Mitarbeiteraktien: Vom Erfolg des Arbeitgebers profitieren

(Bildquelle: Pressefoto Siemens)

Wann immer es um Vermögensaufbau geht, wird die Bedeutung des Aktienmarktes deutlich. Richtet sich der Fokus auf den Vermögensaufbau der breiten Bevölkerung, stößt man unweigerlich auf das Instrument der Mitarbeiteraktien. Seit dem 1. Juli 2021 ist dieses Modell noch einmal deutlich attraktiver geworden. Wir haben uns einige Best-Practice-Fälle angesehen.

Mit Einführung der Sozialen Marktwirtschaft nach dem zweiten Weltkrieg hat auch die Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivkapital immer wieder auf der Agenda der jeweiligen Regierungen gestanden. Selbst Aktien war man nicht immer so ablehnend gegenüber eingestellt, wie es derzeit bei Teilen der Bundespolitik zu merken ist. Überraschenderweise standen selbst einige Gewerkschaften in den 1960er Jahren klar für „Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand“. Der damalige IG Bau-Vorsitzende Georg Leber und spätere Bundesminister für Verkehr und Verteidigung propagierte besagte Vermögensbildung in einem legendären Aufsatz als „vordringliche Aufgabe unserer Zeit“.

Viel übrig geblieben ist von diesem Aufruf indes nicht. Mitarbeiteraktien wurde lange Jahre sowohl von Parteien als auch Gewerkschaften sehr stiefmütterlich behandelt. Der Fiskus tat mit einem geringen Steuerfreibetrag sein Übriges. Nur wenige Unternehmen taten aus eigener Überzeugung dennoch etwas für ihre Mitarbeiter. Laut Deutschem Aktieninstitut (DAI) gab es im Jahr 2020 rund 1,6 Millionen Belegschaftsaktionäre, das entspricht im Vergleich zum Vorjahr immerhin einem Plus von 550.000 Arbeitnehmern. Da die Zahl im Vorjahr jedoch zurückgegangen war, versprüht das Plus weitaus weniger Optimismus, als man auf den ersten Blick denken könnte.

Belegschaftsaktionäre und das Klumpenrisiko

Dennoch: 30 Prozent der deutschen Aktionäre sind so genannte Belegschaftsaktionäre. Das heißt, sie halten Aktien ihres eigenen Arbeitgebers und profitieren damit direkt vom eigenen beruflichen Erfolg. Hier greift allerdings auch der härteste Kritikpunkt an Belegschafts- oder Mitarbeiteraktien: Das Prinzip der Risikostreuung wird nicht beachtet. Sollte der Arbeitgeber einmal in Schieflage geraten, wäre nicht nur der Arbeitsplatz, sondern auch das Vermögen in Gefahr. Anders gesagt: Wer Mitarbeiteraktien hält, sollte auch unbedingt Aktien anderer Unternehmen, am besten aus anderen Branchen halten. Das macht bislang jedoch nur knapp jeder fünfte Belegschaftsaktionär. Hier ist also noch Aufklärungsarbeit notwendig.

Dennoch zeigt sich auch, dass sich die meisten Programme für Belegschafts- oder Mitarbeiteraktien lohnen. Laut DAI erzielen 87 Prozent der Mitarbeiteraktienpläne über zehn Jahre eine jährliche Rendite von mindestens 5 Prozent, die Hälfte der Pläne sogar von über 11 Prozent pro Jahr.

Fiskus wird generös

Was lange währt, wird endlich gut. Zum 1. Juli 2021 steigt endlich der für Mitarbeiteraktien relevante Freibetrag. Die Große Koalition konnte sich darauf einigen, statt bislang den Sachbezug von Mitarbeiteraktien bis zu 360 Euro künftig bis zu 1.440 Euro steuerfrei zu stellen. Dieser Schritt macht zahlreiche Mitarbeiterbeteiligungsprogramme mit einem Schlag deutlich interessanter – für beide Seiten.

Einen Attraktivitätszuwachs erwartet auch Dr. Christine Bortenlänger, Geschäftsführende Vorständin des DAI: „Es ist üblich, dass sich Unternehmen bei ihren Vergünstigungen an dem jeweils geltenden steuerlichen Freibetrag orientieren, um keine Steuerpflicht bei Mitarbeitern auszulösen. Bei den bisher geltenden 360 Euro war die Grenze schnell erreicht. Die Vervierfachung auf 1.440 Euro bietet den Unternehmen nun bei der Gestaltung der Programme viel mehr Spielraum.“ Bortenlänger weiter: „Mehr Arbeitnehmer werden Mitarbeiteraktien erwerben und die Chance auf attraktive Erträge nutzen.“

Fragt man die Arbeitgeber, stehen vor allem personalwirtschaftliche Gründe hinter der Einrichtung von entsprechenden Programmen. So soll die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen gestärkt werden und gleichzeitig die Fluktuation reduziert werden. Auch bei der Gewinnung von neuen Mitarbeitern dienen solche Programme als zielführend. Nach einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG sehen 89,4 Prozent der befragten Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz Mitarbeiterbeteiligungsprogramme als relevant oder eher relevant für die Gewinnung und Bindung von Mitarbeitern an.

Beispiel BASF

Bildquelle: Pressefoto BASF SE

Der Chemiekonzern BASF (WKN: BASF11 / ISIN: DE000BASF111) fördert in zahlreichen Gruppengesellschaften das Aktienprogramm „Plus“ mit Incentive-Aktien die langfristige Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmenserfolg. So haben 2020 weltweit rund 27.600 Mitarbeitende (2019: rund 25.400) am Aktienprogramm „Plus“ teilgenommen. Das Programm wurde 1999 eingeführt und wird derzeit Mitarbeitern in Deutschland, in weiteren europäischen Ländern sowie in Mexiko angeboten. Dazu erwerben Mitarbeiter als Eigeninvestment aus ihrer variablen Vergütung BASF-Aktien. Das erste und zweite Zehnerpaket berechtigt grundsätzlich in jedem der folgenden zehn Jahre zum kostenlosen Bezug einer BASF-Aktie. Jedes weitere Paket berechtigt nach ein, drei, fünf, sieben und zehn Jahren zum kostenlosen Bezug einer BASF-Aktie. Die Rechte verfallen, wenn der Teilnehmende sein Eigeninvestment in BASF-Aktien verkauft oder seine Tätigkeit für eine Gruppengesellschaft beendet, beziehungsweise ein Jahr nach dessen Pensionierung. Per Ende 2020 wurden 3,25 Millionen Gratisaktien gewährt.

Beispiel Siemens

Bildquelle: Pressefoto www.siemens.com/presse

Der Industriekonzern Siemens (WKN: 723610 / ISIN: DE0007236101) blickt auf ein jahrzehntealtes Mitarbeiterbeteiligungsprogramm zurück. Im Frühjahr 1969 wurden erstmals 135.725 Belegschaftsaktien zum Vorzugspreis von 156 DM ausgegeben. Damit machten 24 Prozent der Siemens-Mitarbeiter in Deutschland von diesem Angebot Gebrauch. Da der sogenannte geldwerte Vorteil 500 DM pro Person und Kalenderjahr nicht überschreiten dürfte, konnte jeder Beschäftigte maximal drei Siemens-Aktien erwerben, die einer gesetzlich vorgeschriebenen Sperrfrist von fünf Jahren unterliegen. Dieser frühe Erfolg wurde sukzessive im Lauf der Jahre ausgebaut. Im Rahmen des Siemens „Share Matching Programms“ erhalten Mitarbeiter nach einer Planlaufzeit von drei Jahren für je drei ihrer gehaltenen Aktien eine „Matching-Aktie“ ohne weitere Zuzahlung. Mittlerweile sind rund 80 Prozent der Mitarbeiter weltweit am Unternehmen auch über Aktien beteiligt. Zusammen halten die Siemens-Belegschaftsaktionäre einen Anteil von etwas mehr als drei Prozent aller Siemens-Aktien – und sind derzeit damit der drittgrößte Siemens-Investor.

Beispiel Voestalpine

Bildquelle: Pressefoto © voestalpine AG

Einen anderen Weg geht man in Österreich, beim Technologiekonzern Voestalpine (WKN: 897200 / ISIN: AT0000937503). Dort sind die Mitarbeiter seit dem Jahr 2001 durch eigenen Aktienbesitz am Kapital ihres Arbeitgebers beteiligt. Die Grundlage für die Mitarbeiterbeteiligung wurde mit Stichtag 1. November 2000 geschaffen, indem erstmalig kollektivvertraglich die Verwendung eines Teils der Lohn- und Gehaltserhöhung für den Aufbau einer Mitarbeiterbeteiligung vereinbart wurde. Derzeit halten 24.100 Mitarbeiter und ehemalige Beschäftigte rund 26 Millionen Aktien. Damit vertritt die voestalpine Mitarbeiterbeteiligung Privatstiftung insgesamt 14,8 Prozent der Stimmrechte der voestalpine AG und ist damit sowohl nach Stimmprozenten als auch gemessen am Aktienwert die größte Mitarbeiterbeteiligung in Österreich. Europaweit gilt es als einziges Modell mit internationaler Stimmrechtsbündelung bei individuellem Aktienbesitz.



Beispielrechnung für Mitarbeiterbeteiligungsprogramme

Bei der steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Bewertung des geldwerten Vorteils durch Mitarbeiteraktien ist der Freibetrag nach § 3 Nr. 39 EStG in Höhe von 1.440 Euro die relevante Vorschrift.

Beispiel A:

Im Rahmen eines Mitarbeiterbeteiligungsprogramms haben alle Mitarbeiter die Möglichkeit bis zu 50 Aktien des Arbeitgebers zum Vorzugspreis von 90 Prozent des Jahresanfangskurses zu erwerben. Dabei ist die Differenz zwischen dem tatsächlichen Aktienkurs am Tag des Erwerbs und des Vorzugspreises für die Besteuerung und Sozialversicherungsbewertung relevant. Der Mitarbeiter erwirbt die Aktien am 22.7.2021, bei einem Kurs von 81,21 Euro.

Erwerbspreis des Arbeitnehmers (90 Prozent des Jahresanfangskurses von 66,66 EUR): 60 EUR
Gesamtinvestition des Arbeitsnehmers (50 Aktien x 60 EUR): 3.000 EUR
Geldwerter Vorteil pro Aktie (81,21 EUR abzgl. 60 EUR): 21,21 EUR
Geldwerter Vorteil gesamt (50 Aktien x 21,21 EUR): 1.060,50 EUR
Gesamtwert der Aktien des Mitarbeiters (50 Aktien x 81,21 EUR): 4.060,50 EUR

Beispiel B:

Der Mitarbeiter kauft zu Jahresbeginn 100 Aktien zum Kurs von 100,00 Euro. Alle Mitarbeiter haben im Rahmen eines Mitarbeiterbeteiligungsprogramms pro 10 gehaltenen, selbst erworbenen Aktien jedes Jahr 1 Aktie gratis zu erhalten. Das Programm ist auf 10 Aktien pro Mitarbeiter und Jahr begrenzt. Stichtag für die Zuteilung ist der 30.6. Für die Besteuerung und Sozialversicherungsbewertung ist der Aktienkurs am Stichtag relevant.

Gesamtinvestition des Arbeitsnehmers (100 Aktien x 100 EUR): 10.000 EUR
Börsenkurs der Aktien am 30.6.2021: 127,25 EUR
Geldwerter Vorteil pro Aktie: 127,25 EUR
Geldwerter Vorteil gesamt (10 Aktien x 127,25 EUR): 1.272,50 EUR
Gesamtwert der Aktien des Mitarbeiters (110 Aktien x 127,25 EUR): 13.997,50 EUR

In beiden Fällen wird der Freibetrag von 1.440 EUR unterschritten, womit der geldwerte Vorteil in voller Höhe steuer- und sozialversicherungsfrei bleibt.



Bildquelle: Pressefoto Siemens