Koalitionsscherz: “Stiftung Finanztest” soll mit 1,5 Mio. Euro im Jahr Finanzprodukte bewerten

Neben der Leistungsschutzrecht-Debatte hat der gestrige Koalitionsausschuss auch im Finanzsektor eine neue Debatte losgetreten: Die Bundesregierung will eine Art Finanz-TÜV aufbauen. “Mit der Stiftung Finanztest verbessern wir die Transparenz und Verbraucherinformation bei Finanzprodukten deutlich” – so heißt es vollmundig auf den Seiten des Verbraucherschutzministeriums von Ministerin Ilse Aigner. Konkret geht es darum, dass “der Stiftung Warentest ab dem Jahr 2013 eine jährliche Zuwendung in Höhe von 1,5 Millionen Euro gewährt werden soll”. Ein Grund mal etwas näher hinzusehen.

Die Stiftung Warentest existiert seit 1964. Neben den normalen Produkttests in Form der test-Hefte gibt es seit 1991 auch die Zeitschriftenreihe Finanztest. Darin werden in regelmäßigem Abstand alle Finanzthemen beackert und Produkte getestet, von Girokonten über Versicherungen und Fonds bis zu Baufinanzierungen und Konsumentenkrediten. Diese Arbeit soll nun weiter ausgebaut werden – auch wenn diese Arbeit nicht verhindern konnte, dass viele Menschen gutgläubig Lehman-Zertifikate gekauft haben und seit der Pleite 2008 ihrem Geld hinterher klagen. Immerhin 3,5 Jahre nach der Lehman-Pleite kommt die Bundesregierung nun also auf die Idee, Finanzprodukte mit einer Art Finanz-TÜV zu versehen. Man kann das Ganze als hoffnungslos überambitioniert sehen. Die zuständige Ministerin lässt sich wie folgt zitieren: “Das ist ein starkes Signal für den Verbraucherschutz. Mit dieser finanziellen Zuwendung kann die Stiftung Warentest künftig noch intensiver über Finanzfragen informieren. Damit wird die Entscheidung über die am besten geeignete Geldanlagen oder Altersvorsorge und die Bewertung der vielen Finanzprodukte, die es auf dem Markt gibt, für die Verbraucherinnen und Verbraucher erleichtert.” Also für mich sieht ein starkes Signal für den Verbraucherschutz anders aus. Aber schauen wir uns die Zahlen mal an:

Die Stiftung Warentest hat seit Jahresbeginn laut Satzung ein Stiftungskapital von 75 Mio. Euro. Im Jahr 2010 belief sich der Umsatz aus Testheften und anderen Produkten auf 39,5 Mio. Euro. Mit diversen Zuwendungen und anderen Erlösen erreichte die Stiftung Umsatzerlöse von insgesamt 48,3 Mio. Euro. Dennoch konnte damit kein Gewinn erzielt werden: Im Jahr 2010 belief sich das Ergebnis ohne Berücksichtigung der Anlage des Stiftungskapitals auf einen Verlust von 845.000 Euro. Erst durch die Mittelzuflüsse aus der Bewirtschaftung des Stiftungskapitals wurde ein positives Ergebnis von 774.000 Euro erzielt. Soweit die derzeitigen Zahlen. Mit weiteren 1,5 Mio. Euro im Jahr soll nun eine Branche seriös bewertet werden, die jedes Jahr Aber-Millionen in Marketing und PR steckt? Erstaunlich…

So sinnvoll die Idee in Sachen Aufklärung sind: Auf die nun beschlossene Art und Weise ist die Idee bereits jetzt zum Scheitern verurteilt. Entweder man bemüht sich um bessere, d.h. unabhängige und qualifizierte Beratung der Bürger – Stichwort Honorarberatung, bei gleichzeitiger Haftung des Beraters, oder man lässt es gleich bleiben.
Eine Art Finanz-TÜV würde nur etwas nützen, wenn alle Finanzprodukte bei deren Auflegung und Vertrieb zertifiziert und mit Risikoklassen versehen werden würden. So ist zwar eine Einordnung von Geldanlageprodukten in bestimmte Anlagekategorien angestrebt. Auch die Vergleichbarkeit der Produkte und die Überprüfung der Aussagen der Anbieter über ihre Finanzprodukte sowie die Qualität der Produktinformationsblätter sind wichtige Bereiche, in denen die Stiftung künftig ebenfalls ihre zuverlässigen Bewertungen abgeben sollte, so heißt es. Dennoch fragt man sich, wie das mit diesen bescheidenen Mitteln – sowohl finanziell, als auch regulatorisch – gehen soll.

Nochmal Frau Aigner: “Wer sich heute um seine Rente oder eine geeignete Geldanlage bemüht, muss sich auf einem Finanzmarkt mit teilweise sehr komplexen Produkten zurechtfinden. Wir lassen die Menschen bei ihren Entscheidungen für die beste Anlageform und Vorsorge nicht allein.” Ob dieser Worthülsen kann man nur lachen. Thema verfehlt. Als wenn sich Otto-Normalbürger nach der Lektüre einer Finanztest-Ausgabe seine eigene Altersvorsorge zusammenstellen könnte. Die Menschen sind doch in Wirklichkeit bisher weitgehend allein, wenn es um Finanz-Themen geht. Vielleicht öffnet das nun gekippte Provisionsweitergabe-Verbot die Tür in Richtung Honorarberatung. Darauf wetten würde ich aber nicht…