Aktienmarktkorrektur durch Corona-Verunsicherung

Bildquelle: Pressefoto Deutsche Börse AG

Der Auslöser: Aus medizinischer Sicht bewegen sich die Auswirkungen des Coronavirus nach wie vor im Rahmen einer nicht unüblichen schweren Grippewelle. Für Verunsicherung sorgte zunächst vor allem die konsequente und massive Reaktion der chinesischen Behörden zur Eindämmung der Krankheitswelle. Seit wenigen Tagen stieg diese Verunsicherung dann noch einmal deutlich an, nachdem es in Italien zu vermehrten Infektionen kam und auch dort ganze Ortschaften abgeriegelt wurden. Die Reaktion der Behörden ist grundsätzlich nachvollziehbar, denn niemand möchte sich nachsagen lassen, das Ausmaß der Bedrohung durch einen neuen, zunächst unbekannten Virus unterschätzt zu haben.

Auswirkungen auf die Realwirtschaft: Die Verbreitung des Coronavirus trifft die Weltwirtschaft in einer Phase einer ohnehin nachlassenden Wachstumsdynamik. Einzelne Volkswirtschaften, wie bspw. Deutschland, befinden sich sogar am Rande einer Rezession. Die noch am Jahresanfang bestehenden Hoffnungen auf eine anstehende konjunkturelle Stabilisierung sind zumindest mit Blick auf das erste Quartal 2020 nicht mehr haltbar. Vielmehr sind die realwirtschaftlichen Auswirkungen der globalen Ausbreitung des Coronavirus offensichtlich. Besonders gravierend ist, dass es sich dabei gleichzeitig um einen Angebots- und Nachfrageschock handelt. Allein der schon heute absehbare deutliche Rückgang des chinesischen BIP-Wachstums im ersten Quartal beeinflusst auch wirtschaftlich eng mit China verbundene Volkswirtschaften negativ. Schon heute ist daher in Deutschland ein negatives Wachstum im ersten Quartal wahrscheinlich. Kurzfristig ist davon auszugehen, dass noch weitere Unternehmen ihre Produktion einstellen müssen, weil es etwa bei wichtigen Vorleistungen Lieferengpässe gibt. Das wird sich auch in sinkenden Unternehmensgewinnen niederschlagen. Sobald aber die Anzahl der Neuinfektionen auch global zurückgeht, ist mit der Nachholung aufgeschobener Investitions- und Konsumentscheidungen zu rechnen. Aus heutiger Sicht spricht daher einiges dafür, dass im Laufe des zweiten Quartals die Produktionsniveaus von Ende 2019 wieder erreicht werden. Allerdings dürfte es als Reaktion auf die Erfahrungen mit dem Coronavirus auch mittel- bis langfristige Konsequenzen geben. So dürfte die chinesische Regierung ihre Investitionen in das Gesundheitssystem generell deutlich erhöhen, um in einem möglichen Wiederholungsfall keinen Zweifel an ihrer Handlungsbereitschaft und Vorsorgefähigkeit aufkommen zu lassen. Zudem werden sich global tätige Unternehmen im Nachgang genau überlegen, ob sie etwaige hohe Abhängigkeiten, z.B. bei Zulieferungen, von einzelnen chinesischen Regionen nicht besser diversifizieren sollten.

Perspektiven der Kapitalmärkte: Die internationalen Börsen haben in den letzten Tagen einen kurzfristigen Realitätsschock durchlebt. Bis Ende letzter Woche passten die Rekordstände bei vielen Aktienindizes (z.B. beim DAX) kaum zur realwirtschaftlichen Situation. Mit der Ausbreitung des Coronavirus in andere Staaten weltweit und vor allem mit den deutlich gestiegenen Infektionszahlen in Italien, wurde offensichtlich vielen Marktteilnehmern bewusst, dass die Auswirkungen der Corona-bedingten Produktionsausfälle doch teilweise erhebliche Belastungen erzeugen. Umso schneller kam es dann innerhalb weniger Tage zu einer deutlichen Korrektur der Aktienkurse. Diese Marktbewegung wiederum hat die Aktienkurse an ein besser zur realwirtschaftlichen Situation passendes Niveau herangeführt. Volatilitätsindizes sind global auf teilweise Mehrjahreshochs angesprungen und zeugen von der kurzfristig entstandenen Panik. Auf den DAX bezogen ist derzeit der Test der 200-Tagelinie (12.656 Punkte) eine wichtige Richtungsentscheidung. Sollte diese Marke nicht halten, lägen die nächsten Unterstützungen bei 12.408 und dann bei 12.119 Punkten. Aus heutiger Sicht ist aber davon auszugehen, dass diese Marken dem worst-case entsprechen. Generell bieten weiter nachgebende Kurse eher Einstiegschancen, denn wesentliche marktstützende Parameter haben sich nicht verändert. Vor allem die weltweit wieder expansivere Geldpolitik mit dem resultierenden strukturellen Niedrigzinsumfeld und die anstehenden US-Präsidentschaftswahlen sind gewichtige stabilisierende Faktoren. Unter der Basisannahme, dass die Verbreitung des Coronavirus spätestens mit dem einsetzenden Frühling auf der Nordhalbkugel an Dynamik nachlässt und dass in China die Neuinfektionszahlen zeitnah zurückgehen, besteht gerade in Branchen, die unter der Korrektur besonders gelitten haben, eine gute Möglichkeit zum Positionsaufbau, etwa bei Unternehmen aus der Luftfahrt, bei Reiseveranstaltern oder Konsumgüter- bzw. Luxusgüterherstellern. Die „sicheren Häfen“ der Kapitalanlage, wie Bundesanleihen, Gold, der Schweizer Franken oder der US-Dollar dürften trotzdem vorerst gefragt bleiben – zumindest solange sich eine konjunkturelle Erholung tatsächlich abzeichnet.


Ein Beitrag von Martin Utschneider
Er leitet die Technische Kapitalmarktanalyse der renommierten Privatbank “Donner & Reuschel”. Davor war er für eine namhafte österreichische Private Banking Adresse tätig. Er verfügt über umfassende Erfahrung in der Wertpapierbetreuung internationaler Private Banking- und Wealth Management-Klientel. Nebenberuflich ist er zudem für diverse zertifizierte Weiterbildungsakademien und eine Hochschule als Fachdozent und Prüfer tätig. Praktische Erfahrung im Bereich “Technische Analyse” hat Herr Utschneider seit nunmehr knapp 20 Jahren. Seine Analysen finden im deutschsprachigen Raum (D, A, CH, FL, LUX) sehr große Beachtung. Zudem gehören auch an einige renommierte Medienvertreter (Print, TV, Radio…) zu den Empfängern. Er ist regelmäßig bei n-tv, welt (vormals n24) sowie DerAktionärTV Interviewgast und zählt aktuell zu den meist zitiertesten Experten seines Fachgebietes (Handelsblatt, Manager Magazin, Börsenzeitung, FAZ, SZ, Focus, Börse Online, Welt,…).

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Quelle: Donner & Reuschel / Pressefoto Deutsche Börse AG