Ende April noch hatte der Bahn- und Verkehrstechnikkonzern Vossloh (WKN 766710) angesichts ordentlicher Auftragsentwicklung für ordentliche Laune bei den Anlegern gesorgt. Doch davon ist angesichts der heutigen Gewinnwarnung nichts mehr zu spüren. Der Kurs brach unter die Marke von 60 Euro ein und markiert damit ein Mehrjahrestief. Die Aussicht auf eine Rückkehr in die Profitabilität 2015 kann da zunächst nicht beruhigen.
Zu den Fakten: Die Neuausrichtung mehrerer Geschäftsfelder und eine aktualisierte Markteinschätzung führen zu zusätzlichen Ergebnisbelastungen für den Konzern von voraussichtlich bis zu 250 Mio. Euro im laufenden Geschäftsjahr 2014. Aufgrund von Aufwendungen für notwendige Restrukturierungen (bis zu 100 Mio. Euro), Aufwendungen aus der aktuellen Bewertung der Bilanzansätze verschiedener Vermögensgegenstände in den Geschäftsfeldern (bis zu 80 Mio. Euro) und infolge aktualisierter Einschätzungen von Projekt- und sonstigen Risiken (bis zu 70 Mio. Euro) wird ein negatives EBIT von -150 bis -180 Mio. Euro für das Jahr 2014 erwartet. Aus heutiger Sicht wird seitens Vossloh angenommen, dass von diesen – überwiegend einmalig anfallenden – Belastungen maximal ein Drittel im Jahr 2014 liquiditätswirksam werden.
Die besagte Neuausrichtung sieht derweil vor, die Aktivitäten des Lokomotiven-Standort in Kiel ausschließlich auf das Geschäft mit standardisierten Rangier- und Industrielokomotiven auszurichten und die Kapazitäten entsprechend anzupassen. Es steht auch die Verlagerung der Produktion an einen deutlich kostengünstigeren Standort innerhalb des Stadtgebietes zur Diskussion. Zudem wird sich Vossloh Electrical Systems auf den Nahverkehr fokussieren. Auch im Geschäftsfeld Switch Systems führt eine aktualisierte Markteinschätzung für Nordamerika, China, Australien und Europa zu einer Neubewertung einzelner Vermögenswerte dieses Geschäftsfelds.
In ihren Grundstrukturen unverändert aufgestellt bleiben die Geschäftsfelder Fastening Systems und Rail Services. Vossloh Rail Vehicles in Valencia übernimmt das Projektgeschäft aus Kiel und verantwortet damit ab sofort auch die kundenspezifische Entwicklung von Lokomotiven sowie die Fertigung und den Vertrieb dieser Produkte. Im Rahmen der Neuausrichtung wurde zudem insgesamt rund ein Drittel der Geschäftsführungen und Bereichsleitungen gekürzt.
Die Umsetzung der notwendigen Maßnahmen wird laut Konzernangaben bis 2015 andauern. Dennoch wird angestrebt, dass der Konzern bereits 2015 wieder profitabel arbeitet. Mit der beschlossenen Neuausrichtung soll die Basis dafür gelegt werden, in einem zweiten Schritt eine neue Strategie für den Konzern zu definieren. Diese will der Vossloh-Vorstand Ende des Jahres 2014 kommunizieren.
Angesichts des heutigen Kurssturzes ist die charttechnische Lage komplett hinüber. Fundamental sind Ergebnisbelastungen immer negativ, aber auf der anderen Seite sollten die einmaligen Kosten auch nicht überbewertet werden. Schließlich hat sich bei der sehr guten Auftragslage nichts verschlechtert. Die notwendigen Umstrukturierungen verbessern das Bild langfristig außerdem. Erfreulich aus Anlegersicht ist auch die Stellenkürzung im Managementbereich. Offenbar war hier ein kleiner Wasserkopf entstanden. Für Altanleger ist der Kurseinbruch natürlich ein Schock, doch Notverkäufe machen das Ganze nur schlimmer. Stattdessen sollte man eher über die Senkung des Einstandskurses durch Zukäufe nachdenken – immer vorausgesetzt der Zeithorizont stimmt. Und Neueinsteiger sehen heute eine Vossloh-Aktie zu Preisen von 2007. Der Schock nach der Gewinnwarnung könnte also nur von kurzer Dauer sein. Zumindest wenn das Management in den nächsten Monaten einen guten Job macht.
Melden Sie sich hier für unseren kostenlosen Wochen-Newsletter an. Immer samstags gehen wir in unserem bekannten und prämierten Blogstil auf unserer Meinung nach wichtige Themen der Woche ein und liefern Ihnen einen Markt-Roundup sowie Ausblick und Produkt-Informationen aus der D-A-CH-Region. Hier kostenlos anmelden – Ihre Mail-Adresse wird von uns nicht weitergegeben.
Bildquelle: Pressefoto Vossloh AG