So nutzen Airlines ihre Kunden aus

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Insolvenzen von Airlines und Flugstornierungen – oft brauchen Fluggäste einen langen Atem, um wieder an ihr Ticketgeld zu kommen. Ein Fluggastrechteportal fordert, Lehren aus der jüngsten Vergangenheit zu ziehen und mahnt unter anderem eine drastische Reform des deutschen Verbraucherrechts Im Bereich der Flugtickets an.

Germania, LTU oder Air Berlin – die Liste gescheiterter deutscher Airlines ist lang. Hinzukommt die britische Thomas Cook und wenn nicht der Staat eingesprungen wäre, würde heute wohl Europas größte Airline, die börsennotierte Deutsche Lufthansa AG, nur noch schwer mit ihren Maschinen von A nach B fliegen können.

Corona und die Stornierungen

Die Fluggesellschaften sind weltweit durch die Corona-Pandemie in eine schwere Schieflage gekommen, tausende Flüge wurden storniert und fielen aus. Am Ende saßen aber auch die Verbraucher lange auf ihren Flugkosten. Teilweise über mehrere Monate hinweg – und dies, obwohl es seitens einer EU-Verordnung (EU-VO 261/2004) klare Richtlinien gibt, für den Fall, dass ein Flug seitens der Fluglinie gestrichen wird, so wie es während der Corona-Pandemie häufig der Fall war.

Dann muss eigentlich eine Fluglinie die Ticketkosten innerhalb von sieben Tagen an den Passagier zurückerstatten. Dass das nicht funktioniert hat, hat das vergangene Corona-Jahr eindrucksvoll gezeigt: Laut Fairplane haben von März 2020 bis Juli 2021 160.000 Anfragen von Menschen das Fluggastrechteportal erreicht, die auf ihren Tickets „sitzen“ geblieben sind.

Entspanntes Reisen gab es in der Corona-Krise nicht. Stattdessen mussten Fluggäste um ihre Rechte kämpfen. Bildquelle: Pixabay / Free-Photos

Fluggäste müssen um Rechte kämpfen

„Die Reisenden wurden in der Corona Krise komplett ignoriert und im Regen stehen gelassen. Es gab keine Auskunft und auch online waren keine ausreichenden Informationen für eine Rückerstattung zu finden, dahinter steckt System“, kritisiert Andreas Sernetz, Gründer und Geschäftsführer von Fairplane und ergänzt: „Laut geltendem EU-Recht haben die Reisenden einen Anspruch auf Rückzahlung in bar“ und können zudem mehrere Ansprüche der europäischen Fluggastrechteverordnung geltend machen.

Auch der Europäische Rechnungshof kritisierte zuletzt, dass die Passagierrechte während der Pandemie quasi „außer Kraft“ gesetzt worden sind. Besonders betrüblich erscheine dies im Licht der zahlreichen finanziellen Zuwendungen an die Luftfahrtunternehmen durch den Staat, sagt Prof. Ronald Schmid, der Unternehmenssprecher von Fairplane, der sich seit über 30 Jahren als Rechtsanwalt mit dem internationalen und europäischen Luftrecht beschäftigt.

„Fluglinien sind großzügig unterstützt worden. Die Verbraucher hingegen, die für ihre Flüge oft sehr lange gespart haben, müssen noch immer auf ihr Geld warten.“ Letztlich hätten die EU-Mitgliedstaaten bei ihren Airline-Hilfsaktionen die Rückerstattungen an Fluggäste allein den Fluggesellschaften überlassen, die bei der Verwendung der staatlichen Beihilfen eigene Prioritäten gesetzt hätten, kritisiert Schmid.

Forderung nach Reform des Verbraucherrechts

Um solche Situationen künftig zu verhindern, fordert das Fluggastrechteportal unter anderem eine drastische Reform des deutschen Verbraucherrechts im Bereich Flugtickets. Bisher ist die Situation eines Verbrauchers sehr schnell skizziert:

Bei einer Flugticket-Bestellung fällt die Zahlung des vollständigen Preises bereits bei der Buchung an. Jeder Vertragspartner ist gesetzlich dazu verpflichtet, die jeweilige Leistung zu erbringen. Bei der Bestellung von Flugtickets tritt der Verbraucher jedoch in Vorkasse, auch wenn der Flug erst viele Monate nach der Buchung stattfindet. „In vielen Bereichen des alltäglichen Lebens dagegen wird meist nur eine Anzahlung geleistet, nicht aber der gesamte Betrag vor der eigentlichen Vertragserfüllung“, sagt Schmid.

Um bei einer Stornierung eines Fluges dem Verbraucher schneller sein Geld zurückzugeben, gäbe „es die Möglichkeit eines einfachen „refund“ an die Passagiere.“ Der gezahlte Betrag würde automatisch auf das bei der Buchung verwendete Kreditkartenkonto zurückerstattet werden. „Viele Luftfahrtunternehmen haben diesen Automatismus während der Corona-Pandemie abgeschaltet“, weiß Schmid. „Das hat die Rückzahlungen weiter verzögert, da diese nur noch manuell bearbeitet wurden.“

Was tun, wenn der Ferienflieger nicht abhebt? (Bildquelle: markteinblicke.de)

Auf EU-Ebene muss etwas passieren

Auch wenn das Luftfahrtunternehmen alle Kundendaten vorliegen habe, sei die Zahlung einer Ausgleichsleistung per „Knopfdruck“ nicht möglich. Denn Verbraucher buchen ihre Flugscheine über verschiedene Kanäle.

Direkt bei der Fluglinie, über ein Reisebüro oder über eine der zahlreichen Buchungsplattformen. Die Bezahlart des Tickets wird an unterschiedlichen Orten zusammen mit den Daten des Passagiers gespeichert. „Eine durchgängige Speicherung der Daten (vor allem der Kontodaten) erfolgt nicht – was eine automatische Auszahlung unmöglich macht. Viele Kunden warten deshalb noch immer auf die Rückzahlung ihres Ticketpreises“, so Schmid weiter.

Fluggastrechte-Verordnung werden ausgehebelt

Fairplane fordert daher angesichts der Ereignisse in der Corona-Pandemie und auch wegen der Insolvenzen in den vergangenen Jahren eine europaweite Einführung einer zwingenden Flugpreis-Absicherung im Insolvenzfall – ähnlich der Reisepreis-Sicherung für Pauschalreisen.

Durch die Insolvenz zahlreicher Fluglinien, entstehe laut Schmid die Situation, dass die Fluggastrechte-Verordnung umgangen und de facto ausgehebelt werde. Das Luftfahrtunternehmen beantragt „Insolvenz in Eigenverwaltung“. „Das heißt, die Airline fliegt weiter, vielleicht auch wieder mit erheblichen Verspätungen.

Nach einiger Zeit wird ein Insolvenzverfahren über das Luftfahrtunternehmen eröffnet. Die berechtigten Ansprüche der Passagiere aus der Fluggastrechte-Verordnung können nicht mehr bezahlt werden und die Verbraucher gehen leer aus“, beschreibt Schmid und verweist in diesem Zusammenhang auf das immer noch andauernde Verfahren der Air Berlin.

Flugbuchung nur mit Anzahlung

Ein weiterer Vorschlag des Portals ist, dass eine Regelung eingeführt werden sollte, die bei Flugbuchungen zunächst nur eine Anzahlung vorsieht und erst kurz vor Abflug die Restzahlung erfolgt. „Auch bei Pauschalreisen wird zunächst nur eine Anzahlung geleistet. Dass der Fluggast mit der kompletten Zahlung (oft lange vor dem Flug) in Vorleistung tritt und damit auch das volle Insolvenzrisiko trägt, ist nicht mehr länger tragbar“, mahnt Schmid.

Die zahlreichen Insolvenzen der letzten Jahre hätten deutlich aufgezeigt, dass der Passagier hier nicht geschützt ist. Die Einrichtung eines Flugpreis-Sicherungsfonds wäre ebenfalls eine Option, den Verbraucher zu schützen – ähnlich wie der Sicherungsfonds der Reiseveranstalter, in den die Unternehmen selbst einzahlen müssen und so Pauschalreisende künftig bei der Pleite ihres Reiseveranstalters absichern.

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