Was kommt nach Börsencrash und Rezession?

(Bildquelle: Heiko Thieme)

Das erste Quartal 2020 wird in die Börsengeschichte eingehen. Erst Rekordhochs und anschließend der große Börsencrash, hervorgerufen durch ein Virus. Was geht dieses Jahr noch an den Börsen? Heiko Thieme, der Grandseigneur der Börsenexperten, gibt seine marktEINBLICKE.

In meinem Mitte November verfassten Jahresausblick für 2020 projizierte ich, dass der DAX sein Rekordhoch vom Januar 2018 spätestens im  April überschreitet. Dies traf bereits in der zweiten Februarwoche ein. Der Dow Jones stieg im Februar auf ein Rekordhoch von über 29.500 und lag damit nur 1,5 Prozent unter meinem Mindestziel von 30.000 für das Gesamtjahr. Der eindrucksvolle Jahresauftakt an den Weltbörsen bestätigte meinem Optimismus. Dann allerdings tauchte mit dem Coronavirus ein sogenannter schwarzer Schwan (ein nicht voraussehbares, aber börsenrelevantes Ereignis) auf. Auf meiner täglichen Marktprognose stellte ich im Februar Gewinnmitnahmen in den Vordergrund, als der DAX bei fast 13.800 stand. Das Risiko um das Coronavirus wurde meines Erachtens unterschätzt.

Zwei schwarze Schwäne. Am 9. März kam es zum zweiten schwarzen Schwan, als der Ölpreis vollkommen überraschend auf das Niveau von Anfang 2016 fiel. Der Grund dafür war die mangelnde Einigung zwischen der OPEC und Russland bei der Produktionsmenge. Bei einem Fasspreis für Texas-Öl um 30 US-Dollar ist die Existenz von etlichen Produzenten und Bohrgesellschaften gefährdet, auch wenn Fluggesellschaften und Autofahrer davon profitieren. Nach den Rekordhöhen an der Börse lösten die beiden schwarzen Schwäne innerhalb eines Monats einen globalen Crash von rund 30 Prozent aus. Dies hatte es in einem so kurzen Zeitraum noch nie gegeben. Insgesamt schrumpften die Weltbörsen um fast 25 Billionen Euro!

Das Rezessionsrisiko. An den Iden des März (15. März) stellt sich die Frage, ob die Chancen an den Börsen jetzt größer sind als die noch vor uns liegenden Gefahren? Das Coronavirus wird die Weltwirtschaft wahrscheinlich in eine Rezession treiben. Der mit über 10 Jahren längste Wirtschaftsaufschwung in der US-Geschichte geht damit zu Ende. Das erste Halbjahr wird mit Minuszahlen kämpfen und das nicht nur in den USA. Frühestens im zweiten Halbjahr ist mit einer Erholung zu rechnen. Einen Impfstoff gegen das Coronavirus wird es allerdings kaum vor Jahresende geben. Die Wirtschaften der Welt werden bis Jahresmitte zwischen ein bis drei Monate in Quarantäne leben. So etwas hat es in der Geschichte noch nie gegeben! Die US-Notenbank senkte Mitte März in einer Sondersitzung sonntags die Leitzinsen überraschend um ein Prozent. Dies war die zweite Zinssenkung innerhalb von zwei Wochen! So etwas hat es in der über einhundertjährigen Geschichte der Notenbank noch nie gegeben. Damit liegen die Zinsen für Tagesgelder fast auf dem Nullpunkt. Raum für weitere Munition ist damit limitiert. Einigen sich die OPEC und Russland bis Ende April auf gemeinsame Produktionskürzungen, so kann die derzeitige Überproduktion am Ölmarkt im zweiten Halbjahr wieder abgebaut werden. Ein Ölpreis von mindestens 50 Dollar pro Fass würde den Energiesektor wieder stabilisieren und befürchtete Insolvenzen vermeiden.

Abseits von Coronavirus und Ölpreisverfall ist die Welt mit weiteren geopolitischen Herausforderungen konfrontiert, die eine schnelle Börsenerholung kaum ermöglichen. Nach dem Crash im Oktober 1987 brauchte der Dow Jones knapp zwei Jahre, um seine Rekordhöhen vom August 1987 wieder zu erreichen. Dies wäre eine sehr ambitiöse Zeitachse in der derzeitigen Situation. Die jüngsten Tiefstände müssen erst einmal erfolgreich getestet werden.

Eine Liquidität von 10 bis 20 Prozent ist daher ratsam, um noch mögliche Schwächen zum Kaufen nutzen zu können. Beim DAX rechne ich bis Jahresende mit einer Bandbreite zwischen 8.500 und 11.500, beim Dow Jones zwischen 19.000 und 25.000. China und Japan stehen auf meiner Beobachtungsliste. Jeweils bis zu 5 Prozent können hier im Jahresverlauf investiert werden. Der Goldsektor rechtfertigt ebenfalls bis zu 5 Prozent, allerdings nicht in Goldbarren sondern Minenwerten. Im Dow Jones und DAX kann jeweils bis zu 20 Prozent investiert werde. Die restlichen 45 Prozent sind für Einzelwerte reserviert. Da 2020 insgesamt sehr volatil bleibt, sollten Anleger auch weiterhin angeschnallt bleiben.

Ein Beitrag von Heiko Thieme
Er ist über 45 Jahre im internationalen Anlagegeschäft tätig und schrieb 16 Jahre als freier Kolumnist für die FAZ. Seit dem Jahr 1979 gibt es seine Marktanalysen und Einschätzungen sowie die älteste deutsche Börsenhotline.
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Bildquelle: markteinblicke.de / Heiko Thieme