Die EZB hat es (endlich) getan

(Bildquelle: Pressefoto Europäische Zentralbank)

Die Inflationsraten der vergangenen Monate haben es der EZB eigentlich unmöglich gemacht anders zu reagieren. Die Leitzinsen steigen also auf 0,5 Prozent und der Strafzins für Einlagen wird gestrichen. Damit endet die langjährige Ära der Null- und Negativzinsen, die mit der Euro-Krise eingeleitet wurde. Ist das jetzt aber ein Grund zum Freuen? Wir sind zwiegespalten.

Europas Inflationsproblematik

Die aktuelle Inflation ist hauptsächlich durch die explodieren Energiepreise und deren Folgen entstanden. Wenn sich dieses Problem löst, wird auch die Inflation deutlich an Fahrt verlieren. Auch wenn die gewaltigen Geldmengen, die in den letzten Jahren geschaffen wurden, nach den Preissteigerungen in vielen Investmentklassen nun auch auf die Alltagsgüter übergreifen.

Ein weiterer Belastungsfaktor für die Preise sind Lieferkettenprobleme im Zuge von Corona und für den heimischen Dienstleistungssektor nicht unwichtig: Gestiegene Kosten für Personal, sofern solches überhaupt zu bekommen ist. Was tut also die EZB? Sie erhöht die Zinsen und verhindert bzw. verteuert weitere Investionen – das Energieproblem wird dadurch nicht gelöst. Zudem zieht die EZB ja nur sowieso schon angekündigte Zinsschritte vor hält sich vieles noch offen. Entschiedenes Handeln sieht anders aus.

David Zahn, Head of European Fixed Income bei Franklin Templeton Investments, bringt es auf den Punkt: „Die über den Erwartungen liegende Anhebung könnte der Beginn einer aggressiveren Politik sein, da die EZB die Forward Guidance beendet hat; wie Lagarde jedoch erläuterte, ging es bei der heutigen Ankündigung eher darum, die Zinserhöhungen vorzuziehen, als die Anzahl der Zinserhöhungen zu erhöhen. Wir halten weitere Zinserhöhungen in den kommenden Monaten für möglich, glauben aber, dass sie als Reaktion auf die sich verlangsamende Wirtschaft, die höheren Energiepreise und die anhaltenden Auswirkungen des Krieges in der Ukraine datenabhängig bleiben werden.“

Andy Mulliner, Head of Global Aggregate Strategies bei Janus Henderson Investors, sieht es ähnlich: „Während die Märkte zunächst von dem Umfang dieses Schrittes überrascht waren, wirkte die Reduzierung der Prognosen für die September-Sitzung beruhigend auf die Märkte. Die Bestätigung der schwierigen Wachstumsaussichten zusammen mit den Inflationsprognosen stellt eine nuanciertere Sichtweise dar, als dies vielleicht bei früheren Pressekonferenzen der EZB zu beobachten war. Wir sollten bei der nächsten Prognoserunde mit erheblichen negativen Korrekturen seitens der EZB-Mitglieder rechnen. Die Kehrseite der Medaille ist, dass eine Stagflation für eine Zentralbank, die für 19 verschiedene Länder zuständig ist, ein Albtraum ist.“

Das Italienproblem der Finanzmärkte

Gleichzeitig mit dem Zinschritt kündigte die EZB (wie erwartet) ein neues Instrument gegen die Fragmentierung der Eurozone an, das Transmissionsschutzinstrument (Transmission Protection Instrument, TPI). Nach Ansicht von David Zahn hat das TPI wahrscheinlich mehr Aufmerksamkeit erregt, als es sonst der Fall gewesen wäre, da die italienische Regierung unter Mario Draghi diese Woche gescheitert ist.

„In Italien stehen nun im Herbst Wahlen an, was ein politisches Risiko für italienische Anlagen bedeutet. Der Markt ist daran interessiert, wann oder in welcher Höhe die EZB eingreifen wird, um die Ausweitung der Renditenaufschläge für Staatsanleihen zu begrenzen. Es sieht so aus, als müsste sich das derzeitige Spread-Niveau ziemlich stark ausweiten, bevor die EZB in den TPI eingreifen würde; stattdessen wird sie sich wahrscheinlich auf die Reinvestition des PEPP verlassen, um die Spreads in erster Linie einzudämmen.“

Er sagte servus: Mario Draghi. Die Folge sind Neuwahlen in Italien im Herbst. Für die Finanzmärkte kein gutes Szenario.   Bildquelle: Pressefoto Europäische Zentralbank

In der Folge erwartet Patrick Moonen, Principal Strategist bei NN Investment Partners, für italienische Investments spannende Zeiten: „Auf dem breiteren Markt hat der Druck auf die italienischen Anleiherenditen nach dem Rücktritt von Mario Draghi auch nach der Ankündigung des Transmissionsschutzinstruments nicht nachgelassen.

Auch der italienische Aktienmarkt schnitt schlechter ab als der Rest der Eurozone. Angesichts der politischen Unsicherheit in Italien gehen wir davon aus, dass italienische Vermögenswerte in der kommenden Zeit weiterhin schlechter abschneiden werden als die übrige Region.“ So oder so ist das europäische Sorgenkind Italien wieder zurück.

Unser Fazit

Die EZB hat es getan und wie der große Bruder Fed Zinserhöhungen angekündigt. Ob diese wirken und oder nicht doch eher notwendige Investitionen in Energieunabhängigkeit bremsen, muss man sehen.

Im Gegensatz zur Fed ist die EZB aber deutlich zurückhaltender, was nicht unbedingt für sie spricht. Wenn die Fed sagt, sie bekämpft die Inflation mit höheren Zinsen, tut sie das mit Nachdruck. Bei der EZB ist man eher mit angezogener Handbremse unterwegs. Schade. Noch dazu, weil mit Italien wieder ein wichtiger Player nun gelähmt ist.

In diesem Sinne,
weiterhin viel Erfolg bei der Geldanlage

Ihre marktEINBLICKE-Gründer
Christoph A. Scherbaum & Marc O. Schmidt

Bildquelle: Pressefoto Europäische Zentralbank