Wirecard-Bilanzskandal: Droht uns ein deutsches Enron oder Worldcom?

Bildquelle: Pressefoto Wirecard

Am Donnerstag wurden die neusten Geschäftszahlen von Wirecard (WKN: 747206 / ISIN: DE0007472060) sehnlichst erwartet, doch es kam anders. Nun gibt es eine weitere Schockmeldung: Der Veröffentlichungstermin für den Konzernabschluss 2019 wurde wegen Hinweisen auf die Vorlage unrichtiger Saldenbestätigungen verschoben. Diese Nachricht sorgt an der Börse für einen wahren Sturzflug bei der Wirecard-Aktie. Die großen Bilanzskandale Enron und Worldcom lassen grüßen.

Probleme in Asien

Wirecard wurde heute morgen von der zuständigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young darüber informiert, dass über die Existenz von im Konzernabschluss zu konsolidierenden Bankguthaben auf Treuhandkonten in Höhe von insgesamt 1,9 Mrd. Euro noch keine ausreichenden Prüfungsnachweise zu erlangen waren.

Der Grund für die Probleme liegt in aktuellen Mitteilungen der beiden die Treuhandkonten seit 2019 führenden Banken, wonach die betreffenden Kontonummern nicht zugeordnet werden konnten. Der verantwortliche Treuhänder steht in kontinuierlichem Kontakt mit den Banken und Wirecard. Die jeweiligen Tochtergesellschaften von Wirecard haben auf diese Treuhandkonten erhebliche Sicherheitsleistungen von insgesamt 1,9 Mrd. Euro eingezahlt, um für das Risikomanagement für teilnehmende Händler zu garantieren. Bei den die Treuhandkonten führenden Banken handelt es sich um zwei asiatische Banken. Beide Institute verfügen über Investmentgrade Ratings. Der seit 2019 amtierende Treuhänder nimmt in Asien zahlreiche Mandate wahr.

Täuschungsabsicht

Laut Ernst & Young gibt es Hinweise, dass seitens des Treuhänders unrichtige Saldenbestätigungen zu Täuschungszwecken vorgelegt wurden. Ziel soll es demnach gewesen sein, ein unrichtiges Vorstellungsbild über das Vorhandensein der Bankguthaben beziehungsweise die Führung von Bankkunden zugunsten der Wirecard-Gesellschaften zu erhalten. Der Vorstand von Wirecard will nun mit Hochdruck daran arbeiten, den neuen Sachverhalt gemeinsam mit dem Abschlussprüfer aufzuklären.

Milliardenkredite in Gefahr

Wegen der aktuellen Nachrichten konnte die Abschlussprüfung für das Jahr 2019 nicht bis zum Donnerstag abgeschlossen werden. Wann die Geschäftszahlen endlich veröffentlicht werden, ist damit jetzt vollkommen offen. Für Wirecard ist das ein weiterer herber Nackenschlag. Denn wenn ein testierter Jahresabschluss nicht bis zum 19. Juni vorgelegt werden kann, ist es nun möglich, dass Kredite von Wirecard im Volumen von geschätzt 2 Mrd. Euro gekündigt werden können.

Markus Braun, Vorstandsvorsitzender der Wirecard AG: „Wir stehen im Austausch mit dem vor Ort anwesenden Treuhänder. Frühere erteilte Bestätigungen der Banken wurden vom Wirtschaftsprüfer nicht mehr anerkannt. Alle Beteiligten sind um schnellstmögliche Aufklärung bemüht. Ob betrügerische Vorgänge zum Nachteil der Wirecard AG vorliegen, ist derzeit unklar. Die Wirecard AG wird Anzeige gegen unbekannt erstatten.“

Vorläufige Zahlen

Auch wenn in der aktuellen Lage die vorläufigen Zahlen wenig Beachtung finden, sind sie dennoch interessant. Dembach war im Berichtsjahr 2019 das Transaktionsvolumen um knapp 38,5 Prozent auf 173,0 Mrd. Euro gestiegen. Der Konzernumsatz stieg um 37,5 Prozent auf 2,8 Mrd. Euro. Das operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) erhöhte sich um 37,8 Prozent auf 772,3 Mio. Euro. Das Ergebnis nach Steuern erhöhte sich auf 482,4 Mio. Euro, was einem Ergebnis je Aktie (unverwässert) in Höhe von  3,90 Euro (Vorjahr: 2,81 Euro) entspricht.

Aktie im Sturzflug

Die neusten Schocknachrichten haben am Donnerstagvormittag für einen massiven Kurseinbruch bei der Wirecard-Aktie gesorgt. Die Notierungen setzen zeitweise um mehr als 50 Prozent auf unter 50 Euro zurück. Die Aktie notiert damit so niedrig wie zuletzt im Juli 2017. Die Umsätze sind zudem gewaltig. Im Xetra-Handel wurden bis 12.30 Uhr mehr als 11,5 Millionen Aktien gehandelt. Auf der Plattform Tradegate weitere 5 Millionen Aktien. Das sind fast 15 Prozent der insgesamt ausgegeben 112 Millionen Aktien.

Alles kommt noch schlimmer

Für Wirecard-Anleger sind die neusten Entwicklungen eine wahre Katastrophe, bestand hier doch die große Hoffnung, dass die immer wiederkehrenden Anschuldigungen gegen den Zahlungsabwickler endlich widerlegt werden. Nun kommt es überraschend sogar noch alles schlimmer. Wer in den vergangenen Jahren Wirecard-Aktien erworben hat, schreibt tiefrote Zahlen. Mit dem neusten Kurssturz notiert die Aktie jetzt rund 80 Prozent unter dem Allzeithoch von 2018 bei 199 Euro. Und ein Kursboden ist hier noch lange nicht in Sicht. Wirecard zählt damit zu den klaren Short-Kandidaten im DAX. Schließlich könnte sogar der DAX-Rauswurf drohen. Was angesichts des desaströsen Managements eigentlich auch nur richtig wäre.

Bildquelle: Pressefoto Wirecard