Deutscher Derivate Tag 2019: Weit mehr als ein Branchentreff

Angesichts der Tatsache, dass die Anleger in Deutschland nicht nur Risikoscheu, sondern darüber hinaus auch noch die Zinsen weiterhin niedrig sind, spielen strukturierte Wertpapiere eine immer größere Rolle. Sie sorgen für funktionierende Märkte und sind in der Abwicklung preislich sehr konkurrenzfähig. Darüber hinaus lassen sich Risiken mit diesen Produkten deutlich eindämmen.

Von Risiken, politischen wie wirtschaftlichen, und entsprechend volatilen Märkten war beim Deutsche Derivate Tag viel die Rede. Gleich zur Eröffnung betonte der Geschäftsführende Vorstand des DDV, Dr. Henning Bergmann die guten Umfeldbedingungen für Zertifikate und Optionsscheine. “Wenn Märkte unsicherer und die Kurse volatiler werden, ist das für unsere Branche eine große Chance.” Bergmann warnte den Gesetzgeber vor Einführung einer Finanztransaktionssteuer, die die angestrebte Kapitalmarktunion nur gefährde und zu einer Zersplitterung führen werde. Mit einem positiven Blick auf die Blockchain und die Nachhaltigkeitsdebatte unterstrich Bergmann die Innovationsbereitschaft der Derivatebranche. 

Es war ein ausgesprochen spannender Derivate Tag mit prominenten Referenten wie unter anderen Dr. Edmund Stoiber und Jakob Augstein, die weit über den Tellerrand des Tagesgeschäfts hinausblickten, fesselte ein bis auf den letzten Platz mit Profis besetztes Plenum, zeigte aber auch die Freude an der politischen Auseinandersetzung im DDV und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen. Nach dem Motto “Gegensätze ziehen sich an” bestätigten sich Stoiber wie auch Augstein zur Verblüffung der Zuhörer gegenseitig in ihrer politischen Analyse. Stoiber warnte vor China. Dieses autoritäre Regime fordere den Westen ökonomisch und politisch ganz anders heraus als die ehemalige Sowjetunion, weil es wirtschaftlich erfolgreich ist und die Lebensumstände der Menschen stetig verbessere. Augstein wiederum sieht den Ursprung allen politischen Übels im Neoliberalismus, gepusht durch den Fall der Mauer. Die seither wachsende Ungleichheit habe die AfD zu dem gemacht, was sie heute ist.

Wir haben am Rande der Veranstaltung mit Jakob Augstein unter anderem über den Einsatz von Finanzprodukten gesprochen:

Jakob Augstein ist ein deutscher Journalist und Verleger. Er ist Miteigentümer der Spiegel-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG. und Eigentümer, Geschäftsführer, Verleger und Chefredakteur der Wochenzeitung der Freitag. Geboren 1967, studierte Germanistik, Theaterwissenschaft und Politikwissenschaft in Berlin und Paris. Nach Stationen bei der Süddeutschen Zeitung und der Zeit ist er seit 2008 Verleger der Wochenzeitung Der Freitag. Er diskutiert wöchentlich mit Nikolaus Blome auf Phoenix in der Sendung „Augstein und Blome“ über ein aktuelles Thema. Das Format wurde für den Grimme Preis 2013 in der Kategorie „Information und Kultur“ nominiert.

Was halten Sie von Plänen, wonach der Staat den Aktienkauf zur Altersvorsorgestärker fördern sollte?

Friedrich Merz hat das ja unlängst gefordert – und hat damit keine Begeisterungsstürme ausgelöst, was vor allem auch daran lag, dass da der Aufsichtsratschef eines Vermögensverwalters sprach. Wenn man mal die Scheuklappen abnimmt muss man zugeben: die Deutschen haben immer noch viel zu viel Angst vor dem Aktienmarkt. Abgesehen davon können über die Arbeitnehmersparzulage jetzt schon Fondssparpläne gefördert werden.

Warum wissen die Bundesbürger in ihrer Mehrheit zu wenig über Rente und Altersvorsorge?

Es ist normal, dass man sich nicht gerne mit dem Alter befasst, wenn man noch jung ist. Außerdem wirkt immer noch ein Bild der Vergangenheit nach: Lebenslange Festanstellung und dann eine anständige und berechenbare Rente. Aber das war mal. Heute gibt es einen schwer zu durchschauenden Dschungel von traditioneller Rente und staatlicher Förderung privater Vorsorgemaßnahmen.

In wie weit können Sie die aufkeimende Diskussion über Ängste der Altersarmut insbesondere der geburtenstarken Generation nachvollziehen?

Das ist der schiere Realismus. Die Leute verlassen sich immer noch auf ihre Rente und auf traditionelle Maßnahmen der Vorsorge: Sparbücher, Festgelder und Anleihen. Und angesichts eines dauerhaft niedrigen Zinsniveaus kommt man damit heute nicht mehr weit. Erwerbsbiographien sind heute zersplittert und der Niedriglohnsektor ist gigantisch. Lauter Gründe, Angst vor Altersarmut zu haben.

Wie gehen Sie dieses vielschichtige Thema der eigenen Altersvorsorge an?

Ich glaube an Aktien – solange wir den Kapitalismus haben, sollte man ihn nutzen.

DDV, Lars BrandauEin Beitrag von Lars Brandau

Er ist seit Gründung des Deutschen Derivate Verbands (DDV) dessen Geschäftsführer und vertritt den DDV auch in den Arbeitsgruppen des europäischen Dachverbands EUSIPA. Der studierte Germanist und Politologe gilt als ausgewiesener Kommunikationsprofi. Zuvor war Lars Brandau unter anderem in verschiedenen leitenden Funktionen beim Nachrichtensender n-tv tätig; zuletzt als Chefmoderator. In dieser Zeit berichtete er als Reporter aus Kriegs- und Krisengebieten, kommentierte zahlreiche Landtags- und Bundestagswahlen und moderierte drei Jahre lang die Telebörse. Weitere Informationen unter: www.derivateverband.de

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