Der neue DAX – Ein Schritt in die richtige Richtung?

Bildquelle: Pressefoto Deutsche Börse AG

Am 1. Juli 1988 erlebte der DAX (Deutscher Aktienindex) seine Geburtsstunde. Los ging es damals bei 1.163,52 Punkten. Am 13. August 2021, übrigens einem Freitag, den 13., kletterte das wichtigste deutsche Börsenbarometer erstmals über die Marke von 16.000 Zählern. Trotz einiger Skandale und Rücksetzer ist der DAX eine Erfolgsgeschichte. Auch, weil er über die Jahre immer Veränderungen unterworfen war. Vor kurzem wurde die größte DAX-Reform aller Zeiten umgesetzt. 

Wirecard-Pleite als Antrieb für DAX-Reform

So schmerzlich die Wirecard-Pleite für die Betroffenen war, so peinlich war sie für den Finanzstandort Deutschland. Der Zahlungsabwickler aus Aschheim bei München hatte es als Börsenliebling im Herbst 2018 in den DAX geschafft. Im Juni 2020 meldete das Unternehmen Insolvenz an. Die Auswüchse des Wirecard-Skandals wurden allmählich bekannt. Es dauerte jedoch Wochen, bis im August der Rausschmiss aus der ersten deutschen Börsenliga erfolgen konnte. Als Reaktion wurden die Indexregeln angepasst.

In Zukunft soll die Indexzusammensetzung häufiger überprüft werden. Ab 2021 gibt es bei den DAX-Indizes zweimal im Jahr eine planmäßige Hauptüberprüfung (März und September). Zuvor gab es eine derartige Überprüfung nur im September. Bereits ab Dezember 2020 gilt die Regelung, dass alle künftigen DAX-Kandidaten vor der Aufnahme ein positives EBITDA in den zwei letzten Finanzberichten aufweisen müssen. Allerdings gilt diese Regelung nicht für bereits aufgenommene Unternehmen.

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Angleichung an internationale Standards

Es mutet daher etwas merkwürdig an, dass mit dem Essenslieferdienst Delivery Hero ausgerechnet ein Unternehmen Wirecard im DAX ersetzt hat, das noch nie Gewinne erzielen konnte. Dafür müssen DAX-Mitglieder als Lehre aus dem Wirecard-Skandal nun ihre Berichte und Testate fristgerecht abliefern. Neu ist die Regel, wonach Indexmitglieder nur noch nach Marktkapitalisierung bestimmt werden sollen. Der Börsenumsatz wird bei der Rangliste nicht mehr berücksichtigt; stattdessen müssen Indexmitglieder eine Mindestliquidität aufweisen.

Zusätzlich müssen seit März 2021 alle Neuzugänge zur DAX-Familie den Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex hinsichtlich eines Prüfungsausschusses im Aufsichtsrat entsprechen. Die wichtigste und sichtbarste Veränderung betrifft die DAX-Größe. Auch auf diese Weise soll die Qualität der DAX-Indizes erhöht und diese an internationale Standards angeglichen werden. Statt 30 gibt es im DAX seit September 40 Werte, während der MDAX von 60 auf 50 Mitglieder verkleinert wurde.

Abwertung des MDAX

Am Markt fielen die Reaktionen auf die DAX-Reform unterschiedlich aus. „Die Erweiterung des DAX von 30 auf 40 Unternehmen kann nur ein erster Schritt im Rahmen einer allgemeinen Überarbeitung der DAX-Familie sein“, sagt beispielsweise Dr. Christine Bortenlänger, Geschäftsführende Vorständin des Deutschen Aktieninstituts. Darüber hinaus ist an vielen Stellen ein Kritikpunkt zu hören, der weniger den DAX, sondern den Mid-Cap-Index MDAX betrifft.

Laut Bortenlänger würde der MDAX durch die Erweiterung des DAX stark an Bedeutung verlieren. Seine Marktkapitalisierung schrumpfte um ein Drittel. „Deswegen brauchen wir jetzt in einem zweiten Schritt ein Konzept, bei dem auch MDAX und SDAX überprüft und gegebenenfalls angepasst werden“, betont Bortenlänger. Sie bringt auch eine mögliche Aufwertung des HDAX (DAX+MDAX+SDAX) in Anlehnung an den britischen FTSE 100 ins Spiel. Denn trotz seiner Ausweitung bleibt der DAX mit 40 Werten im internationalen Indexvergleich weiterhin eher ein Zwerg.

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Mehr Diversifikation

Auch Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), stellt die negativen Folgen für den MDAX heraus: „So gut die Entscheidung ist, den Leitindex DAX auf 40 Werte zu erhöhen, so schlecht ist sie für den MDAX. Hier sehen wir eine Kannibalisierung des MDAX, die deutlich über den Vorteil für den DAX hinausgeht. MDAX-Anleger sollten jetzt überlegen, ob sie umschichten müssen.“ Laut dem Kapitalmarkt-Profi Christian W. Röhl dürften die 10 zusätzlichen Aktien weniger als 10 Prozent Anteil haben, den DAX also nicht substanziell optimieren. „Aber sie werden im MDAX fehlen, womit die Börse ausgerechnet ihr Index-Prunkstück kastriert.“

Nikolas Kreuz, Geschäftsführer der INVIOS GmbH sieht durch die Reform ebenfalls eine Schwächung des MDAX. Allerdings verweist er auch auf die positiven Aspekte in Bezug auf den DAX. „Die Beletage der deutschen Aktienindizes wird dadurch sportlicher, sagt Kurz“ So würde die Marktkapitalisierung der DAX-Mitglieder von nun 65 auf etwa 80 Prozent des deutschen Aktienmarktes steigen. Zudem würde man sich durch die Ausweitung und das neue Regelwerk an internationale Standards annähern. Gleichzeitig würde die Diversifikation steigen, was risikomindernd wirken und insgesamt zu einer stärkeren Stabilität des Index führen würde.

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