Was blüht Anlegern nach der Bundestagswahl?

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Nach der Bundestagswahl warten auf jede neue Regierung wirtschaftspolitische Herkules-Aufgaben. Werden diese nicht gelöst, sägen wir weiter am Ast, auf dem wir sitzen. Aber kann Politik überhaupt so Ruck-fähig sein? Und wie schauen eigentlich die Aktienmärkte auf die bundespolitische Gemengelage?

Es gibt viel zu tun: Packen wir es an oder lassen wir es liegen?

Leider konnten sich die zuletzt meist Großen Koalitionen nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen: Einen immer weiter aufgeblähten Sozialstaat. Gegen Sozialleistungen ist ja nichts einzuwenden, wenn er von einer florierenden und wettbewerbsfähigen Wirtschaft gedeckt ist. Ohnehin sind dann weniger Sozialleistungen erforderlich, da es reichlich Arbeitsplätze gibt.

Wie Tony Blair von den Reformen Maggie Thatchers haben zwar auch die letzten Bundesregierungen lange von der Agenda-Politik Schröders profitiert. Doch mit Blick auf sein politisches Schicksal ließ man lieber die Finger weg von fortgesetzten Strukturerneuerungen. Damit aber ist Deutschland im wirtschaftlichen und technologischen Wettbewerb hinter Amerika und China zurückgefallen. Anders ausgedrückt: Mit Wettbewerbsmüdigkeit lassen wir Wachstumspotenziale ungenutzt. Genau die sind aber notwendig, um die Fixkosten des Sozialstaats zu finanzieren.

In puncto Standortqualitäten wurde in Deutschland viel versäumt. Nach der Wahl muss die Politik vom Sofa runter. Die bürokratischen Bleiwesten müssen abgelegt werden. Große Infrastrukturprojekte können bei uns von der Planung über alle gerichtlichen Entscheidungen bis zur Vollendung zig Jahre dauern. Darauf wartet in einer Welt mit hochkompetitiven Standorten niemand. Warum wohl gehen Start-Ups mit pfiffigen Ideen so gerne nach Amerika und warum finden die großen Börsengänge an Wall Street und nicht bei uns statt?

Ökologie darf nicht der Feind der Ökonomie sein

Und natürlich ist der Klimaschutz fraglos wichtig. Ökologie darf aber nicht der Feind der Ökonomie werden. Sonst findet sie keine ausreichende Zustimmung. Wie kann also die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie hierzulande gewährleistet werden, wenn Klimaschutz in anderen Ländern weniger ernst genommen wird und so deren energieintensive Industrien über einen Standortvorteil verfügen. Die Lösung kann doch nicht sein, dass deutsche Firmen abwandern.

Werden „Schmutzindustrien“ heruntergefahren, müssen zügig alternative saubere Industrien hochgefahren werden, damit die Menschen beschäftigt bleiben. Auf die Armenspeisung eines staatlich finanzierten Grund- bzw. Garantieeinkommens hat niemand Lust. Überhaupt sind unsere Unternehmen, gerade auch im Mittelstand, in puncto Umwelttechnik hervorragend aufgestellt. Wenn wir diesen vielversprechenden zukünftigen Wohlstand China und Amerika überließen, wären wir mit der Muffe gepufft, wie der Berliner sagt.

Digitalisierung und Netzqualitäten sind die neuralgischen Wettbewerbsfaktoren unserer Zeit. Es ist staatliche Aufgabe, dass die großen Mängel, die Deutschland hier hat, schnellstmöglich beseitigt werden. Auch haben wir Defizite in der Batteriezellfertigung, Quantentechnologie, bei künstlicher Intelligenz oder Cloud-Computing. Nicht zuletzt braucht diese industrielle Revolution viel Strom. Wenn Deutschland aber bei Stromkosten weiter den unrühmlichen Titel Europameister innehat, werden wir im Standortwettbewerb nur Trostpreise erzielen.

Leistungsprinzip in den Mittelpunkt stellen

Nicht zuletzt müssen in der Altersvorsorge alte Zöpfe abgeschnitten werden. Da Zinsen aufgrund der Überschuldung und Renten aufgrund der Demographie keine vernünftigen Niveaus mehr erreichen können, müssen alternative Formen der Vermögensbildung her. Zunächst ist die Förderung von Wohneigentum wichtig.

Bauflächen müssen zügiger freigegeben und administrative Hemmnisse wie Grunderwerbssteuern und Baugenehmigungsverschleppungen abgebaut werden. Vor allem aber muss das Aktiensparen steuerlich gefördert werden. Ansonsten wird der Staat mangels ausreichender Altersvorsorgemasse zukünftig immer mehr Sozialleistungen zahlen müssen. Diese Wahrheit haben die nicht marktradikalen Schweden längst begriffen, warum wir nicht?

Grundsätzlich muss das Leistungsprinzip wieder beherzigt werden. Es ist nicht Pfui Bah oder gar ein Hassobjekt. Auch ideologisch Verblendete sollten anerkennen, dass nur auf diese Weise soziale Marktwirtschaft funktioniert, konkret so viele Erträge erzielt werden, dass Sozialleistungen bezahlbar sind. Mir hat noch niemand ein Land nennen können, in dem Staatswirtschaft jemals funktioniert hat oder funktioniert.

Wer soll das bezahlen?

Dieser wirtschaftspolitische Wumms wird viel Geld kosten. Höhere Steuern würden hierbei aber die Konjunkturpflanzen rasieren. Davon abgesehen sind die deutschen Steuern bereits hoch genug und geben die Menschen das Geld sinnvoller aus als der Staat.

Es wird zunächst nicht ohne höhere Schulden gehen. Das stört sicherlich die deutsche Stabilitätsseele. Auch Amerika und China nutzen sie, um die Standorte konkurrenzfähig zu machen bzw. die wirtschaftliche Zukunft zu gewinnen. Mit Bordmitteln können wir diesem Wettbewerbsdruck nicht erfolgreich standhalten. Daher müssen auch wir schuldentechnisch mit den Wölfen heulen.

Dieser Weg darf aber nur marktwirtschaftlich beschritten werden. Es ist zu unterscheiden, ob gute, immer noch zinsgünstige Schulden der Verbesserung der Infrastruktur und damit der Entfesselung von Wirtschaftswachstum mit erhöhtem Steueraufkommen oder schlechte der wahlpopulistischen Völlerei zugutekommen.

Wahlprogramme: Alle Angaben ohne Gewähr

Schaut man auf die vorliegenden Wahlprogramme der Parteien ist tatsächlich viel von Therapie, von der Modernisierung Deutschlands die Rede. Doch was bleibt davon nach der Wahl übrig? Zunächst spricht alles für eine erneute Regierung in Koalitionsform. Da werden die Wahlprogramme schon das erste Mal geschliffen.

Im Übrigen muss der Bundesrat bei fast allen finanzwirksamen Gesetzen mitbestimmen. Dieses Machtpotenzial werden sich die Länder wohl kaum wegnehmen lassen. Und die Geschichte zeigt, dass die politischen Mehrheiten im Bundestag grundsätzlich andere sind als im Bundesrat. Wenn also kein Ruck durch alle beteiligten Parteien geht, bleibt leider vom theoretisch möglichen großen Wirtschaftswurf praktisch wenig übrig.

Die Börse ist politisch entspannt

Vor der anstehenden Bundestagswahl zeigt sich der deutsche Aktienmarkt sehr entspannt. Er wurde ja schon in den letzten Jahren wirtschafts-, finanz- und anlagepolitisch nicht verwöhnt. Überhaupt, die börsennotierten Unternehmen haben zwar ihren Verwaltungssitz in Deutschland. Da sie aber immer mehr Umsätze im Ausland erwirtschaften, können sie den Niederungen der deutschen Politik ziemlich weit entkommen.

Insofern kann die Börse mit Schwarz-Grün, Jamaika oder einer Deutschland-Koalition gut leben. Mit Grün-Rot-Rot hätte die Börse allerdings Probleme. Das wäre dann doch zu „exotisch“. Aber die Umfragen deuten ja auch nicht darauf hin.

Ohnehin sollten Anleger nicht nur der Heimatliebe frönen und lediglich auf deutsche Aktien im Depot setzen. Auch andere Länder haben schöne Aktien.

Und wenn wir über Politik reden, dann wird uns Aktionären eine bestimmt nicht enttäuschen: Die Geldpolitik. Sie hält die Liquiditätshausse, den Anlagenotstand pro Aktien aufrecht.

Gegenüber der Freizügigkeit der EZB ist Sankt Martin ein Geizhals.

RobertHalverEin Beitrag von Robert Halver.

Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.roberthalver.de/Newsletter-Disclaimer-725.

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