Wesentliche Einflussfaktoren für Zinsen, Aktien & Co. ändern sich nach der US-Wahl nicht

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Zwar steigen die Chancen des Herausforderers Joe Biden wieder, doch ist eine zweite Amtszeit Donald Trumps weiter möglich. Das worst-case-Szenario für die Kapitalmärkte wäre die notwendige Entscheidung vor dem Obersten Gerichtshof, verbunden mit einem gesteigerten Maß an Unsicherheit.

Die Frage, wer der nächste US-Präsident sein wird, spielt für die grundsätzliche Richtung an den internationalen Aktienbörsen mittel- und langfristig nur eine untergeordnete Rolle – zumal weder Biden noch Trump über eine geschlossene Mehrheit im Kongress verfügen würden, und ihre geplanten Vorhaben nur mit Abstrichen umsetzen können. Nur in einzelnen Branchen, wie dem Energiesektor, würden sich deutliche Weichenstellungen bemerkbar machen. Sollte Biden gewinnen, würde eine Energiewende deutlich mehr Unterstützung erfahren. 

Die wesentlichen Einflussfaktoren für Zinsen, Aktien & Co. bleiben aber der Fortgang der Corona-Pandemie, die wirtschaftliche Erholung von der globalen Rezession sowie die vielfach ultra-expansive Ausrichtung der Notenbanken.

Die Anzahl der neuen positiv getesteten Corona-Fälle hat in den letzten Tagen sowohl in der Eurozone als auch in den USA erneut stark zugenommen. Als Reaktion wurden in vielen europäischen Staaten wieder Shutdown-Maßnahmen implementiert. Anders als im Frühjahr konzentrieren sich die Einschränkungen zwar vor allem auf Dienstleistungssektoren, trotzdem wird die wirtschaftliche Erholung zurückgeworfen. In Deutschland ist im 4. Quartal ein Nullwachstum wahrscheinlich, die Eurozone dürfte hingegen erneut in eine Rezession rutschen.

Die Auftragseingänge für die deutsche Industrie im September spiegeln dieses Bild schon wider, mit einem Einbruch der Aufträge aus der Eurozone um sechs Prozent im Vergleich zum Vormonat. Auch die Markit-Einkaufsmanagerindizes für die Dienstleistungen sind zuletzt für die Eurozone wieder unter die Expansionsmarke von 50 gefallen. Die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen ist im September in Deutschland erneut gefallen. In den kommenden Monaten ist zwar mit zunehmenden Insolvenzen zu rechnen, weil die Aufschiebung der Insolvenzantragspflicht nur noch für überschuldete, aber nicht mehr für zahlungsunfähige Unternehmen gilt. Trotzdem werden die verlängerten fiskalischen Schutzmaßnahmen der Bundesregierung eine große Insolvenzwelle auch in den kommenden Monaten verhindern.

Sowohl in China als auch in den USA verläuft die wirtschaftliche Erholung hingegen ungestört und deutlich dynamischer.Sowohl in der Industrie als auch im Dienstleistungssektor zeichnete sich gemäß Einkaufsmanagerindizes entsprechend auch für die kommenden Monate eine Produktionsausweitung ab. In China waren bisher keine größeren neuen Infektionswellen zu verzeichnen. In den USA hingegen, wird die dritte Infektionswelle bisher nicht mit Shutdown-Maßnahmen beantwortet, wodurch allerdings das Risiko künftiger wirtschaftlicher Rückschläge steigt. Die Dynamik der wirtschaftlichen Erholung sorgte in den USA gemäß Umfrage des ISM-Einkaufsmanagerindex zuletzt für einen wieder verstärkten Preisdruck auf vorgelagerten Ebenen der Produktion, bspw. beim Bezug von Vorleistungen, Rohstoffen oder dem Einkauf von Transportkapazitäten. Das Erreichen der Vorkrisen-Inflationsniveaus von 2 – 3 Prozent ist damit in den kommenden Monaten wahrscheinlich.

Die US-Notenbank Fed unterstrich am Rande des gestrigen Zinsentscheids trotzdem, dass sich an ihrem expansiven Kurs zeitnah nichts ändern werde. Vielmehr verwiesen die Notenbanker auf die aus der Corona-Pandemie nach wie vor bestehenden erheblichen wirtschaftlichen Risiken und die zuletzt langsamere Erholung des Arbeitsmarktes. Bei Bedarf ist somit mit weiteren expansiven geldpolitischen Maßnahmen zu rechnen. Die Perspektiven für die Kapitalmärkte bleiben unverändert: historisch niedrige Zinsen bei leicht steigendem Inflationsdruck verstärken die Nachfrage nach realen Kapitalanlagen, wie Aktien, Immobilien und Edelmetallen sowie zuletzt auch nach Bitcoin.

Ein Kommentar von Carsten Mumm
Er ist Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel. Das Traditionshaus mit Sitz in Hamburg und München setzt auf qualifizierte und umfassende Beratung für vermögende Privatkunden, Unternehmer, Immobilienkunden und institutionelle Kunden.

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