Die Sache mit den deutschen Wirtschaftsbloggern

Wie man bei Blick Log lesen kann, macht man sich im Ausland Gedanken über die Qualität deutscher Wirtschaftsblogger. Auslöser war der Beitrag 10 reasons for the lack of German econobloggers von Reuters-Blogger Felix Salmon. Die zehn Kritikpunkte gehen dabei in folgende Richtung:

1. Während die Blogosphäre egalitär ausgelegt ist, seien die Deutschen hierarchisch strukturiert

2. Deutsche seien sehr von der formalen Qualifikation des Autors abhängig, d.h. Laien oder augenscheinlich Minder-Qualifizierten glaubt man nichts

3. Deutsche Blogs und Blogger spielten in der Öffentlichkeit, geschweige denn in der Politik ein Rolle

4. Deutschland sei primär Karrierebezogen (Salmon schreibt dazu: The skills needed to be a great blogger are very different from the skills needed to be a great economist or banker.)

5. Deutschen hätten Angst, Fehler zu machen. Dabei gehörten Fehler aber zur Glaubhaftigkeit von Blogs dazu.

6. Die deutsche Art sei methodisch und systematisch, was aber der ad-hoc-Schreibe von Blogs wiederspräche

7. Während Blogger eher einen Blick von außen auf etwas werfen und damit neue Ideen einbrächten, sei in Deutschland das Eingeständnis “Outsider” zu sein der Glaubwürdigkeit nicht zuträglich

8. Deutsche Professoren seien nicht so mitteilungsfreudig wie die US-Kollegen

9. Deutsche Blogger schrieben nicht für lau und Publicity und Bekanntheit aufgrund von Blogs würden nicht anerkannt

10. Deutsche würden ihren Urlaub sehr ernstnehmen und Urlaub sei für Blogger nicht machbar

Die direkt Reaktion darauf kam von Edward Harrison bei Credit Writedowns: The German econblogger space is just fine. Die als Gegenbeispiele genannten Blogs Immobilienblasen, Zeitenwende, egghat’s blog, der bereits genannte Blick Log sowie das Börsennotizbuch sind nach Ansicht von Harrison doch Beweis genug, dass die Wirtschaftsblogger doch etwas taugen. Dem will ich garnicht widersprechen, dennoch wird “Neues” nicht in dem Ausmaß geboten, wie vielleicht in den USA. Aber ich will der Reihe nach die zehn Punkte abarbeiten.

1. Natürlich ist Deutschland zutiefst hierarchisch strukturiert, deshalb haben es Blogger in Deutschland auch noch sehr schwer. Aber es ist in den vergangenen Jahren doch viel besser geworden. Besonders die Blogger bei der FAZ bringen seit kurzem auch einem breiterem Publikum das “neue” Medium Blog nahe. Sowas geht in Deutschland aber leider wohl nur über etablierte Medien. Ein bisschen Anarchie für die alte Dame FAZ, wenngleich das dort für viele echte Blogger keine bloggen darstellt.

2. Die Sache mit der Qualifikation: Ja auch hier kommt häufig das von klein auf indoktrinierte Standes- und Positionsdenken durch. Aber auch hier verändert sich vieles. Man schaue nur mal in die Politik, ein Ex-Straßenkämpfer als Außenminister und eine Physikerin als Bundeskanzlerin dominierten in den vergangenen Jahren die Beliebtheitsumfragen. Also auch hier ist Salmon von der Wirklichkeit eingeholt worden.

3. Tja das Problem mit der öffentlichen Wahrnehmung sehe ich auch, wenngleich auch hier viel passiert ist, nicht nur bei den Wirtschaftsbloggern. Man denke nur an den Medienhype um den Blogverkauf von Robert Basic.

4. Da kommen wir wieder zu Punkt 2. Es ist schon viel besser geworden. Wenngleich mancher Blogger der bessere Banker wäre… Ein weiteres Problem ist sicher, dass bis vor kurzem das Thema Wirtschaft immer nur abhängig von jeweiligen Parteipräferenzen diskutiert wurde. Eine eigene Meinung war lange Zeit nicht gewollt, von daher hat man sich auch keine gebildet. Denn wer negativ auffällt, verbaut sich berufliche Chancen. Auch hier fand zumindest in meiner Wahrnehmung eine Wandlung statt.

5. Ja das ist nun mal typisch deutsch. Fehler werden in Deutschland nur selten verziehen. Aber da muss man eben durch. Ein kultureller Unterschied, den man nicht so schnell überwinden wird.

6. Ein bisschen methodisches und systematisches Arbeiten würden den USA manchmal nicht schaden, aber auch hier kommen eben wieder kulturellen Unterschiede zu Tage, die aber ebenfalls nicht vom erfolgreichen bloggen abhalten sollten

7. Und nochmal ein kultureller Unterschied, der nicht allzu ernst genommen werden sollte.

8. Tja vielleicht haben die USA mehr bloggende Professoren, aber was man bei Wirtschaftliche Freiheit oder beim ÖkonomenBlog ist wahrlich nicht von Laien geschrieben.

9. Tja die Frage nach dem Geld ist sicherlich berechtigt, aber wo sonst außer beim bloggen bekommt man schnell und sachlich fundierte Reaktionen. Zur Monetarisierung gibt es viele Wege und manche machen es auch einfach aus Spass an der Freude. Aber mit steigenden Leserzahlen wird auch das Thema mehr und mehr verschwinden.

10. Huii, die Sache mit dem Urlaub. Im Idealfall bloggen immer mehrere und sonst muss man halt mal von unterwegs was schreiben. Selbst im letzten Urwaldnest gibts inzwischen Internetcafes. Also zählt auch das Argument nicht.

Alles in allem sind einige kulturelle Unterschiede eben doch nicht von der Hand zu weisen. Aber daraus gleich einen Abgesang auf die deutschen Wirtschaftsblogger zu machen halte ich für übertrieben. Klar, viele Leute, die was zu sagen hätten bzw. Informationsbedarf haben wissen noch immer nichts über die Möglichkeiten des Internet, geschweige den über das Medium Blog. In weiten Kreisen der Wirtschaft ist das Smartphone das höchste der Gefühle und den PC bedient sowieso nur die Sekretärin. Das gibt es alles. Aber auch hier stirbt die “technikskeptische” Generation nach und nach aus. Der Satz eines Wirtschaftsjournalisten in Bezug auf Email: “Manch ein Kollege freut sich über ein Fax” dürfte so definitiv der Vergangenheit angehören.

Was die Inhalte der Wirtschaftsblogs angeht, wünsche ich mir mehr solche Blogs wie das bei GSC Research. Aber auch hier wird die Zeit mehr Konkurrenz bringen. Allerdings dürfte bis so etwas wie Fund my Mutual-Fund in Deutschland möglich ist noch viel Wasser den Rhein hinab fließen. Aber in der Zwischenzeit kann man nur versuchen über die Krise zu schreiben und vor allem hin und wieder auch mal etwas positivere Dinge zu finden…