Ausblick 2022: Schock, lass nach!

Bildquelle: Markus Koch

Wir geben in den kommenden Tagen in der Reihe „Ausblick 2022“ marktEINBLICKE zu den Faktoren, die das Anlegerjahr 2022 mitbeherrschen sollten. Dazu haben wir uns wieder kompetente Verstärkung ins Haus geholt und verschiedene Börsen-Experten gebeten, einen Ausblick zu wagen. Ihre Einschätzungen werden wir zum Jahreswechsel an dieser Stelle veröffentlichen. Heute ist Markus Koch an der Reihe.

2022 wird ein Jahr der Normalisierung was die Geldpolitik betrifft, wie auch bei dem Wachstum der Unternehmensgewinne und Wirtschaft. Gezielte Titelauswahl bleibt entscheidend!

Die wichtigsten Zutaten für die Performance des Aktienmarktes können auf zwei einfache Faktoren reduziert werden: auf das Zinsniveau und das Gewinnwachstum der Unternehmen. Trotz der V-förmigen Wirtschafts- und Ertragserholung stimulieren die USA fleißig weiter, mit einer Federal Reserve die eine Taube bleibt und Inflation heiß laufen lässt. Eine Reduzierung der monatlichen Anleihekäufe um magere 15 Milliarden Dollar ist kein Bremsen, sondern ein weniger stark Gas geben.

Der Realzins 10-jähriger US-Staatsanleihen liegt bei negativ 4,6% und damit auf dem tiefsten Niveau seit dem Öl-Embargo der 70er Jahre! In den letzten 200 Jahren bedeuteten solche Niveaus Panik, Inflation, Kriege oder eine Depression. Heutzutage gehen damit boomende Rohstoffe, Kryptowährungen und Aktienmärkte einher. Für Rohstoffe war 2021 letztendlich das beste Jahr seit 1973, mit dem Energiesektor an der Performance-Spitze der Wall Street, gefolgt von den Banken. Exzessive Liquidität bringt historisch betrachtet explodierende Sach- und Vermögenswerte mit sich. In dem bald anbrechenden Jahr wendet sich das Blatt und wir kommen insbesondere im zweiten Halbjahr der Normalität deutlich näher.

2022 wird ein Jahr der Normalisierung in Sachen Geldpolitik, Wachstum der Unternehmensgewinne und Wirtschaft. Eine gezielte Titelauswahl bleibt entscheidend! Bildquelle: markteinblicke.de

Das Gewinnwachstum der Unternehmen im S&P 500 verlangsamt sich auf acht bis zehn Prozent. Ausreichend gesund um den Bullenmarkt am Leben zu halten, aber nicht mehr so explosiv wie in den Jahren und Quartalen zuvor. Schon jetzt sehen wir erste Zeichen einer Normalisierung bei den Lieferketten, mit dem Zenith bei den Angebotsengpässen hinter uns. Ein positives Szenario für die Aktien zyklischer Branchen, zumal die Nachfrage in den meisten Produktbereichen robust bleibt. Vereinzelt drohen ab Jahresende 2022 sogar Überkapazitäten und überhöhte Lagerbestände, allen voran in der Chip-Industrie.

Inflation könnte schon allein wegen der niedrigen Vorjahresvergleiche bis in den Frühling beunruhigend stark anziehen, dürfte ab Mai aber merklich an Schwung verlieren. Pandemie beeinflusste Segmente der Inflation sollten sich als temporär entpuppten, wobei Lohninflation ein Thema bleibt. Firmen mit hohen Lohnkosten sollten gemieden werden. Genauso wie sich das Ertragswachstum der Unternehmen der Normalität nähert, sehen wir 2022 das schrittweise Ende der quantitativen Lockerung und eine weniger freundliche Geldpolitik.

Ein bis maximal zwei Zinsanhebungen ab dem Spätsommer sind denkbar. Die tief negativen Realzinsen dürften zwar nicht ins Plus drehen, aber weniger tief werden. Die Aktien unprofitabler Unternehmen, die rein auf Zukunftsmusik basierend hoch bewertet sind, dürften es im Anbetracht anziehender Renditen insbesondere im zweiten Halbjahr schwer haben. Wenn Anleger auf Wachstum setzen, sollten gesunde Margen, hohe Marktanteile und Gewinne bereits vorhanden sein! Das Kernrisiko im kommenden Jahr ist nicht das Risiko einer zu stark bremsenden Notenbank, sondern die Gefahr, dass man Inflation zu lange heiß laufen lässt.

 

MARKUS KOCH

Er ist seit Jahrzehnten das deutsche Gesicht an der Wall Street. Egal ob als Börsenreporter für n-tv oder das Handelsblatt, als Vortragsredner und Moderator, in den sozialen Medien oder bei ganz neuen Veranstaltungsformaten, Markus Koch erklärt die Börse immer kurzweilig, humorvoll und kenntnisreich.
www: markuskoch.de / Twitter: @KochWallStreet

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