Was ist aus LNG geworden?

Bildquelle: Chevron Australia Pty Ltd

Die Finanzkrise hat der zwischenzeitlichen Goldgräberstimmung rund um LNG (Flüssiggas) einen herben Dämpfer versetzt. Politische Risiken, die Suche nach Versorgungssicherheit, der wachsende Energiehunger auf unserem Globus und selbst der Umweltschutz könnten LNG zu einem Comeback verhelfen.

Wichtige Erdgasimporte

Auch wenn die Erneuerbaren Energien in den vergangenen Jahren einen enormen Aufstieg hingelegt haben, wird die Menschheit noch eine ganze Weile auf fossile Energieträger angewiesen sein. Erdgas wird häufig im Vergleich zu Kohle oder Öl noch die geringste Klimafeindlichkeit nachgesagt. Ein Grund, warum die Bundesregierung Erdgas als einen wichtigen Baustein bei der Energiewende sieht. Schon heute kommt Erdgas im deutschen Energiemix laut Statistiken der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen auf einen Marktanteil von knapp 25 Prozent. Es wird erwartet, dass dieser Anteil wachsen wird. Die Zukunft soll langfristig den Erneuerbaren Energien gehören, mittelfristig könnte jedoch Erdgas Trumpf sein. Dies bedeutet, dass der Erdgasimport in den kommenden Jahren immer wichtiger werden wird.

Im Jahr 2017 wurden lediglich etwas mehr als 7 Prozent der landesweit verbrauchten Erdgasmenge durch die heimische Förderung gedeckt. Vielmehr sinkt die Inlandsförderung seit 2004. Bisher wird der Import ausschließlich über Pipelines organisiert. Die wichtigsten Erdgaslieferanten sind Russland, Norwegen und die Niederlande. Für rund 50 Prozent dieser Importe ist Russland verantwortlich. Auch wenn es in Sachen Versorgungssicherheit in der Vergangenheit keine Probleme gab, bleibt das Thema Gasimporte politisch aufgeladen. Seit der Krim-Annexion Russlands im März 2014 und des bewaffneten Konflikts in der Ostukraine hat das Thema zusätzliche Bedeutung erlangt. Zumal nicht nur die russischen Gasimporte politisch aufgeladen sind. Fracking hat in den USA in den vergangenen Jahren für einen regelrechten Boom am Energiemarkt gesorgt. Mit entsprechenden Folgen.

Politisch hochbrisant

Beim Fracking wird unter hohem Druck ein Gemisch aus Wasser, Chemikalien und Sand in den Boden gepresst. Auf diese Weise sollen Gesteinsschichten aufgelockert werden, um das darin befindliche Öl oder Gas besser fördern zu können. Hierzulande wird über diese Bohrmethode kontrovers diskutiert, in den USA ist man dagegen deutlich weniger zimperlich. Dank des Produktionsanstiegs will das Land zu einem großen Gasexporteur werden. Diese Exporte sollen vornehmlich nach Europa fließen. Die US-Regierung würde es lieber sehen, wenn Deutschland US-Frackinggas importieren würde, an Stelle von russischem Pipeline-Gas. Im Mittelpunkt des Streits steht das Pipeline-Projekt Nordstream 2. Ein Frackinggasimport aus den USA wäre jedoch nur in Form von LNG (engl. Liquefied natural gas) möglich. Allerdings hat Deutschland noch kein Flüssiggasterminal. Dies soll sich bald ändern. Die aktuelle Bundesregierung hat sich die Themen Versorgungssicherheit und den Wettbewerb ganz groß auf die Fahnen geschrieben.

Deutschland will nicht nur Flüssiggas importieren, sondern zu einem zentralen Umschlagplatz in Europa für verflüssigtes Erdgas werden. So steht es im Koalitionsvertrag. Benötigt werden unter anderem LNG-Importterminals, Gasspeicher, Pipelines und LNG-Tanklastwagen. Nicht nur in Deutschland wird das Thema Flüssiggas derzeit heiß diskutiert. Das weltweite Wirtschaftswachstum sorgt für einen zunehmenden Energiehunger. Diesen soll auch Erdgas decken. LNG wird dabei großes Potenzial beigemessen. Allerdings ist dies nicht erst seit gestern der Fall. Vor der Finanzkrise 2008 hatte das Thema bereits Hochkonjunktur. Unternehmen, die sich mit LNG-Schiffen oder deren Betrieb, der Verflüssigung und der Vermarktung des Erdgases beschäftigten, wurden große Chancen eingeräumt. Zu der Goldgräberstimmung hatte auch der Umstand beigetragen, dass hohe Ölpreise die Erdgasnotierungen aufgrund der vorhandenen Preisbindung in die Höhe getrieben hatten. Die Finanzkrise beendete diese Goldgräberstimmung jedoch. Inzwischen ist das Thema LNG wieder aktuell.

LNG feiert ein Comeback

Der britisch-niederländische Öl- und Gasriesen Royal Dutch Shell (WKN: A0D94M / ISIN: GB00B03MLX29) rechnet laut einer Studie mit einem weltweit steigenden LNG-Angebot. Als Treiber sieht der Konzern unter anderem die Anstrengungen Chinas, die Luftqualität in Ballungsräumen mithilfe des Umstiegs von Kohle auf Erdgas zu verbessern. Insgesamt habe der LNG-Handel seit dem Jahr 2000 von 100 Millionen Tonnen auf 319 Millionen Tonnen im Jahr 2018 zugelegt. Auch beim Branchenkonkurrenten BP (WKN: 850517 / ISIN: GB0007980591) sieht man deutliches Wachstum für den LNG-Markt. 2040 soll Flüssiggas mehr als 15 Prozent des gesamten Erdgasmarktes abdecken. Angesichts solcher Prognosen ist es wenig verwunderlich, dass sich Unternehmen weltweit große Wachstumschancen im Bereich LNG versprechen und bereits einige wichtige Meilensteine erzielen konnten.

Ende 2018 ging mit der „AIDA Nova“ das erste Kreuzfahrtschiff, das mit Flüssiggas betrieben wird, in den Dienst. Das britisch-amerikanische Kreuzfahrtunternehmen Carnival (WKN: 120071 / ISIN: GB0031215220), zu dem die Marke AIDA Cruises gehört, hat außerdem eine Reihe weiterer LNG-betriebener Kreuzfahrtschiffe bestellt. Anfang 2018 hatte die südkoreanische Hyundai Mipo Dockyard Werft den ersten LNG-betriebenen Massengutfrachter (Bulker) ausgeliefert. Das Thema ist natürlich nicht nur im Schifffahrtsbereich aktuell. Im Herbst 2018 brachte Royal Dutch Shell die erste deutsche LNG-Tankstelle für Lkw in Hamburg an den Start. Damit nimmt das Unternehmen den Aufbau einer LNG-Infrastruktur für den Schwerlast-Verkehr in Deutschland in Angriff.

Shell-Konkurrent BP hat im Frühjahr 2019 sechs LNG-Tanker in Empfang genommen. Hierzulande hat sich RWE (WKN: 703712 / ISIN: DE0007037129) bereits frühzeitig mit einem Vertrag mit der German LNG Terminal GmbH, dem Joint Venture hinter dem geplanten ersten deutschen LNG-Terminal in Brunsbüttel, ein beträchtliches LNG-Kapazitätsvolumen gesichert. Interessant ist auch der Blick auf das US-Unternehmen Air Products. Dieses konnte sich in den vergangenen Jahren an die Spitze für LNG-Technologie und -Ausrüstung aufschwingen. Air Products bietet Technologie und Ausrüstung aller Größen für LNG-Verflüssigungsanlagen einschließlich Dienstleistungen zum erfolgreichen Planen, Bauen und Betreiben einer Gasanlage an.



Das LNG-Schiff

Kreuzfahrten gehören zu den schönsten Dingen im Leben. Gemeinhin wird der Branche aber nachgesagt, dass Kreuzfahrtschiffe Umweltsünder sind und es nur wenige Ausnahmen gibt. Deutsche Kunden gehen neuerdings mit einem LNG-Schiff auf Reisen.

Kreuzfahrten boomen, die Deutschen fahren voll darauf ab. Inzwischen sind sie auch im Bereich LNG vertreten. Das Kreuzfahrtschiff AIDAnova wurde im vergangenen Dezember in Dienst gestellt und ist mit modernster Technik für umweltschonenderes Reisen ausgestattet. Es ist zugleich das bisher größte Kreuzfahrtschiff, das in Deutschland gebaut wurde. 337 Meter lang, 65 Meter hoch und 42 Meter breit – Platz genug für fast 6.000 Passagiere, die in mehr als 2.600 Kabinen Platz finden. Vier leistungsstarke und effiziente Motoren der Firma Caterpillar bilden das Herzstück des Antriebssystems. Der Vorrat der drei LNG-Gastanks der AIDAnova soll für eine 14-tägige Kreuzfahrt reichen, das Schiff braucht keine Landstromversorgung.

Fairerweise muss man jedoch berichten, dass die AIDAnova auch mit „Backup“ fährt. Denn das Schiff hat auch einen Diesel stets mit an Bord – aber nur als Reserve, wenn es zu einem Ausfall des LNG-Systems kommen könnte und: Der Diesel wird zum Starten der vier LNG-Motoren benötigt. Zu den Motoren:

Diese werden mit LNG versorgt. Das Erdgas wird in drei Tanks bei minus 162 °C gelagert. Vor der Verflüssigung wird es in mehreren Stufen gesäubert. Dadurch verringert AIDA Cruises die Emission von CO2 um 20 Prozent, Stickoxide um 80 Prozent und den Ausstoß von Rußpartikeln und Schwefeloxiden sogar um 100 Prozent. Zusammen mit weiteren Systemen wie Wärmerückgewinnung und intelligentem Energiemanagement reduziert man so weiter den ökologischen Fußabdruck. Der richtige Schritt in Richtung emissionsfreie Kreuzfahrt ist gemacht.

In den Jahren 2021 und 2023 werden zwei weitere Schiffe dieser neuen AIDA Generation die Flotte von AIDA Cruises verstärken und weitere sechs neue LNG-Schiffe für andere Töchter der Carnival-Gruppe sind geplant. In Deutschland werden in weniger  als fünf Jahren mehr als die Hälfte aller AIDA-Gäste an Bord von Schiffen reisen, die entweder ganz oder teilweise mit emissionsarmem Flüssigerdgas betrieben werden können.



FAZIT

Schon einmal hatten Anleger die Chancen mit LNG-bezogenen Investments überschätzt. Die Finanzkrise und übertriebene Erwartungen machten ihnen einen Strich durch die Rechnung. Derzeit wird das Thema wieder interessanter. Allerdings handelt sich bei den betrachteten Unternehmen häufig um Rohstoff- und Energieriesen, deren Geschäft den Schwankungen der Weltmarktpreise für Rohöl oder Erdgas unterworfen ist. Außerdem sind sie häufig in politisch instabile Gegenden dieser Welt aktiv. Trotzdem haben sie sich in der Vergangenheit einen Ruf als solide Dividendenwerte erworben, die Anlegern auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten attraktive Ausschüttungen anbieten. Diese können Anlegern als Puffer dienen, falls es mit dem erhofften Wachstum im Bereich LNG und den Kurssteigerungen doch nichts werden sollte.

Bildquelle: Chevron Australia Pty Ltd