autoren liest man mittlerweile bereits über hohe Staatsverschuldungen, schwarze Schwäne und dass es doch gut sei, beispielsweise in Waldstücke und Streuobstwiesen zu investieren und für den Fall der Fälle ein eigenes Gärtchen zu besitzen zwecks Eigenversorgung.

Zu berücksichtigen ist außerdem, dass die Einlagenzinsen früher, aber nicht in der Steinzeit, höher waren als heute in Zeiten der sogenannten Nullzinspolitik. Damals ging der Sparer zur Bank um ein Sparbuch zu eröffnen für sich selbst, Kinder, Enkelkinder. War zu viel Geld auf dem Giro- oder Sparkonto, dann wurde dieses umgeschichtet. Das Kapital wurde auf der Bank in diverse Sparformen angelegt wie Sparzertifikate und Festgelder sowie mündelsichere Wertpapiere oder Bundeswertpapiere. Auch bei Bausparverträgen gab es besonders bei Renditevarianten eine doch gute Verzinsung. Geld konnte also renditebringend angelegt werden auch ohne in schwankungsreiche risikobehaftete Anlageformen wie Aktien investieren zu müssen.

Historische Zinssätze sind hier bei der Bundesbank einzusehen. Die Inflationsrate in Deutschland im Jahr 2018 beträgt 1,9%.

Entwicklung von Tagesgeldzinsen und Inflationsrate

Es geht doch nichts über Fakten. Bei Auswertungen, Studien und Umfragen könnte man sich vielleicht fragen: Wer wurde da denn eigentlich befragt? Von wieviel Menschen ist die Rede und aus z.B. aufgrund welcher Kriterien wurden diese ausgewählt? Gibt es eigentlich auch Umfrageergebnisse von Leuten, die ihr Geld an der Börse verloren haben? Bei negativen Ergebnissen oder Erfahrungen, da wird doch oftmals gerne geschwiegen….

Warum sollte eigentlich eine Person, die damals schon nicht ihr Geld in Aktien stecken wollte, es im späteren Alter tun? Und ist es nicht auch eine Sache der Verantwortung, insbesondere älter Menschen vor bzw. im Ruhestand mit keinen oder nur geringfügigen Kenntnissen in den Aktienmarkt hineinführen zu wollen?

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